dass die Verwaltung alle Aufgaben in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorgaben erfüllt, so wie dies nach dem Rechtsstaatsprinzip (Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, Kap. 5.1.1) geboten ist. Verstöße der Verwaltung gegen die Gesetze können somit einerseits vom betroffenen Bürger angegriffen werden (zu den Rechtsbehelfen: Kap. 8), andererseits aber auch ohne einen entsprechenden Antrag des Bürgers durch die Verwaltung selbst behoben werden (Kap. 9).
Da der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung von überragender Bedeutung für die Rechtsstaatlichkeit ist, obliegt dem Staat die Rechtsaufsicht auch dann, wenn er öffentliche Aufgaben im Wege der mittelbaren Staatsverwaltung erledigen lässt. Denn anderenfalls könnte sich der Staat jeder Verantwortung für ein rechtsstaatliches Verwaltungshandeln dadurch entziehen, dass er sämtliche öffentlichen Aufgaben auf Körperschaften, Anstalten oder Private überträgt. Dies kann nicht im Interesse des Grundgesetzes sein. Daher obliegt die Rechtsaufsicht nicht nur den übergeordneten Behörden im Bereich der unmittelbaren Staatsverwaltung, sondern der Staat übt die Rechtsaufsicht auch über die Behörden der mittelbaren Staatsverwaltung aus.
Beispiele
Dem Bundesversicherungsamt (Bundesbehörde) obliegt die Rechtsaufsicht über die gesetzlichen Krankenkassen, die bundesweit tätig sind; das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat die Rechtsaufsicht über die Bundesagentur für Arbeit. Die Rechtsaufsicht über die Jugendämter obliegt in den Ländern der Kommunalaufsicht, da die Landkreise und kreisfreien Städte als Kommunen die örtlichen Träger der Jugendhilfe sind.
2.3.3 Fachaufsicht
Die dritte Form verwaltungsinterner Aufsicht ist die Fachaufsicht. Diese befasst sich im Unterschied zur Rechtsaufsicht nicht mit der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns, sondern mit den dabei innerhalb des gesetzlichen Rahmens qualitativ zugrunde zu legenden Standards (d. h. mit der Frage, „wie“ fachlich vorgegangen wird). Auch hier gilt, dass im hierarchischen System der unmittelbaren Staatsverwaltung die oberen Behörden ihren nachgeordneten Stellen fachliche Anweisungen hinsichtlich der Zweckmäßigkeit des Vorgehens geben dürfen.
Beispiel
Das Polizeipräsidium darf als vorgesetzte Behörde den nachgeordneten Inspektionen vorgeben, dass Vernehmungen von Frauen, die Opfer häuslicher oder sexueller Gewalt geworden sind, nur durch weibliche Beschäftigte durchgeführt werden sollen.
Im Bereich der mittelbaren Staatsverwaltung darf sich der Staat nicht in die fachliche Aufgabenerledigung einmischen. Er hat insoweit wiederum die rechtliche Selbstständigkeit der Körperschaften (einschließlich der Kommunen!), Anstalten und Stiftungen zu beachten.
Beispiel
Gemäß § 8a Abs. 1 SGB VIII muss sich das Jugendamt bei Verdacht auf eine Kindeswohlgefährdung erforderlichenfalls einen Eindruck von der Situation des Kindes in seiner Umgebung machen, z. B. durch einen Hausbesuch. Detaillierte fachliche Anforderungen an diesen stellt das Gesetz nicht. Daher könnte die Fachaufsicht bspw. vorgeben, dass ein Hausbesuch stets durch zwei Fachkräfte, in der Regel je eine männliche und eine weibliche gemeinsam, vorzunehmen ist. Nachdem die Jugendhilfe den Landkreisen und kreisfreien Städten zugewiesen ist und diese somit als Kommunen (d. h. in mittelbarer Staatsverwaltung) tätig werden, darf das zuständige Landesjugendministerium dem Jugendamt keine entsprechenden fachlichen Vorgaben machen. Dieses Recht steht nur dem Landrat oder Bürgermeister bzw. dem Jugendhilfeausschuss (§ 70 Abs. 2 SGB VIII) des Kreises oder der kreisfreien Stadt zu.
Eine Ausnahme gilt dann, wenn der Staat den Kommunen staatliche Aufgaben durch Gesetz übertragen hat, für die diese an sich gar nicht zuständig wären (sog. „übertragener Wirkungskreis“ der Kommunen). In diesen Bereichen (z. B. dem Meldewesen und dem Sicherheitsrecht) darf der Staat auch fachlich-inhaltliche Vorgaben machen, da die Kommunen hier keine eigenen, sondern staatliche Aufgaben erledigen.
