vorgestellt und daran anschließend an einigen prägnanten Beispielen aufgezeigt werden, wie sich das reale Versorgungs-Umland im Hinblick auf die idealtypischen Modellvorstellungen ausprägte.
In seiner Schrift „Der isolierte Staat in Beziehung auf Landwirtschaft und Nationalökonomie“, veröffentlicht 1826, entwickelte der preußische Ökonom Johann Heinrich von Thünen eine Standorttheorie landwirtschaftlicher Produktion: Seine Frage war, an welchen Standorten, in welcher Entfernung von einem großen (städtischen) Markt sich der Anbau welcher Produkte am meisten lohnte. [<<65]
Abb 6a und b Die Thünenschen Ringe Schema A stellt das Idealmodell dar, ohne jede landschaftliche Variation, Schema B ist eine Adaption an eine Landschaft mit einem schiffbaren Fluss
Thünen legte als Modellannahme A eine homogene und flache Landschaft mit Böden gleicher Güte zugrunde. Es gebe weder topografische Hindernisse wie Gebirge noch Gunstfaktoren, die Transport nennenswert verbilligten wie Flüsse. Unter diesen Rahmenbedingungen, wo allein die Transportkosten als mit der Entfernung variabler Faktor eine Rolle spielen, kam Thünen zu der Annahme, dass sich um eine Stadt ringförmige Zonen je spezifischer landwirtschaftlicher Produktionen entwickeln. Die Nutzung der einzelnen Zonen hängt vor allem davon ab, wie verderblich das entsprechende Gut ist und wie viel Transport es im Hinblick auf Verderblichkeit und Wert verträgt. In der Tendenz nehme die Intensität der Bodennutzung, d. h. der Einsatz von Arbeit und Kapital pro Flächeneinheit, nach außen kontinuierlich ab. Nach Thünen ist eine Stadt (Stern innerhalb des Kreises “freie Wirtschaft“) zunächst mit einem Gürtel von Gärtnern umgeben, die den städtischen Markt mit frischem Obst und Gemüse, [<<66] mit Heu, Kartoffeln und Rüben versorgen. Teil der “freien Wirtschaft“ ist auch eine Zone der Milchwirtschaft, die Milch und Butter, also ebenfalls rasch verderbliche Güter produziert. Darauf folgt eine forstwirtschaftliche Zone, die – wegen der hohen Transportkosten – vor allem auf die Belieferung der Stadt mit Brennholz ausgerichtet ist. Die folgende Zone („Landwirtschaft:Fruchtwechselwirtschaft“) ist besonders der Getreideproduktion im Rahmen einer Fruchtwechselwirtschaft gewidmet, in der darauf folgenden Zone („Koppelwirtschaft“) wird verbesserte Dreifelderwirtschaft praktiziert, weiter entfernt von der Stadt herrscht extensive Dreifelderwirtschaft vor. Noch weiter von der Stadt entfernt findet man Zonen für Weidewirtschaft und für Bauholzproduktion. Beide Nutzungsformen vertragen eine größere Entfernung vom Konsumzentrum, weil die Masttiere selbst zur Stadt getrieben werden, oder – bei Schafen – ihre Wolle örtlich gewonnen und zur Stadt gebracht wird. Höherwertiges Bauholz verträgt wegen des höheren auf dem städtischen Markt erzielbaren Preises längeren Transport. Die wesentliche Variable ist eine von innen nach außen abnehmende Intensität der Bodennutzung: Pro Flächeneinheit wird auf marktnahen Flächen erheblich mehr Arbeit, aber auch Kapital eingesetzt und dadurch auch erheblich höhere Erlöse erzielt.
