des Erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes (Kap. 5) oder teilweise der Familienförderung (Kap. 4), wie früher auch im Bereich der Tageseinrichtungen, stagnier(t)en demgegenüber die Angebote, sind prozentual – bezogen auf die Gesamtausgaben der Kinder- und Jugendhilfe – sogar rückläufig oder jedenfallsnicht ausreichend. Deshalb zum Ganzen die folgende Übersicht 15:
Übersicht 15
Objektive Rechtsverpflichtungen und subjektive Rechtsansprüche nach dem SGB VIII
1. Es gibt einerseits objektive Rechtsverpflichtungen der Träger der öffentlichen Jugendhilfe („Perspektive des Staates“) in Form von
1.1 Mussbestimmungen („muss“, „hat“, „ist“, „sind“), z. B. § 11 Abs. 1,
1.2 Sollbestimmungen („soll“ = in der Regel „muss“), z. B. § 13 Abs. 1,
1.3 Kannbestimmungen („kann“, „können“), z. B. § 13 Abs. 3.
2. Es gibt andererseits subjektive, einklagbare Rechtsansprüche von jungen Menschen/Personensorgeberechtigten („Perspektive des Bürgers“), die mit objektiven Rechtsverpflichtungen korrespondieren können, aber nicht korrespondieren müssen, ggf. in Form von
2.1 unbedingten Rechtsansprüchen, z. B. § 24 Abs. 2 Satz 1,
2.2 Regel-Rechtsansprüchen, z. B. § 41 Abs. 1,
2.3 Rechtsansprüchen auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, z. B. § 75 Abs. 1.
Mit Rechtsansprüchen korrespondieren immer objektive Rechtsverpflichtungen des jeweiligen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe. Andererseits beinhalten objektive Rechtsverpflichtungen keinesfalls immer Rechtsansprüche. In Übersicht 16 wird erläutert (ausführlicher Wabnitz 2005, 119 ff., sowie Wabnitz in GK-SGB VIII, § 2, Rz. 19 f.; vgl. auch Luthe in jurisPK-SGB VIII 2014, § 2, Rz. 23 ff.), in welcher Form Rechtsansprüche bestehen können, nämlich:
■ entweder als explizite Rechtsansprüche, wenn im Gesetzestext das „Zauberwort: Anspruch“ steht,
■ oder als Rechtsansprüche aufgrund einer Interpretation einer rein objektiv-rechtlich formulierten Norm des SGB VIII, sofern diese insoweit nicht eindeutig ist.
Übersicht 16
Rechtsansprüche nach dem SGB VIII ergeben sich:
1. entweder explizit aus dem Text der jeweiligen Norm des SGB VIII („hat/haben Anspruch“)
2. oder ggf. aufgrund einer Interpretation (Auslegung) der jeweiligen Norm, sofern der Gesetzgeber nicht klar entschieden hat, wo Ansprüche bestehen und wo nicht! (wie z.B. in §24), und sofern die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
2.1 Die jeweilige Norm muss eine objektive Rechtsverpflichtung eines Trägers der öffentlichen Jugendhilfe enthalten. (Dies ist bei über 200 Vorschriften des SGB VIII der Fall, nicht zum Beispiel jedoch bei reinen Definitionen wie in den §§ 2 oder 7).
2.2 Der Tatbestand dieser Norm muss hinreichend präzise bestimmt sein (wie z. B. bei § 20 oder § 42 Abs. 1 Satz 1, nicht jedoch bei § 11 Abs. 1 oder § 16 Abs. 1 und 3).
2.3 Die Norm soll nicht nur öffentlichen Interessen, sondern zumindest auch den Interessen von jungen Menschen und/oder Personensorgeberechtigten zu dienen bestimmt sein. (Dies dürfte zumeist der Fall sein, nicht jedoch etwa bei den §§ 79 oder 80).
2.4 Die Normadressaten müssen schließlich individualisierbar oder zumindest als „kleine Gruppe abgrenzbar“ sein (z. B. bei § 41). Die jeweilige Norm darf sich also z. B. nicht (nur) an „alle jungen Menschen“ richten (wie in § 11 Abs. 1).
Bei der Auslegung der jeweiligen – sofern nicht eindeutigen – Rechtsnormen des SGB VIII (siehe Übersicht 16) sind u. a. zugrunde zu legen bzw. zu berücksichtigen: die in der Rechtswissenschaft üblichen Auslegungsmethoden (nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Ziel/Zweck oder Systematik der Norm) sowie die Grundrechte und Wertentscheidungen des Grundgesetzes.
