Sabahat Gürbüz

Verfassungs- und Verwaltungsrecht für die Soziale Arbeit


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und sogar beanspruchen. Die Hilfe wird von der Solidargemeinschaft der BürgerInnen getragen. Es entsteht ein soziales System, dessen Umsetzung wiederum dem Staat obliegt.

      Die Regeln hierfür stellt der Gesetzgeber auf. Sie haben – anders als Moral und Sitte – einen allgemeinen Geltungsanspruch. Das System von Regeln ist das Recht und seine Anwendung erfolgt durch die Verwaltung. Die Entscheidungen des Gesetzgebers und der Verwaltung sind durch Gerichte überprüfbar.

      SozialarbeiterInnen werden in der Beratung und/oder Verwaltung tätig und wenden die Rechtsregeln somit an.

      Das Recht ist also die Grundlage der Gemeinschaft. Die wesentlichen Grundentscheidungen sind in der Verfassung verankert. Die Anwendung der Normen durch den Staat regelt das Verwaltungsrecht. Die Erfüllung der Herausforderung, Mitgliedern unserer Gesellschaft zu helfen und sie zu beraten, erfordert zwingend, die Grundprinzipien der Gemeinschaft und der Gesellschaft, also das System von Regeln, zu kennen und es richtig anzuwenden. Damit rückt Recht stärker in den Fokus der Ausbildung. Seine Kenntnis in der Praxis gehört zu den grundlegenden Beratungskompetenzen aller SozialarbeiterInnen.

      SozialarbeiterInnen handeln rechtmäßig. Sie wenden das in den Gesetzen geregelte Recht an, um die Soziale Arbeit zu leisten. Das Recht bestimmt den Handlungsrahmen. Es gewährt Freiraum für Entscheidungen, setzt aber auch Grenzen oder schreibt ein bestimmtes Verhalten vor und begründet Ansprüche der Betroffenen gegen den Staat.

      2 Gesellschaftliche Grundprinzipien nach dem deutschen Rechtssystem (Staatsprinzipien)

      Die Grundlagen des Zusammenlebens sind in der Verfassung eines Staates geregelt. Die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland heißt Grundgesetz (GG).

      Grundgesetz

      Das Grundgesetz verankert Grundrechte der Bürger (z. B. Meinungsfreiheit), legt Staatsprinzipien fest (z. B. Demokratie), beschreibt die Staatsgewalten und ihr Verhältnis zueinander (Gesetzgebung, Verwaltung, Rechtsprechung), regelt Bestellung, Aufgabe und Funktionsweise wichtiger Staatsorgane, einschließlich der Teilhabe der Bürger (z. B. Bundestag, Bundesregierung, Bundespräsident) und beschreibt das Verhältnis zwischen dem Bund und den Ländern. Die Ausgestaltung und Konkretisierung des Verfassungsrechts erfolgen u. a. durch Gesetze, Verordnungen und weitere abstrakt-generelle Regelungen. Diese und ihre Anwendung müssen daher mit der Verfassung vereinbar sein. Die wesentlichen Strukturmerkmale der Bundesrepublik Deutschland und die grundlegenden politischen Wertentscheidungen des Zusammenlebens in Deutschland finden ihren Ausdruck in bestimmten Staatsprinzipien (Katz 2010).

      Staatsprinzipien

      Die wesentlichen Staatsprinzipien sind in Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verankert:

      Art. 20 Abs. 1 GG

      „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.“

      Die Struktur der Länder muss dieser Vorgabe entsprechen (Art. 28 GG). Daraus ergeben sich die nachfolgend beschriebenen Einzelmerkmale oder eben Staatsprinzipien.

      Der Begriff Bundesrepublik beschreibt einen föderalen Staat, der aus einem Gesamtstaat (Bund) und 16 Gliedstaaten (Länder) besteht (Schmidt 2015a).

