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Fälle zum Sozialrecht


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      IV. Gesamtergebnis

       A. A könnte einen Anspruch auf Witwenrente gegen den Rentenversicherungsträger gemäß § 46 II Nr. 2 SGB VI haben.

      Erläuterung: Anspruchsgegner ist hier die Deutsche Rentenversicherung, die nach der Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung (RVOrg, BT-Drs. 15/3654 und 15/3824) zum 1.10.2005 aus dem VDR (Verband Deutscher Rentenversicherungsträger) und der BfA (Bundesversicherungsanstalt für Angestellte) entstanden ist.1 Die Deutsche Rentenversicherung Bund, die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See und die[25] Regionalträger der Deutschen Rentenversicherung (z.B. Deutsche Rentenversicherung Oldenburg-Bremen) bilden die Deutsche Rentenversicherung. Da vorliegend dem Sachverhalt keine weiteren Angaben zu entnehmen sind, kann der Anspruchsgegner mit „Rentenversicherungsträger“ bezeichnet werden.

      I. Anspruchsvoraussetzungen/Tatbestandsmerkmale

      Hierfür müssten die Anspruchsvoraussetzungen nach § 46 II Nr. 2 SGB VI für die große Witwenrente vorliegen.

      Erläuterung: § 46 SGB VI unterscheidet in seinen Absätzen I und II zwischen kleiner und großer Witwen- und Witwerrente. Neben den zum Teil sehr unterschiedlichen Voraussetzungen unterscheiden sich diese beiden Renten insbesondere in der Dauer der Leistung (vgl. § 46 I 2 SGB VI) und in der Höhe der Leistung. Vgl. hierzu § 67 Nr.5 und 6 SGB VI.

      1. Witwe oder Witwer eines versicherten Ehegatten

      Zunächst müsste A Witwe des verstorbenen B sein. Witwe ist, wer mit dem versicherten Ehegatten bei dessen Tod verheiratet gewesen ist.2 Danach müsste B zunächst versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung gewesen sein. Laut Sachverhalt war B vor seinem Tod versicherungspflichtig beschäftigt, daher ist davon auszugehen, dass er die Versicherteneigenschaft gemäß § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI erfüllt. A und B haben am 1.8. diesen Jahres geheiratet. B ist am 8.10. diesen Jahres verstorben. Damit waren A und B zum Zeitpunkt des Todes miteinander verheiratet und A ist damit nunmehr B.s Witwe.

      2. Keine Wiederheirat

      A dürfte zudem nicht wieder geheiratet haben, da der Anspruch ansonsten endet (vgl. § 100 III 1 SGB VI, vgl. auch die Abfindung nach § 107 SGB VI). Der Sachverhalt enthält keine Angaben über eine Wiederheirat der A. Daher ist nicht von einer Wiederheirat auszugehen.

      [26]3. Allgemeine Wartezeit

      Zudem müsste B die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Dem Sachverhalt ist zu entnehmen, dass B „jahrzehntelang“ versicherungspflichtig beschäftigt war, es ist hier davon auszugehen, dass B damit auch die allgemeine Wartezeit (Mindestversicherungszeit) von mindestens fünf Jahren gemäß § 50 I SGB VI erfüllt.

      Erläuterung: Die Hinterbliebenenrenten (also insbesondere die Witwen- und Witwerrenten nach § 46 SGB VI und auch die Waisenrenten nach § 48 SGB VI) sind sog. abgeleitete Renten3, d.h. sie werden vom Rentenanspruch des Verstorbenen abgeleitet. Der oder die Hinterbliebene muss selber nie in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben und auch die Versicherteneigenschaft nicht erfüllen, es kommt hier lediglich auf die Versicherteneigenschaft oder den Rentenbezug des/der Verstorbenen an. Auch die Höhe der Hinterbliebenenrenten richtet sich nach dem Anspruch den der bzw. die Verstorbene gehabt hätte bzw. hatte, wobei die Hinterbliebenen lediglich einen bestimmten Prozentsatz (Anteil) hiervon erhalten. Siehe zur Anrechnung des Einkommens des/der Hinterbliebenen: § 97 SGB VI.

