Dagmar Fenner

Selbstoptimierung und Enhancement


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oder subjektiven Geschmacksfrage erklären, sondern allgemeine und in diesem Sinn „objektive“ Bewertungskriterien entwickeln und begründen. Es ist ohnehin ein weit verbreiteter Irrtum, Menschen hätten von Geburt an eine rationale und untrügliche Vorstellung vom Glück oder guten Leben (vgl. dazu Hampe, 56). Zu undifferenziert ist daher die These des radikalenBioliberalismusradikaler, einfacher/reflektierter, aufgeklärter oder einfachen Subjektivismus des Glücks oder guten Lebens, Glück sei für jeden Menschen vor dem Hintergrund seiner persönlichen biographischen Erfahrungen, Wertvorstellungen und Wünsche etwas ganz anderes und es ließen sich daher keine allgemeinen Aussagen machen. Objektivistische Positionen wenden berechtigterweise gegen subjektivistische ein, dass subjektive Wünsche das Resultat von Irrtümern sein können und dass ihre GlückillusionäresAusbildung sowohl durch menschliche Grundbedürfnisse und -fähigkeiten als auch durch gesellschaftliche Ideale und Wertstandards beeinflusst werden (vgl. SteinfathSteinfath, Holmer 2011, 301). Konzeptuell überzeugen kann daher nur ein aufgeklärter oder reflektierter Subjektivismus mit der Forderung an den Einzelnen, die Interpretation seiner Lebenssituation, seine Wünsche und sein Lebenskonzept bezüglich allgemeiner Gesichtspunkte zu reflektieren und zu hinterfragen sowie der rationalen Kritik durch andere zu öffnen. Da sich der Einzelne grundlegend über seine Lebenssituation täuschen kann, müsste zumindest die Realitätsforderung einer Übereinstimmung des positiven subjektiven Glückszustandes mit einem objektiv günstigen Lebensverlauf erfüllt sein. Abzulehnen ist neben einem von BioliberalenBioliberalismusradikaler, einfacher/reflektierter, aufgeklärter gern vertretenen radikalen Subjektivismus genauso aber auch der unter Biokonservativen Biokonservatismusabsoluter, radikaler/diskursiver, kriteriologischerbeliebte radikale oder absolute ObjektivismusGlückstheoriensubjektivistische/objektivistische, demzufolge es nur genau eine richtige, durch die „Natur“ des Menschen, durch Gott oder tradierte Vorstellungen vom guten Leben festgelegte menschliche Lebensform gibt. Vertretbar ist wiederum nur die gemäßigte Variante eines kriteriologischen Objektivismus mit diskursiv-rational begründeten allgemeinen Kriterien oder normativen Standards, die eine zentrale Rolle bei der Gestaltung und Beurteilung des eigenen Lebens und zur Aufrechterhaltung der glückskonstitutiven sozialen Anerkennungsverhältnisse spielen.

      Statt die vorhandenen philosophischen Theorien des GlücksGlück und guten Lebens einfach als gleichberechtigt nebeneinander stehen zu lassen und damit einen individualethischen Relativismus zu befördern, lassen sich die vorzugswürdigen Merkmale der drei Theorien in einer „HybridtheorieGlückstheorienHybridtheorie“ oder „Hybridkonzeption“ kombinieren (vgl. dazu Weber, 272/BayertzBayertz, Kurt u.a. 18): Dem HedonismusHedonismus ist sicherlich insofern Recht zu geben, als ein Leben ohne subjektiv empfundene Lust oder Freude weder ein glückliches noch auch ein gutes sein kann. Ein passives Erleben noch so intensiver und lückenloser Glücksmomente allein ist jedoch kaum ausreichend für menschliches Glück, weil Menschen in aller Regel noch viele andere Ziele außer Lustempfindungen verfolgen und ihr Leben aktiv führen und gestalten wollen (vgl. BayertzBayertz, Kurt u.a., 14). Anders als der theoretisch unhaltbare unreflektierte und rein quantitative sensorische Hedonismus definieren neuere Versionen im Sinne eines aufgeklärten oder reflektierten Subjektivismus objektive Kriterien für die Beziehung zwischen Selbst und Welt. Außerdem kann ein Leben nur dann als sinnvolles Ganzes beurteilt und bejaht werden, wenn in ihm sukzessive eine planvolle Ordnung wichtiger Wünsche oder Ziele verwirklicht wird und dieser Prozess als erfüllend erlebt werden kann. Kern einer kombinierten Theorie müsste daher eine reflektierte und aufgeklärte Wunsch- oder ZieltheorieGlückstheorienWunsch-/Ziel-Theorie bilden, derzufolge nur bestimmte nach objektiven Kriterien geprüfte Wünsche zu einem guten und glücklichen Leben beitragen können (vgl. GriffinGriffin, James, 34). Darüber hinaus führen Wunschtheoretiker auch zentrale Inhalte oder Dimensionen des Glücks wie etwa Arbeit, Interaktion, Spiel und Betrachtung an, die im Leben aller Menschen wichtig sind (vgl. SeelSeel, Martin 1995, 138–170)GlückstheorienWunsch-/Ziel-Theorie. Solche grundlegenden menschlichen Güter stellen auch Gütertheorien oder Objektive-Liste-TheorienGlückstheorienGütertheorie/Objektive-Liste-Theorie zusammen, die allerdings im Rahmen eines radikalen und absoluten Objektivismus Tendenzen zum Paternalismus und Totalitarismus aufweisen können. Wenn das persönliche „gute Leben“ und „Wohlergehen“ nur noch von außen festgestellt wird und nicht vom betroffenen Subjekt auch gespürt wird, entfernt man sich zudem allzu weit vom allgemeinen neuzeitlichen Sprachgebrauch von „GlückGlück“. Gemäßigte Gütertheorien nähern sich jedoch einem kriteriologischenBiokonservatismusabsoluter, radikaler/diskursiver, kriteriologischer Objektivismus an, weil die Güter diskursiv-rekonstruktiv begründet werden und die große Rolle der praktische Vernunft und der Fähigkeit zur selbstbestimmten Lebensplanung nach eigenen Wunschvorstellungen betont werden (vgl. NussbaumNussbaum, Martha, 214/FootFoot, Philippa, Kap. 4). Ihre Listen sind zudem so allgemein gehalten, dass sie sich als Orientierungsrahmen für eine Zieltheorie eignen. Ein gutes und glückliches menschliches Leben wäre nach einer kombinierten oder HybridtheorieGlückstheorienHybridtheorie ein gelingendes Welt-Selbst-VerhältnisGlückWelt-Selbst-Verhältnis, bei dem die betreffende Person die ihr wesentlich erscheinenden Ziele und Güter auf emotional erfüllende Weise realisiert und sich dabei nicht über relevante deskriptive Tasachen und normative Standards täuscht (vgl. SteinfathSteinfath, Holmer 2013, 177).

