auf die Entwicklung der Erdölvorräte erkennen (Deffeyes 2005). Obwohl erst im Zeitablauf immer wieder teilweise umfangreiche Erdölfunde wie z.B. in Kasachstan gemacht wurden, deutet der Verlauf der Förderkurven weltweit seit einigen Jahren darauf hin, dass das Maximum der globalen Erdölförderung in wenigen Jahren erreicht sein könnte oder schon erreicht ist. Dies hätte zur Folge, dass die Erdölfördermenge für einige weitere Jahre relativ konstant bliebe, dann aber rapide abnehmen würde. Bei weiterhin steigender weltweiter Nachfrage nach Erdöl, insbesondere bedingt durch dynamische Industrialisierungsprozesse in China und Indien, würde dies zu einem schnellen Anstieg der Erdölpreise führen. Da die geringen Erdölkosten eine wesentliche Voraussetzung für den Globalisierungsprozess in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bildeten, insofern als sie einen drastischen Rückgang der Transportkosten bewirkten und weltweite Güter- und Materialflüsse ermöglicht haben, würde ein Überschreiten des peak oil spürbare Konsequenzen für die räumliche Arbeitsteilung in der globalen Ökonomie haben (→ Kap. 4.5). Die direkte Folge wäre, dass Arbeitskosten aus komparativer Sicht in Relation zu den Transportkosten an Bedeutung verlieren würden, sodass Regionen und Länder mit derzeit hohen Arbeitskosten als Standorte für landwirtschaftliche und industrielle Produktion an Bedeutung gewinnen würden, falls sie eine substanzielle Nachfragekonzentration aufweisen. Die Kosten für weltweite Transporte von Materialien und Menschen würden dagegen schnell ansteigen. Unter der Voraussetzung, dass keine neuen Erdölfelder erschlossen werden (wodurch sich anderenfalls das peak-oil-Szenario einige Jahre nach hinten verschieben würde), wäre auch die Landwirtschaft von einem Anstieg der Erdölpreise betroffen. Moderne Landwirtschaft basiert auf einem hohen Energieeinsatz aufgrund der Bewirtschaftung von Nutzflächen mit modernen Maschinen, des Anbaus in Gewächshäusern und des weltweiten Transports von Nahrungsmitteln aller Art. Hohe Erdölpreise würden schnell zu einem Anstieg der Lebensmittelpreise führen. Tendenziell würden Lokalisierungsprozesse von Industrien in Regionen mit großen Bevölkerungsballungen und hohem Nachfragepotenzial stattfinden. Regionale und nationale Marktbezüge würden aufgrund der gestiegenen Transportkosten einen Bedeutungszuwachs erzielen. Globale Warenflüsse würden im Vergleich zu regionalen und nationalen Handelsverflechtungen an Bedeutung verlieren. Letztlich wäre eine Reorganisation globaler Warenketten und Produktionsnetzwerke die Folge (→ Kap. 11.3). In einem solchen Szenario wären voll entwickelte Industrieballungen mit gut ausgebauten Clusterdimensionen (→ Kap. 10) besonders handlungsfähig, weil sie zusätzliche Kostenvorteile erzielen könnten. Insbesondere wenn sie über einen substanziellen regionalen oder nationalen Markt verfügen, könnten sie ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern.
Aus Sicht der Wirtschaftsgeographie erhält die Standortwahl ökonomischer Akteure und die Standortverteilung ökonomischer Aktivitäten eine große Bedeutung. Um Wachstum zu steuern und damit Einfluss auf die räumliche Wohlstandsverteilung nehmen zu können, muss man zunächst einmal verstehen, nach welchen Prinzipien Betriebe und Unternehmen ihre Standorte wählen. Dies ist ein traditioneller Untersuchungsgegenstand der Wirtschaftsgeographie (Mikus 1978; Schätzl 1981; Wagner 1981; Brücher 1982; Berry et al. 1987; Voppel 1999). Raumwirtschaftliche Studien sind exemplarisch zu folgenden Erkenntnissen über die Standortwahl gelangt:
(1) Industrielle Standorte. Industriebetriebe wählen ihre Standorte je nach ihren Bedürfnissen mit unterschiedlicher Standortorientierung. Während Sägewerke und Stahlwerke ihre Standorte beispielsweise eher rohstoff- oder materialorientiert wählen, werden Standortentscheidungen von Aluminiumhütten in der Regel energieorientiert z. B. in der Nähe von Wasserkraftwerken getroffen. Demgegenüber sind Standorte von Textilfabriken stärker arbeitsorientiert und Standorte von Molkereien absatz- bzw. konsumorientiert. Allerdings zeigt die Diskussion über die soziale Konstruktion von Räumen, dass Industrien oftmals die Qualitäten ihrer Standortregionen selbst erst formen (→ Kap. 13.3).
