ausgehalten werden kann. So gewinnen die Kinder langfristig Kontrolle über die eigenen Erinnerungen und sind diesen nicht länger ausgeliefert. Im Schreibprozess wird das Kind auch nach der Beschreibung des „schlimmsten Moments“ gefragt. Mit dieser Beschreibung sollen kognitive Verzerrungen und Fehldeutungen des traumatischen Ereignisses aufgezeigt und korrigiert werden. Es werden aber auch positive Veränderungen bzw. Neubewertungen des Traumas festgehalten.
Das Schreiben dieser Erzählung kann somit als ein Prozess gesehen werden, der sich über mehrere Sitzungen hinweg entwickelt und in dem durch das wiederholte Schreiben, (Vor-)Lesen und Ergänzen des Textes die emotionale und kognitive Bewältigung des Traumas gefördert wird.
Mit dem Einverständnis des Kindes wird das Narrativ vom Therapeuten/von der Therapeutin fortlaufend mit den Bezugspersonen besprochen.
In der darauffolgenden Phase, der In-vivo-Bewältigung, kann das noch bestehende Vermeidungsverhalten (z. B. Vermeidung bestimmter Orte oder Tätigkeiten) abgebaut werden.
Danach folgen die Eltern-Kind-Sitzungen, in denen die Kinder die Möglichkeit bekommen, über das traumatische Erlebnis zu berichten, wozu auch das in der Einzelsitzung erarbeitete Narrativ genutzt werden kann. Diese Sitzungen sind nicht nur für das Kind, sondern auch für die Bezugspersonen wichtig, da diese anhand der Informationen eine Verknüpfung zwischen der Traumatisierung und den Problemen des Kindes herstellen können sowie auch lernen, das Kind bei der Traumabewältigung zu unterstützen.
Am Ende der Therapie wird mit dem Kind und der Bezugsperson ein Sicherheitsplan erstellt. Dabei werden Sicherheitsstrategien (z. B. kognitive Techniken, Selbstbehauptungsstrategien, Mobilisierung von sozialer Unterstützung) zur selbstverantwortlichen Lebensgestaltung erarbeitet. Wichtig ist es, einer erneuten Traumatisierung vorzubeugen. Kinder und Jugendliche üben in dieser Phase, gefährliche Situationen zu erkennen und auch, wie sie sich bei Bedrohungen verhalten können.
4.7.2 Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR)
Eye Movement Desensitization and Reprocessing wurde Ende der 1980er-Jahre von Francine Shapiro (1989) in den USA zur Behandlung von Traumafolgestörungen entwickelt. Frei übersetzt bedeutet EMDR Desensibilisierung und Verarbeitung durch Augenbewegung. Der Ausgangspunkt dieser Therapie basiert auf der Beobachtung, dass sakkadische Augenbewegungen eine Entlastung von negativen Gefühlen bewirken können.
Traumatische Erlebnisse können durch Auslösereize (s. Trigger) auf allen Sinneskanälen reaktiviert werden. Wenn die Reaktionen auf diese Trigger unkontrolliert verlaufen, handelt es sich um Intrusion. Die EMDR-Methode hilft den Personen, sich von traumatischen Ereignissen zu distanzieren, und verhindert somit, dass die Erinnerungen an das Trauma unkontrolliert ablaufen, invasiv erlebt werden und Hilflosigkeit auslösen. Das Ziel ist es, dass sich die Personen an das Trauma erinnern und die mit dem Trauma verbundenen Gefühle kontrollieren bzw. eine neue, angemessene Sicht auf das Ereignis entwickeln.
Die Kernelemente der Therapie sind die Desensitization und das Reprocessing. Im Rahmen der Desensitization soll mittels der Augenbewegungen eine Angstreduktion bewirkt werden, im Reprocessing soll es zu einer Neubewertung des traumatischen Ereignisses kommen.