Bossong, H. (2009): Sozialverwaltung. Ein Grundkurs für soziale Berufe. 2. Aufl. Juventa, Weinheim
Braatz, W. (2014): Äußere Behördenorganisation, Bd. 17. BVS, München
Dahme, H.-J., Schütter, S, Wohlfahrt, N. (2013): Lehrbuch Kommunale Sozialverwaltung und Soziale Dienste. Grundlagen, aktuelle Praxis und Entwicklungsperspektiven. 2. Aufl. Juventa, Weinheim
Kitzeder, P. (2013): Kommunalrecht, Bd. 8. BVS, München
Fall 2: Der Lehrplanstreit
a) Das Landessozialministerium will einer staatlichen Hochschule den Lehrplan für den Studiengang Soziale Arbeit sowie den Studierenden einen detaillierten Stundenplan vorgeben. Die Hochschule beruft sich darauf, dass es keinerlei gesetzliche Vorgaben zu den Stundenplänen gibt und das Ministerium der Hochschule „in dieser Sache nichts zu sagen hat“. Wer hat Recht?
b) Das Wissenschaftsministerium des Bundeslandes beanstandet, dass die Hochschule weiterhin Studiengebühren erhebt, obwohl diese nicht mehr gesetzlich vorgesehen sind. Darf das Ministerium die Hochschule anweisen, dass sie die zu Unrecht erhobenen Gebühren zurücküberweist?
3 Formen des Verwaltungshandelns
3.1 Hoheitliches Handeln
Von hoheitlicher Tätigkeit spricht man immer dann, wenn die Verwaltung gegenüber dem Bürger in einem „Über- / Unterordnungsverhältnis“ tätig wird.
Hoheitliches Handeln bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass es sich um behördliche Vorgaben und Eingriffe handeln muss: Auch die Entscheidung über öffentliche Leistungen (z. B. das Gewähren einer Ausbildungsbeihilfe nach dem BAföG, einer Unfallrente nach dem SGB VII oder die Zuweisung eines KiTa-Platzes) erfolgt im Über- / Unterordnungsverhältnis zwischen Bürger und Staat und ist damit hoheitlich.
Die rechtswissenschaftlichen Theorien (Subjekts-, Interessen-, Subjektions-, Sonderrechtstheorie und weitere) darüber, wann eine Maßnahme hoheitlich bzw. dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist, müssen hier nicht erörtert werden. Für die Praxis der Sozialen Arbeit genügt die Faustregel, dass hoheitliches Handeln vorliegt, wenn zwischen Bürger und Staat ein Über- / Unterordnungsverhältnis besteht.
3.2 Privatrechtliches Handeln
In einer Vielzahl von Alltagssituationen wäre es nicht „passend“, wenn die Verwaltung hoheitlich handeln würde. Es wäre beispielsweise kaum vorstellbar, dass ein Sozialamt seine Dienstwägen oder ein Ministerium die Amtsräume sowie das erforderliche Büromaterial hoheitlich beschlagnahmt. Deshalb hat die Verwaltung die Möglichkeit, auch zivilrechtlich, also „wie ein Bürger“, am Rechtsverkehr teilzunehmen und Verträge abzuschließen. Rechtlich ist das möglich, denn nicht nur natürliche, sondern auch juristische Personen sind rechtsfähig. Der Staat (d. h. der Bund und die Länder) sowie die Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sind sogenannte juristische Personen des öffentlichen Rechts und können als solche in gleicher Weise wie privatrechtliche juristische Personen (z. B. ein eingetragener Verein, eine GmbH oder eine AG) am Rechtsverkehr teilnehmen und zivilrechtliche Verträge abschließen.
Für diese zivilrechtliche Verwaltungstätigkeit gelten die „normalen“ Vorschriften des bürgerlichen Rechts (v.a. das BGB). Das Verwaltungsrecht ist dagegen nicht einschlägig, wenn Behörden privatrechtlich handeln. Das ergibt sich u. a. aus § 1 SGB X, wonach das SGB X nur auf die hoheitliche Tätigkeit (d. h. im Über- / Unterordnungsverhältnis) von Behörden anwendbar ist.
Handeln Behörden zivilrechtlich, dann ist auch der Rechtsweg zur Zivilgerichtsbarkeit (z. B. Amtsgericht, Landgericht, Arbeitsgericht) eröffnet, denn laut §§ 40 VwGO und 51 SGG sind die Verwaltungs-und Sozialgerichte (mit wenigen Ausnahmen) nur für „öffentlich-rechtliche“, also für Streitigkeiten aus dem Über- / Unterordnungsverhältnis zwischen Staat und Bürger zuständig.
Beispiele
• Das Bundesfamilienministerium führt