Jochen Hamatschek

Lebensmittelmanagement


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in Zucker umwandeln. Über einen nennenswerten Speicher für Eiweißbausteine verfügt der Organismus in der Muskulatur, auf den er in Mangelsituationen zurückgreift. Nach starken Belastungen, die mit einem großen Muskelabbau einhergehen können, ist zum Ausgleich eine Aufnahme von Proteinen angeraten.

      Fettsäuren können dagegen in großem Umfang gespeichert werden. Für den Aufbau von Zellwänden werden nur vergleichsweise geringe Mengen benötigt. Der Rest verbleibt als Leistungsreserve im Körper, isoliert ihn als Unterhautfettgewebe oder puffert Organe gegen Stöße ab. Schlanke Menschen können einen Fettgehalt von unter zehn Prozent erreichen, stark übergewichtige einen von weit über 50 Prozent. Seine Fettreserven haben dem Menschen in der Steinzeit geholfen, Hungerperioden zu überbrücken. Heutzutage sind sie zur gesundheitlichen Belastung geworden.

      Die monomeren Zuckerbausteine sind die unmittelbarsten Energielieferanten des Körpers. Mithilfe des Hormons Insulin werden sie aus dem Blutkreislauf in die Mitochondrien der Zellen transportiert, wo sie mittels des eingeatmeten Sauerstoffs in einem geregelten, vielstufigen Verbrennungsprozess in die Energieeinheit des Körpers, das Molekül Adenosin-tri-Phosphat ATP, umgewandelt werden. Als Nebenprodukte entstehen Kohlenstoffdioxid, das ausgeatmet wird, und Wasser. Dieses Reaktionswasser entlastet dabei die menschliche Flüssigkeitsbilanz. Überschüssige Kohlenhydrate werden zunächst in Form von Glykogen (ein Polysaccharid, das der Stärke von Pflanzen ähnlich ist) in Leber und Muskeln eingelagert und stehen als leicht gewinnbare Energiereserve kurzfristig zur Verfügung. Darüber hinaus aufgenommene Kohlenhydrate werden durch den Stoffwechsel in Fett umgewandelt und schaffen es in das entsprechende Speichergewebe.

      Zur Energieversorgung für die Muskelarbeit holt sich der Körper zunächst die frei verfügbaren Kohlenhydrat-Monomere aus dem Blut, danach greift er seinen Glykogen-Vorrat an. Er spaltet dessen Makromoleküle wieder in Glukosebausteine und transportiert diese mit dem Blut in die arbeitenden Gewebestellen. Die Menge von 300 bis 600 Gramm eingelagertem Glykogen reicht rein rechnerisch für einen Leistungszuwachs von 1 300 bis 2 600 kcal aus und deckt den Bedarf eines Menschen mit normaler Arbeitsbelastung, sogar den von Athleten ab. Ausdauersportler oder Schwerarbeiter müssen zusätzlich ihre vergleichsweise unbegrenzt verfügbaren Fettdepots anzapfen. Ein Kilogramm Fettgewebe versorgt sie mit rund 7 000 kcal. Durch Training lässt sich der Fettstoffwechsel so aktivieren, dass er gleich nach Beginn einer Einheit als Energielieferant zur Verfügung steht und dadurch der Glykogen-Abbau zeitlich gestreckt wird (Berg und König 2008). Aufgrund dieser Mechanismen ist der menschliche Körper grundsätzlich nicht auf die Zufuhr von Kohlenhydraten angewiesen.

