Marta Fata

Mobilität und Migration in der Frühen Neuzeit


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zu einer kulturell pluralen Gesellschaftsordnung bei. Die Arbeiten von Glazer und Moynihan stellen einen Wendepunkt in der Forschung dar, weil sie das bis dahin vorherrschende Konzept des kulturellen Schmelztiegels widerlegten und anstelle der Assimilationstheorie eine nicht mehr unidirektionale und an die nationalstaatlichen Grenzen gebundene Theorie des Pluralismus in der Integrationsforschung einführten.

      Andere Ansätze in der Forschung heben dagegen hervor, dass Migration eine existenzielle Erfahrung der Diversität, der Differenz oder der alltäglichen Konfrontation mit dem Anderen bedeutet. Untersucht wird deshalb die Frage, wie Gesellschaften mit der wachsenden kulturellen und religiösen Vielfalt umgehen, die durch die Einwanderungen entsteht. Da die Zuwanderung von Fremden auch für die Sesshaften eine ungeahnte kulturelle Herausforderung darstellt, stellen sich zudem die Fragen nach den sich verändernden Einstellungen der Mehrheitsbevölkerung zu Immigration bzw. nach den Kompetenzen und dem Mehrwert des Immigranten für die Zuwanderungsgesellschaft.

      Infolge der globalen Zunahme von Wanderungsbewegungen und des gleichzeitigen Wunsches, Migration zu steuern und zu lenken, wurden in der Politikwissenschaft Theorien zu Governance und Management von Migrationen entwickelt. Ansätze dieser Theorien wurden auch von der Historischen Migrationsforschung aufgegriffen und weiterentwickelt, indem Migranten nicht ausschließlich als Objekte betrachtet werden, sondern auch als handelnde Subjekte. Im Fokus des Forschungsansatzes „Migrationsregime“ stehen Fragen nach den staatlichen Praktiken, Organisationen und Institutionen einerseits und den Handlungsmöglichkeiten der Migranten andererseits. Damit versucht das Konzept des Migrationsregimes – anders als alle anderen Konzepte –, einen komplexen Zugriff auf sämtliche Teilaspekte des Migrationsprozesses zu gewinnen.

      Nach dieser kursorischen Darstellung der wichtigsten theoretischen Ansätze zur Erklärung von Migrationen kann zusammenfassend festgehalten werden, dass sie stets aus den aktuellen Herausforderungen ihrer Zeit entstehen und somit immer im zeitlichen Kontext ihrer Entstehung zu beurteilen sind. Ihre Übertragbarkeit auf aktuelle oder historische Migrationen ist deshalb auch nicht immer möglich, doch ihre zentralen Aussagen behalten meist ihre Gültigkeit.

      1.3 Von der Wanderungs- zur Historischen Migrationsforschung in Deutschland

      Die Historische Migrationsforschung als Teilbereich der Geschichtswissenschaft etablierte sich in Deutschland erst seit den 1980er-Jahren, obwohl die Wanderungsforschung auch in Deutschland bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert einen ersten Höhepunkt erlebte. Das Augenmerk richtete sich damals infolge der Hochindustrialisierung und Urbanisierung zunächst auf die Massenauswanderung in die USA, dann auf die Land-Stadt-Migration sowie die Einwanderung von Arbeitskräften. In der Zwischenkriegszeit wurden die Diskussionen über die Wanderungsbewegungen stark unter deutschnationalen und völkischen Gesichtspunkten geführt; in den Fokus gerieten dabei immer mehr auch Fragen der „Ostkolonisation“ und die deutschen Migranten als „Kulturpioniere“ im östlichen Europa. Es verfestigten sich, gewissermaßen als Meistererzählungen, gleichzeitig zwei Erklärungen für die Auswanderungsbewegungen, die sich bis in die 1980er-Jahre hielten. Nach der einen Erklärung war Migration das Ergebnis der unverhältnismäßigen Entwicklung zwischen Bevölkerungszahl und dem zur Verfügung stehenden Nahrungsspielraum. Um den so auf der Gesellschaft lastenden Bevölkerungsdruck zu minimieren, wurde die Auswanderung als notwendiges Ventil zur Vorbeugung einer gesellschaftlichen Destabilisierung interpretiert. Die zweite Erklärung meinte, die Ursache für die Massenauswanderung in der latenten Wanderungsbereitschaft der Deutschen finden zu können. Verwurzelt war die eine Erklärung in den kameralistischen Vorstellungen des 18. Jahrhunderts, während die andere die frühen Ansätze einer Völkercharakter-Forschung aus dem 18. und frühen 19. Jahrhundert weiterführte.

      Nach dem Zweiten Weltkrieg