Das Standardprotokoll der EMDR-Methode setzt sich aus acht Stufen zusammen (Hensel & Meusers, 2005). In der ersten Phase erfolgen die Anamnese und die Behandlungsplanung. In der zweiten Phase werden die Betroffenen auf die Durchführung der Traumakonfrontation mit EMDR vorbereitet und es wird mit ihnen die imaginative Übung „sicherer Ort“ (Shapiro, 1995) durchgeführt. Die Phasen 3 bis 6 beinhalten die Kernelemente der EMDR-Methode. In der Phase 3 findet die prozessuale Aktivierung des Traumas statt. Dabei soll sich das Kind an den „schlimmsten Moment“ des traumatischen Ereignisses erinnern. Hierbei werden negative Kognitionen (z. B. „Ich bin hier nicht sicher“) identifiziert und es wird nach einer alternativen Kognition gesucht, die eine angemessene Sicht des Traumas beinhaltet (z. B. „Es ist vorbei“). Die betroffene Person soll in dieser Phase auch die, durch das Trauma ausgelösten Gefühle beschreiben und wie sich diese im Körper manifestiert haben. Die Desensibilisierung findet in Phase 4 statt. Die Person soll sich noch mal an den „schlimmsten Moment“ erinnern und gleichzeitig auf die bilateralen Stimulationen achten. Bilaterale Stimulationen sind meistens Augenbewegungen, so folgt die Person den Fingern des Therapeuten mit den Augen nach links und rechts. Diese Augenbewegungen können mit den Augenbewegungen im REM-Schlaf verglichen werden. Alternativ zu den Handbewegungen können taktile oder akustische Signale angewendet werden, wie z. B. das abwechselnde Antippen des rechten und linken Handrückens. Nach einer gewissen Zahl an Stimulierungen stoppt der Therapeut, und die Person berichtet über die Veränderungen (z. B. Gefühle, Gedanken, Körperempfindungen). Die Stimulierungsserie wird so lange fortgesetzt, bis die Belastung des Traumas ersichtlich gesunken ist. In der Phase 5 findet die Neubewertung des Traumas mittels der erlernten Alternativgedanken (Phase 3) statt. Diese Neubewertung wird in der folgenden Phase 6 durch die Körperempfindung überprüft. Die Person „sucht“ ihren Körper nach eventuell noch vorhandenen körperbasierten Traumaderivaten ab. Die letzten beiden Phasen (7 und 8) beziehen sich auf die Evaluierung der EMDR-Methode und darauf, dass die Person die Behandlung psychisch stabil verlässt.
Die Wirksamkeit der EMDR-Methode bei Kindern und Jugendlichen wurde in kontrollierten Studien überprüft und nachgewiesen (Adler-Nevo & Manassis, 2005; Hensel, 2009). Eine Metaanalyse zeigte, dass die EMDR im Vergleich mit anderen PTBS-Behandlungsverfahren in spezifischen Symptombereichen (Vermeidung) effektiver ist. Weiters ist sie auch kürzer als die KVT (M = 4,6 Sitzungen vs. 14,8 Sitzungen) (Barth, Stoffers, & Bengel, 2003). Die Wirkmechanismen der EMDR-Methoden bleiben aber immer noch unklar, so könnte der Therapieerfolg durch die bilateralen Stimulationen, aber auch durch die Exposition bedingt sein (Rodenburg et al., 2009).
Zusammenfassung
Die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) kann infolge eines traumatischen Ereignisses (Traumas) auftreten. Als Traumata werden Ereignisse mit einer außergewöhnlichen Bedrohung oder einem katastrophalen Ausmaß bezeichnet, die nach der Häufigkeit (einmalig vs. mehrmalig) und der Verursachung (Menschen vs. Technik- und Naturkatastrophen) unterschieden werden können. Die Hauptmerkmale der PTBS sind das Wiedererleben des Traumas in Form von z. B. Erinnerungen oder Träumen, die als Intrusion plötzlich und unvermittelt auftreten und von den Kindern als sehr belastend erlebt werden.
Hinzu kommen die Vermeidung von Situationen, die die Erinnerung an das Trauma auslösen könnten, negative Kognitionen und erhöhte autonome Erregung.
Als Risikofaktoren für die Entwicklung einer PTBS können neben Merkmalen des Traumas auch niedriger sozioökonomischer Status, weibliches Geschlecht und geringeres Lebensalter zum Zeitpunkt des Traumas genannt werden.
Die PTBS-Symptomatik bei Kindern und Jugendlichen unterscheidet sich teilweise von derjenigen bei Erwachsenen (z. B. posttraumatisches Spiel). Die Prävalenz der PTBS liegt in Europa bei ca. 0,5–1 %. Komorbide Störungen der PTBS bei Kindern sind depressive Störungen, Störungen durch Substanzkonsum, oppositionelles Trotzverhalten und Trennungsangst. Die Tf-KVT und EMDR gelten als wirksame Verfahren in der Behandlung der PTBS bei Kindern und Jugendlichen.
Literatur
Adler-Nevo, G., & Manassis, K. (2005). Psychosocial treatment of pediatric posttraumatic stress disorder: The neglected field of single-incident trauma. Depression and Anxiety, 22(4), 177–189.
Alisic, E., Zalta, A. K., Van Wesel, F., Larsen, S. E., Hafstad, G. S., Hassanpour, K., & Smid, G. E. (2014). Rates of post-traumatic stress disorder in trauma-exposed children and adolescents: meta-analysis. The British Journal of Psychiatry, 204(5), 335–340.
Andrews, B., Brewin, C. R., Philpott, R., & Stewart, L. (2007). Delayed-onset posttraumatic stress disorder: A systematic review of the evidence. American Journal of Psychiatry, 164 (9), 1319–1326.
Attanayake, V., McKay, R., Joffres, M., Singh, S., Burkle Jr, F., & Mills, E. (2009). Prevalence of mental disorders among