Gesetzen im Sozialgesetzbuch und dessen Nebengesetzen (das sind alle in § 68 SGB I genannten Gesetze) niedergelegt. Das Sozialverwaltungsrecht regelt die hoheitliche Tätigkeit der Sozialbehörden. Das sind die Behörden, die das SGB und seine Nebengesetze vollziehen. Auch im Sozialrecht unterscheidet man allgemeines und besonderes Sozialverwaltungsrecht.
1.3.1 Allgemeines Sozialverwaltungsrecht
Das allgemeine Sozialverwaltungsrecht und das Sozialverwaltungsverfahren sind vor allem im SGB X geregelt; wichtige allgemeine Grundsätze (z. B. behördliche Auskunfts- und Beratungspflichten oder Mitwirkungspflichten von Antragstellern) finden sich aber auch im SGB I. Die Vorschriften des Sozialverwaltungsrechts gelten dabei unabhängig davon, ob eine Sozialleistung durch eine Bundesbehörde oder die Landessozialbehörden erbracht wird (die nach § 1 Abs. 1 S. 2 SGB X erforderliche Anwendbarkeitserklärung ist für alle wichtigen Bereiche des Sozialrechts erfolgt).
Zu sehen ist aber, dass das Landesrecht ergänzende Vorschriften zum Sozialverwaltungsrecht enthalten kann. Das Bundesrecht verweist an einigen Stellen sogar ausdrücklich auf die gesetzlichen Bestimmungen der Länder, etwa bei der Bestimmung der zuständigen Leistungsträger für das Wohngeld (§ 26 Abs. 2 SGB I) und die Jugendhilfe (§ 27 Abs. 2 SGB I), der Kindertagesbetreuung (§ 26 SGB VIII) oder beim Schutz von Kindern und Jugendlichen, die (teil-)stationär außerhalb der eigenen Familie betreut werden (§ 49 SGB VIII). In den einzelnen Bundesländern finden sich die entsprechenden landesrechtlichen Bestimmungen vor allem in deren Ausführungsgesetzen zum Sozialgesetzbuch.
Beispiele
In Bayern gibt es ein Gesetz zur Ausführung des Sozialgesetzbuchs (AGSG). Andere Bundesländer haben zu einzelnen Büchern des SGB jeweils gesonderte Ausführungsgesetze erlassen, z. B. das hessische Ausführungsgesetz zum SGB XII (HAG-SGB XII), das Landesausführungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern zum SGB II (AG-SGB II) oder das Bremische Gesetz zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (BremAGKJHG).
Aus dem Föderalismus können sich somit auch im Bereich des Sozialrechts gewisse – meist nur geringfügige! – Unterschiede in den einzelnen Bundesländern ergeben.
Abgesehen von den landesspezifischen Zuständigkeitsregelungen und einigen Bestimmungen des SGB I sind die Verfahrensregelungen im allgemeinen Verwaltungsrecht des Bundes, der einzelnen Länder sowie im SGB X aber weitgehend identisch.
1.3.2 Besonderes Sozialverwaltungsrecht
Die fachbereichsspezifischen Sondervorschriften und Spezialregelungen, die nur in Bezug auf einzelne Sozialleistungen gelten, finden sich in den Büchern II bis IX und XI bis XII des SGB sowie in den in § 68 SGB I genannten Nebengesetzen (z. B. dem BAföG, dem Wohngeldgesetz, dem Adoptionsvermittlungsgesetz etc.).
Beispiele
Bspw. sind die einzelnen Leistungen der Kranken- und Pflegeversicherung, die Voraussetzungen für eine KiTa-Betriebserlaubnis nach dem SGB VIII, die Regelungen zur Feststellung des Pflegegrades oder einer Behinderung etc. zum besonderen Sozialverwaltungsrecht zu rechnen.
Aus diesen Gesetzen können sich besondere Bestimmungen für das Verfahren ergeben (z. B. Regelungen zur Zuständigkeit von Behörden, Schriftformerfordernisse für Anträge oder besondere Mitwirkungspflichten von Antragstellern). Diese Sonderregeln gehen den allgemeinen Bestimmungen des SGB X und des SGB I vor (§ 37 SGB I).
Beispiele
• Nach § 6 Abs. 2 S. 2 i. V. m. Abs. 1 S. 1 SGB VIII kann das Jugendamt ein ausländisches Kind in Obhut nehmen, wenn es sich tatsächlich in Deutschland aufhält. Diese Sonderregelung verdrängt die allgemeine Regelung in § 30 SGB I, wonach die Vorschriften des SGB an sich nur anwendbar sind, wenn Ausländer ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben.