      Das menschliche Gehirn macht zwei Prozent des Körpergewichts aus, verbraucht aber 20 Prozent der Energie. Die muss ausschließlich in Form von Glukose geliefert werden, die im einfachsten Fall aus Kohlenhydraten stammt. Im Zuge einer bewusst kohlenhydratarmen Ernährung oder in einer Hungersituation können Gehirn und Muskeln Ketonkörper, wie 3-Hydroxy-Butyrat, aus der Leber zur Energiegewinnung verwenden. Das Gehirn ist dann in der Lage, mit nur noch wenigen Gramm Glukose am Tag auszukommen, die der Körper aus komplexen Kohlenhydraten von kleinen Mengen Gemüse und Früchten oder aus Proteinen gewinnen kann. Industriell hergestellter Zucker aus Zuckerrohr, Zuckerrüben oder Maisstärke steht erst seit etwa 200 Jahren zur Verfügung. Dieser Zucker wird dem Körper in direkt verwertbarer Form zur Verfügung gestellt, er wandert auf schnellstem Weg in das Blut und aktiviert die Insulinausschüttung aus der Bauchspeicheldrüse. Dieses Hormon ist für den Transport in die Zellen erforderlich. Eine Störung in diesem Prozess führt zu Diabetes, einer Stoffwechselkrankheit, die weltweit epidemische Dimensionen angenommen hat. Zu große Mengen zuckersüßer Lebensmittel werden zu Recht für die Entstehung dieser Zivilisationskrankheit mitverantwortlich gemacht.

      Tab. 3.1 Effizienz von Lebensmitteln in Abhängigkeit von ihrem Verarbeitungszustand

Originär, roh energiearm Originär, erhitzt Raffiniert, erhitzt hohe Energiedichte
Verdaulichkeit + ++ +++
Nettobrennwert niedrig mittel hoch
Aufwand für Verdauung +++ ++ +
Wirkungsgrad + ++ +++
Beispiele:
Mehl unverdaulich Vollkorn 70 % Aufnahme ausgemahlen, 100 % Aufnahme
Fleisch unverdaulich Braten Brät
Obst, Gemüse roh Püree Saft
Kartoffeln/Reis unverdaulich gekocht Sirup
Zuckerrohr unverdaulich gekocht Sirup
Fast Food – – – – z. B. Hamburger
Süßigkeiten – – – – z. B. Pralinen

      Tabelle 3.1 stellt den Wirkungsgrad von Lebensmitteln in Abhängigkeit ihres physikalischen Zustandes nebeneinander. Rohe Lebensmittel, soweit überhaupt vom Menschen zu verwerten, benötigen viel Aufwand für die Verdauung, ihre Energieausbeute ist vergleichsweise niedrig. Die Auf- und Zubereitung in der Küche erhöht die Verdaulichkeit dieser Lebensmittel beträchtlich, die Energieausbeute steigt. Noch höher wird der Wirkungsgrad bei vielen industriell behandelten Lebensmitteln. Die ersten Schritte der menschlichen Verdauung haben bereits in der Fabrik stattgefunden, die Inhaltsstoffe sind oft ohne weitere Arbeit des Körpers zur Direktaufnahme in die Blutbahn geeignet. Die als Fast Food bezeichneten Schnellgerichte sind meist ballaststofffrei und quasi bereits „halb verdaut“. Die Rohkosternährung erfordert dagegen viel Verdauungsaufwand. Kritiker bemängeln daher nicht ganz unberechtigt, dass die industrielle Ernährung dem Menschen einen Hauptteil seiner Verdauungsarbeit abnimmt und ihn mit vorverdauten Produkten füttert. Die Herausforderung besteht also darin, die menschliche Ernährung so zu gestalten, dass die 47 essenziellen Nährstoffe immer ausreichend zur Verfügung stehen und der Energiebedarf entsprechend der spezifischen Lebenssituation befriedigt wird.

      In vielen Ländern korreliert die Gewichtszunahme der Bevölkerung mit dem Auftreten von multinationalen Lebensmittelkonzernen und Fast-Food-Ketten. Sie helfen, die traditionelle Ernährung durch Convenience-Food zu ersetzen. Dabei befriedigen sie letztlich nur die Bedürfnisse der Kunden – diese machen im Prinzip alles richtig. Vorlieben für kalorienreiche Lebensmittel sind genetisch festgelegt, denn sie verschafften einen Überlebens- oder Fortpflanzungsvorteil (Paul 2012). So ist der Mensch geprägt durch Süße und Fett, sie galten in der Savanne als lebensnotwendige Energiespender. Diese Energiebilanz ist in vielen Ländern aus unterschiedlichen Gründen aus dem Gleichgewicht geraten. Gemessen am Energieverbrauch essen die Menschen im Allgemeinen zu süß, zu fett und zu viel. Es ist verständlich, dass die Lebensmittelwirtschaft dabei