3.3 Fachaufsicht und Rechtsaufsicht
Die (kommunalen) Träger der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe unterliegen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach dem SGB VIII einer Rechtsaufsicht, jedoch keiner Fachaufsicht (siehe dazu Übersicht 17 sowie Wabnitz in GK-SGB VIII, § 69, Rz. 32 ff.; Wiesner 2015, Vor §§ 11 ff., Rz. 25 f.; § 82, Rz. 2a)
Übersicht 17
Fachaufsicht und Rechtsaufsicht
1. Fachaufsicht bedeutet: sachlich-inhaltliche Kontrolle (auch unter reinen Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten) des Verwaltungshandelns einer Behörde durch Verwaltungsvorschriften oder Einzelweisungen einer höheren Behörde, typischerweise im Bereich der Landesverwaltung mit mehrstufigem Behördenaufbau, z.B. Polizei- oder Schulverwaltung.
2. Rechtsaufsicht bedeutet: Kontrolle des Verwaltungshandelns einer Behörde allein unter rechtlichen Gesichtspunkten, zumeist durch die so genannte Rechtsaufsichts- oder Kommunalaufsichtsbehörde.
Da die kommunalen Träger der öffentlichen Jugendhilfe bzw. die JÄer das SGB VIII als Selbstverwaltungsangelegenheit (dazu Wabnitz 2018a, Kap. 9.3) ausführen, unterstehen sie insoweit keiner höheren Behörde (des Landes) und unterliegen deshalb keiner Fachaufsicht, insbesondere auch nicht einer Aufsicht durch das LJA!
Sie unterliegen als Träger „mittelbarer Staatsverwaltung“ aber einer Rechtsaufsicht durch den Staat, d. h. durch die Kommunalaufsichtsbehörden (in der Regel sind dies die Regierungspräsidien). Diese könnendas Verwaltungshandeln der JÄer bei der Ausführung des SGB VIII kontrollieren, allerdings nur mit Blick darauf, ob diese gegen gesetzliche Regelungen des SGB VIII verstoßen oder dieses nicht angewendet haben (siehe dazu Fall 3).
3.4 Dreiecksverhältnis
Im Verhältnis zwischen jungen Menschen und Personensorgeberechtigten, den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe und den Trägern der freien Jugendhilfe besteht häufig das so genannte sozial- oder jugendhilferechtliche „Dreiecksverhältnis“. Dabei bestehen drei unterschiedliche, sorgfältig voneinander zu unterscheidende Rechtsbeziehungen (siehe auch Abbildung 1 sowie im Einzelnen: Münder et al. 2013, VorKap. 5, Rz. 6 ff.; Wabnitz in GK-SGB VIII, § 2, Rz. 39 f.), nämlich:
■ eine solche nach dem öffentlichen Recht zwischen dem jungen Menschen/Personensorgeberechtigten und dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe,
■ eine weitere nach dem öffentlichen Recht zwischen dem Träger der öffentlichen und dem Träger der freien Jugendhilfe
■ sowie schließlich eine zivilrechtliche Rechtsbeziehung (zumeist in Form eines zivilrechtlichen Vertrages) zwischen dem jungen Menschen/Personensorgeberechtigten und dem Träger der freien Jugendhilfe.
Abb. 1: Das sozial- oder jugendhilferechtliche Dreiecksverhältnis
Literatur
Wabnitz, R. J. (2005): Rechtsansprüche gegenüber Trägern der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII)
Wabnitz, R. J. (2013b): (Gesetzliche) Inklusionsbarrieren – was behindert in Inklusion?
Wabnitz, R. J. (2015a): 25 Jahre SGB VIII. Die Geschichte des Achten Buches Sozialgesetzbuch von 1990 bis 2015, Drittes Kapitel
Fall 3: Das untätige Jugendamt
Im Bereich des JA der Stadt X wird überhaupt keine öffentlich geförderte Jugendarbeit mehr durchgeführt, weil sich Jugendarbeit nach Auffassung des JA und des Sozialdezernenten nicht bewährt habe, „nichts bringe“ oder sie „kriminelle Verhaltensweisen“ von Jugendlichen fördere. Die beiden 17-jährigen A und B sind empört und