• Es stellt sich die Frage, ob und in welcher Form ein BAföG-Antrag zu stellen ist. Der Grundsatz im allgemeinen Verwaltungsrecht (§ 18 SGB X) lautet, dass die Verwaltung „von Amts wegen“ tätig wird, also ohne dass ein Antrag erforderlich ist. Zudem gilt der Grundsatz der Formfreiheit (§ 9 SGB X). Für die Ausbildungsförderung gibt es jedoch besondere Bestimmungen im BAföG und somit in einem Sondergesetz des besonderen Verwaltungsrechts: Laut § 46 Abs. 1 S. 1 BAföG setzt die Leistung einen Antrag voraus, der in schriftlicher Form zu stellen ist. Da das BAföG dem allgemeinen Verwaltungsrecht vorgeht (§ 37 SGB I), sind §§ 9 und 18 SGB X nicht anwendbar; es ist ein schriftlicher Antrag erforderlich.
Auch das SGB IV enthält allgemeine Vorschriften. Da diese jedoch ausschließlich für die Sozialversicherung gelten (§ 1 Abs. 1 SGB IV), ist das SGB IV im Vergleich zum SGB I und dem SGB X als „fachspezifisch“ und damit als Teil des besonderen Sozialverwaltungsrechts einzuordnen.
Eine besondere Rolle im System der einzelnen Bücher des SGB spielt darüber hinaus das SGB IX. Dieses enthält erst seit 2018 spezielle Sozialleistungen für behinderte und chronisch kranke Menschen. Es sieht aber auch einige besondere Verfahrensregelungen vor, etwa in Bezug auf die Zuständigkeitsklärung (§ 14 SGB IX) oder die Bewilligung eines persönlichen Budgets (§ 29 SGB IX).
Die einzelnen Bereiche des Verwaltungsrechts sind in Übersicht 2 zusammenfassend dargestellt. Auch im besonderen Sozialrecht gibt es aber die Möglichkeit, dass die Bundesländer ergänzende landesrechtliche Regelungen schaffen (Art. 72 Abs. 1 i.V.m. Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG).
Übersicht 2
Allgemeines und besonderes Verwaltungsrecht (2)
Fall 1: Der Antrag auf Wohngeld
Die Alleinerziehende A beantragt per E-Mail Leistungen nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) bei der dafür zuständigen Behörde.
a) Die Wohngeldstelle besteht auf einen schriftlichen Antrag. Zu Recht?
b) A ist sich nicht sicher, ob sie das Wohngeld auch dann erhält, wenn sie eine Wohnung gemietet hat, die ihren Großeltern gehört. Außerdem beabsichtigt ihr Freund, der relativ gut verdient, zu ihr in die Wohnung zu ziehen. Hat sie einen Anspruch auf Beratung zu diesen Fragen gegenüber der Wohngeldstelle?
c) Die Wohngeldstelle antwortet A per Mail, dass ihr Antrag abgelehnt wird. Ist das rechtlich zulässig?
2 Träger der Verwaltung
So vielfältig wie die Aufgaben der Verwaltung ist auch deren Organisation. Die höchst unterschiedlichen behördlichen Handlungsfelder haben dazu geführt, dass sich in den einzelnen Verwaltungsbereichen verschiedenste Strukturen entwickelt haben.
Im Bereich der Polizei und des Ordnungsrechts ist beispielsweise eine hierarchisch arbeitende Verwaltung unverzichtbar, wenn es um die geordnete Durchführung von Großeinsätzen geht (z. B. Präsenz bei Fußballgroßveranstaltungen, Begleitung von Großdemonstrationen, Absicherung von Staatsbesuchen etc.).
Dagegen stehen in der Sozialverwaltung traditionell der gesellschaftliche Solidargedanke und die öffentliche Fürsorge im Vordergrund. Das hat zur Folge, dass die Sozialverwaltung weniger auf den Staat zentriert ist, sondern v.a. durch Solidarsysteme sowie die Verantwortlichkeit der Kommunen im Bereich der Daseinsvorsorge geprägt wird. Sowohl der Bund als auch die Länder haben deshalb die Befugnis, bestimmte öffentliche Aufgaben auf Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts zu übertragen (Art. 87 Abs. 3 GG). Für die Sozial-versicherung schreibt dies Art. 87 Abs. 2 GG sogar ausdrücklich vor.
Angesichts der unterschiedlichen gesetzlichen Aufgabenzuweisungen, Anforderungen und fachlichen Bedürfnisse in den einzelnen Verwaltungsbereichen ist über die vergangenen Jahrzehnte eine schier unüberschaubare Zersplitterung der „Behördenlandschaft“ im sozialen Bereich entstanden. Statt „Leistungen aus einer Hand“ zu erhalten, muss sich der Bürger derzeit eher in einem Labyrinth von Zuständigkeiten zurechtfinden.
2.1 Staatliche Verwaltung
Der „klassische“ Verwaltungsträger ist nach wie vor „der Staat“. Darunter versteht man den Bund und die Länder. Aus Art. 30 i. V. m. Art. 83 ff. GG ergibt sich der Grundsatz, dass sämtliche