      2.1.3 Empirische Untersuchungen zum Glück

      Nachdem die Philosophen trotz zweieinhalbtausendjähriger Bemühungen keine einheitliche Antwort auf die Frage nach dem Glück fanden, versprechen heute Naturwissenschaftler eine klare Antwort in Form einer belastbaren Wissenschaft vom Glück (vgl. dazu BayertzBayertz, Kurt 2013, 38). In der empirischen Glücksforschung mit Schwerpunkt in der Psychologie und den Wirtschaftswissenschaften wird zwar auf eine Glücksdefinition verzichtet und von einem radikal subjektivistischen Glücksverständnis ausgegangen. Sie versucht aber allgemeine glücksförderliche Faktoren zu ermitteln, indem in repräsentativen Umfragen nach Korrelationen, d.h. Wechselwirkungen zwischen dem selbstgeschätzten Grad an Glück und anderen Faktoren wie Alter, Zivilstand oder sozioökonomischem Status gesucht wird (vgl. ebd., 43/Frey u.a., 29; 43): Bezüglich des Zusammenhangs von Glück und Geld haben viele Studien das sogenannte Easterlin-Paradox nachgewiesen, demzufolge steigende Einkommen in einer Gesellschaft ab einem bestimmten für die Stillung der Grundbedürfnisse ausreichenden Einkommensniveau weder durchschnittlich noch für die reichgewordenen Mitglieder zu mehr Glück und Zufriedenheit führen (vgl. Weimann u.a., 22ff.; 114f./Binswanger, 42ff./Frey u.a., 54ff.). Auch wenn die wohlhabenderen Menschen in einer Gesellschaft aufgrund eines Vergleichs mit den anderen durchschnittlich eine höhere Lebenszufriedenheit angeben als die ärmeren, schwächt sich die Zunahme nach oben hin ab, und nach einer Schweizer Studie kommt es sogar ab einem Einkommen von 10.000 Franken zu einer leichten Abnahme (vgl. Frey u.a., 50f.). Bezüglich der Korrelation von Glück und Arbeit sind der Verlust des Arbeitsplatzes und die Arbeitslosigkeit die am besten nachgewiesenen Unglücksfaktoren im Leben eines Menschen, und das Glück bei der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit hängt maßgeblich von der Bezahlung, dem Grad an Selbständigkeit und Selbstbestimmung sowie an intrinsischer Motivation und Wertschätzung der Leistung ab (vgl. Popp u.a., 193f./Binswanger, 45f./Frey, 95f.). Demgegenüber wird die Gesundheit irrtümlicherweise von sehr vielen Menschen als am meisten glücksrelevant eingestuft, obgleich der Zusammenhang zwischen GlückGlück und objektivem Gesundheitszustand gering ist und kranke und verunfallte Menschen wegen des Vergleichs mit noch kränkeren relativ gut mit ihrer Gesundheitssituation zurechtkommen (vgl. Frey u.a., 15). Grundsätzlich gilt allerdings zu beachten, dass die Korrelation bestimmter Variablen strenggenommen noch nichts über die Kausalbeziehung z.B. zwischen Glück und Ehe aussagt: Eine Heirat muss nicht Glück zur Folge haben, sondern glückliche Menschen könnten auch einfach leichter einen Partner finden (vgl. ebd., 19). Zudem besteht zwischen den ermittelten Glücksfaktoren und dem Glück der Einzelnen keine logische und notwendige Beziehung, sodass sich beim Vorliegen bestimmter Quellen menschlichen Glücks nur mit gewisser Wahrscheinlichkeit tatsächlich ein persönliches Glück einstellt (vgl. BirnbacherBirnbacher, Dieter 2005, 8).

      2.2 Gerechtigkeit als sozialethischer Maßstab

      Während