      4. § 46 II 1 SGB VII – Kinderziehung; Vollendung des 47. Lebensjahres; Erwerbsminderung

      Ein Anspruch auf die große Witwenrente besteht zudem nur, wenn neben den Anspruchsvoraussetzungen des Abs. 1 wenigstens eine der in S. 1 Nr. 1–3 normierten Voraussetzungen erfüllt ist. Für das Vorliegen der in § 46 II 1 Nr. 1 und 3 genannten Voraussetzungen gibt der Sachverhalt keine Hinweise. In Betracht kommt allein § 46 II 1 Nr. 2. Laut Sachverhalt ist A 63 Jahre alt und hat damit das 47. Lebensjahr vollendet. Diese Voraussetzung ist damit erfüllt.

      5. Antrag, § 115 SGB VI

      A müsste zudem einen Antrag auf Witwenrente gestellt haben. Gemäß § 115 SGB VI beginnt das Verfahren in der Gesetzlichen Rentenversicherung mit einem Antrag. Die Antragstellung kann hier unterstellt werden bzw. müsste ggf. noch erfolgen.

      [27]6. Zwischenergebnis zu I.

      Die Anspruchsvoraussetzungen des § 46 II SGB VI liegen vor.

      II. Ausschlussgrund: § 46 IIa SGB VI – Versorgungsehe

      Fraglich ist, ob der Bezug der großen Witwenrente nach § 46 II SGB VI ausgeschlossen ist. In Betracht käme hier der Ausschlussgrund nach § 46 IIa SGB VI. Danach haben Witwen oder Witwer keinen Anspruch auf Witwen- bzw. Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen

      1. Gesetzliche Vermutung

      Die Anknüpfung an die Ehedauer von weniger als einem Jahr enthält eine gesetzliche Vermutung, mit der unterstellt wird, dass beim Tod des Versicherten/der Versicherten innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung die Erlangung der Versorgung Ziel der Eheschließung war.4 Vorliegend haben A und B erst gut zwei Monate vor dem Tode Bs geheiratet (Eheschließung am 1.8., Tod des B am 8.10). Damit kann eine Versorgungsehe vermutet werden, da die Ehedauer weit unter einem Jahr liegt.

      Erläuterung: Das SGB VI kennt einige Gründe, die den Bezug der Rente ausschließen. Hierzu zählt die sog. Versorgungsehe nach § 46 IIa SGB VI, gleiches gilt nach Absatz 4 auch für die Begründung einer Lebenspartnerschaft aus Versorgungsgründen. Einen weiteren Ausschlussgrund stellt § 105 SGB VI – Tötung eines Angehörigen – dar.

      2. Widerlegung der gesetzlichen Vermutung

      Jedoch kann diese Vermutung der Versorgungsehe widerlegt werden. Hierfür müssten Umstände vorliegen, die trotz kurzer Ehedauer nicht auf eine Versorgungsehe schließen lassen.5

      Hierzu müssen die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat nicht nur für sich isoliert betrachtet werden, sondern vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen[28] Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in eine Gesamtwürdigung eingestellt werden und sind unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Falls zu bewerten. Hier sind also die Beweggründe von A und B für die Eheschließung zu ermitteln, die äußeren Umstände in Ansatz zu bringen und eine Gesamtwürdigung durchzuführen, damit die Vermutung, dass eine Versorgungsehe vorliegt, widerlegt werden kann.

      Bei Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten wird in der Regel der Ausnahmetatbestand des § 46 IIa, 2. Hs. SGB VI nicht erfüllt sein. Es darf jedoch nicht von vornherein der Nachweis ausgeschlossen werden, dass dessen ungeachtet (überwiegend oder zumindest gleichwertig) aus anderen als Versorgungsgesichtspunkten geheiratet wurde.6 Bei der abschließenden Gesamtbewertung darf wiederum gefordert werden, dass diejenigen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sind, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen ist.7 B ist bereits im Jahre 2013 an Krebs erkrankt und hat zahlreiche Operationen und Chemotherapien erleiden müssen. Dies spricht für eine jahrelange, schwerwiegende Krankheitsgeschichte, damit um eine offenkundige und lebensbedrohliche Erkrankung.

      Hier müssten also gewichtige Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, vorgebracht werden. Besondere Umstände in diesem Sinne, sind alle Umstände des Einzelfalles, die nicht schon von der Vermutung selbst erfasst sind und geeignet sind, einen Schluss auf den Zweck der Heirat zuzulassen.8 Dabei sind vor allem solche Umstände von Bedeutung, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund schließen lassen.9 Es kommt auf die – ggf. auch voneinander abweichenden – Beweggründe beider Ehepartner im konkreten Einzelfall an.10

      A und B lebten seit über 30 Jahren in einer eheähnlichen