      Bund und Länder

      Das Wesensmerkmal der bundesstaatlichen Ordnung liegt darin, dass sowohl der Bund als auch die Länder eigene Staatsgewalten für ihren Zuständigkeitsbereich besitzen und damit u. a. Gesetze erlassen können (Katz 2010; Ipsen 2014a). Man spricht dann von Bundes- beziehungsweise Landesrecht. Die Ausübung staatlicher Befugnisse und die Erfüllung staatlicher Aufgaben sind grundsätzlich Sache der Länder (Art. 30 GG). Auch das Recht der Gesetzgebung haben grundsätzlich die Länder (Art. 70 GG) (Ipsen 2014a). Ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeiten des Bundes, die notwendigerweise einheitlich zu regeln sind, sind z. B. die Staatsangehörigkeitsrecht, das Waffen- und Sprengstoffrecht oder die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken (Art. 73 GG).

      2.1.1 Selbstverwaltungsgarantie der Länder

      Länderhoheiten

      Die Absicherung dieser starken Stellung der Länder erfolgt durch die Garantie bestimmter Hoheiten:

      Gebietshoheit: Die Befugnis, Anordnungen gegenüber allen in einem Gebiet befindlichen Personen und Sachen zu treffen.

      Organisationshoheit: Die Befugnis eines Verwaltungsträgers zur Bildung, Einrichtung und Aufhebung von Organen, zur Festlegung ihrer inneren Ordnung sowie ihrer personellen und sachlichen Ausstattung.

      Personalhoheit: Das Recht auf freie Auswahl, Anstellung, Beförderung und Entlassung von Mitarbeitern, allerdings durch arbeits- und beamtenrechtliche Gesetze eingeschränkt (Badura 2015).

      Finanzhoheit: Die Kompetenz zur Gestaltung der eigenen Finanzwirtschaft (z. B. Steuern).

      Planungshoheit: Das Recht gemäß Art. 28 Abs. 2 GG, in eigener Verantwortung die städtebauliche Entwicklung durch Bauleitpläne (Flächennutzungspläne, Bebauungspläne) zu ordnen.

      Rechtsetzungshoheit im eigenen Wirkungskreis: Das Recht zur Regelung aller örtlichen Angelegenheiten, die nicht kraft Gesetzes anderen Trägern öffentlicher Verwaltung übertragen sind.

      Rechte der Gemeinden

      Zur Verwirklichung der Selbstverwaltung haben die Gemeinden das Recht, Satzungen (= eigene Rechtsnormen) zur Regelung ihrer Angelegenheiten zu erlassen. Die gemeindliche Selbstverwaltung wird daneben durch folgende Rechte gewährleistet:

      

das Recht der Gemeinden, einen Anteil am Steueraufkommen zu erhalten (Art. 106 Abs. 58 GG),

      

das Recht der Gemeinden zur Einrichtung einer Volksvertretung (Art. 28 Abs. 1 GG) und

      

das Recht der Gemeinden zur Erhebung einer Kommunalverfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG).

      Gemeinden nehmen eigene Aufgaben wahr, aber auch solche, die eigentlich dem Bund oder Land zugewiesen sind. Eine Konsequenz der Selbstständigkeit der Länder ist es, dass es in den Bundesländern unterschiedliche Organisationsstrukturen bei der Aufgabenwahrnehmung gibt, denen verschiedene Aufgabentypen entsprechen (Badura 2015). Im Ergebnis muss daher bei inhaltlich identischer Aufgabenstellung in jedem Bundesland zunächst geprüft werden, ob und welche Besonderheiten bei der Aufgabenerfüllung gelten. Dies macht es für den Anwender erforderlich, sich mit den Regelungen des jeweiligen Landes vertraut zu machen und nicht voreilig von der Rechtslage des einen Bundeslandes auf die eines anderen zu schließen. Grundsätzlich kann dabei danach unterschieden werden, ob es sich um eine Selbstverwaltungsaufgabe oder um eine Auftragsangelegenheit bzw. Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung handelt.

      Selbstverwaltung der Aufgaben

      Bei der Selbstverwaltungsaufgabe nimmt die Kommune eine eigene Aufgabe