Wie Schema II zeigt, sind die geografischen Bedingungen von Schema I tatsächlich kaum gegeben; Berge und Hügel erschweren, Flüsse, die zum Markt führen, erleichtern Transport in sehr erheblicher Weise. In Schema II zeigen sich die Zonen daher nicht ringförmig um die Stadt, sondern bandförmig auf beiden Ufern des Flusses, der die Zugänglichkeit zum städtischen Markt wesentlich verbessert. Zudem ist die Bodenfruchtbarkeit wie auch die Bebaubarkeit von Böden keineswegs gleichförmig und homogen, sondern variiert zwischen guten und schlechten Böden. Von daher weist das reale Versorgungsumland von Städten erhebliche Abweichungen vom Thünenschen Modell der konzentrischen Ringe auf. Dennoch zeigt sich in vielen Fällen, dass die Versorgungszonen zwar nicht in idealtypischer Ringform vorliegen, aber die reale Abfolge der verschiedenen Nutzungsformen mit wachsender Entfernung vom städtischen Marktzentrum durchaus prinzipiell dem Thünenschen Modell entspricht. Daher spielt das Thünensche Modell als heuristische Grundannahme in Forschungsarbeiten, die sich mit der räumlichen Struktur städtischer Versorgung befassen, nach wie vor eine wichtige Rolle.2 [<<67]
4.2 Die mittelalterliche Stadt und der Wald
Der Wald stellte nach Aussage des Mediävisten Ernst Schubert die „wirtschaftliche Grundlage der spätmittelalterlichen Stadt“ dar.3 In einer Quelle zu zwei Wäldern der südwestdeutschen Stadt Pfullendorf wird um 1220 betont, „sine quibus civitas stare non potest“, die Stadt könne ohne sie nicht bestehen.4 Für die Menschen des Mittelalters und auch noch der frühen Neuzeit bildete der Wald eine multidimensionale Ressource, Wolfgang Piereth spricht vom Wald als der „nahezu alternativlosen Universalressource“.5 Auf materieller Ebene standen zunächst einmal die Nutzungen zur Holzversorgung und als “Nährwald“ im Zentrum. Holzversorgung bezog sich nicht nur auf Brennholz, das praktisch bis zur Erschließung und dem Abbau von Steinkohle die wichtigste Brennstoffressource für alle Vorgänge war, bei denen thermische Energie benötigt wurde.6 Holz bildete auch das Baumaterial für die allermeisten Gebäude der Stadt, sowie den Werkstoff, aus dem Werkzeuge, Wagen, Fässer, Möbel, Gerätschaften aller Art gefertigt wurden. Wald war „sowohl Grundstofflieferant als auch wichtigster Energieträger.“7
„Nährwald“ bedeutet, dass den Einwohnern von Städten der fußläufig erreichbare Wald (in Thünens Modell die forstwirtschaftliche Zone in Stadtnähe) als zusätzliche Quelle für Nahrungsmittel diente. Man sammelte dort Beeren, Pilze und Kräuter, hielt Bienen im Wald für Honig, das einzige Süßungsmittel der mittelalterlichen Gesellschaft. Schließlich wurde im Wald Wild gejagt, wobei dies offiziell den Jagdberechtigten, meistens adligen Herren, vorbehalten war. Allerdings zeigen zahlreiche Strafordnungen gegen Jagdfrevel und Prozesse gegen Wilderer, dass illegales Jagen weit verbreitet war. Der Wald diente auch als Weide; Schweine wurden im Herbst in den Wald getrieben, um sich an [<<68] Eicheln zu mästen, in Freiburg i.Br. brachte die Eichelmast 15 % der Einnahmen aus dem Stadtwald. Auch anderes städtisches Vieh weidete regelmäßig im Wald, für Nürnberg wird von 3000–4000 Stück Vieh berichtet, die in den Reichswäldern weideten. Die Waldweide setzte allerdings voraus, dass der Wald überwiegend aus Laubbäumen bestand; ein Nadelholzwald bietet nur wenig Futter für Weidetiere.
Die mittelalterliche Stadt war eine hölzerne Stadt: Nur wenige herausgehobene Bauten, vor allem die Kirchen und Klöster, einige Zunfthäuser, und natürlich die Mauern waren aus Stein. Die allermeisten Wohnhäuser waren dagegen noch ganz oder überwiegend aus Holz, selbst die Dächer waren mit hölzernen Schindeln oder Stroh bzw. Reet gedeckt. Seit dem Spätmittelalter setzte sich auf Druck der Stadtbehörden wegen des Feuerschutzes langsam die Verwendung von gemauerten Kaminen, von feuerfesten, aber rund ein Drittel teureren Ziegeln für die Dächer durch. Holz wurde aber auch für Steinbauten in erheblichem Maße gebraucht, etwa für die Konstruktion von Dachstühlen, Böden, Treppen und für die Gerüste. Der Bau der Münchner Frauenkirche im späten 15. Jahrhundert erforderte 20.000 Baumstämme, die auf der Isar angeflößt werden mussten.
Die städtischen Gewerbe waren ebenfalls in hohem Maße waldabhängig. So verarbeiteten Wagner astfreies Eichenholz, die Drechsler fertigten Büchsen aus Buchsbaum, die Seiler stellten ihre Seile aus Baumrinde her, Tischler und Schreiner verarbeiteten alle Arten von Holz, je nach Verwendungszweck und Geschmack. Sehr viel Holz wurde für Schiffsbau in Hafenstädten, aber auch für Brückenbau in Binnenstädten gebraucht. Großen Holzbedarf hatten die Küfer oder Büttner, die Fässer herstellten, zumal auch die dazu notwendige Herstellung von Teer großen Brennholzverbrauch verursachte. Fässer dienten der mittelalterlichen Wirtschaft als universales Transportmittel, das für Waren aller Art eingesetzt wurde, die geschützt über längere Strecken transportiert werden sollten, sie waren die „Container“ des Mittelalters. Aber auch Handwerker wie Schuster oder Gerber lebten vom Wald; Schuster stellten Leisten und Zwecken (= Nägel) aus Holz her, Gerber verarbeiteten die Baumrinde von Eichen, um die nötige Lohe für den Gerbprozess von Leder zu gewinnen.8
4.2.1 Die Veränderung des Waldes im Zuge des Landesausbaus
Die langfristige Expansion der mittelalterlichen Gesellschaft nach 1000 hatte durch Rodungen im Zuge des Landesausbaus die zusammenhängenden großen Waldgebiete des Frühmittelalters zu Fleckenteppichen