(2) Landwirtschaftliche Standorte. Im Unterschied zu Industriebetrieben ist bei landwirtschaftlichen Betrieben der Produktionsort oftmals vorgegeben, während das Produktionsziel variabel und zu bestimmen ist. Es stellt sich die Frage, welche Landnutzung in Abhängigkeit von Klima, Bodenrelief, Verkehrslage und Nachfrage gewählt wird.
(3) Standorte von Dienstleistungsunternehmen. Dienstleistungsunternehmen produzieren immaterielle Güter zur Versorgung von Haushalten und Unternehmen. Ihre Standorte sind in Städten konzentriert. Höchstrangige Dienstleistungen finden sich oftmals sogar nur in den größten Metropolen eines Landes. Wichtige Aspekte, die die Standortwahl von Dienstleistungen beeinflussen, sind eine zentrale Lage, die Verkehrsanbindung, Fühlungs- und Nähevorteile sowie ein kreatives Umfeld.
Diese Ergebnisse raumwirtschaftlicher Forschung werden insbesondere in Kapitel 5 und Kapitel 6 an verschiedenen Stellen wieder aufgegriffen, hinterfragt und weiterentwickelt.
3.3.2Produktionsfaktor Arbeit
Der Produktionsfaktor Boden liefert Rohstoffe, die abgebaut, geerntet oder weiterverarbeitet werden müssen. Die Weiterverarbeitung erfordert den Einsatz des Produktionsfaktors Arbeit. Ähnlich wie beim Gesetz vom abnehmenden Ertragszuwachs wird für den Produktionsfaktor Arbeit häufig angenommen, dass die Leistung der zuletzt eingesetzten Arbeitseinheit ceteris paribus, d. h. unter sonst gleichen Bedingungen, umso geringer ist, je mehr an Arbeit bereits eingesetzt worden ist. Man sagt, mit zunehmendem Arbeitseinsatz sinkt das Grenzprodukt der Arbeit. Die Neoklassik geht davon aus, dass sich damit gleichermaßen der „Wert“ der Arbeit verringert und das Lohnniveau sinkt (Külp 1988). Ein ähnlicher Zusammenhang lässt sich auch zwischen dem Produktionsfaktor Kapital und dem Kapitalzins herstellen. Allerdings wird der Zusammenhang durch den technologischen Wandel, arbeitsorganisatorische Neuerungen und gesellschaftliche Aushandlungsprozesse vielfach außer Kraft gesetzt.
Aufbau und Entwicklung von Gesellschaften beruhen seit jeher auf dem Prinzip der Arbeitsteilung, was mit vielen Vorteilen einhergeht. Durch Arbeitsteilung kann der oder die Einzelne diejenige Tätigkeit erlernen und ausführen, zu der er oder sie am besten befähigt ist bzw. die ihm oder ihr am meisten Freude bereitet. Smith (1776, I. Buch Kap. I bis III) hat am Beispiel der Stecknadelherstellung im 18. Jahrhundert gezeigt, dass dadurch die Produktivität in der industriellen Produktion enorm gesteigert werden kann. Erst durch Arbeitsteilung ist eine rationelle Nutzung von Maschinen überhaupt möglich. Durch den technischen Fortschritt und den vermehrten Maschineneinsatz wurde die Organisation der Arbeitsteilung Ende des 19. Jahrhundert allerdings auch zu einem immer komplexeren Problem, da die fortschreitende Spezialisierung immer mehr Arbeitsschritte schuf und wachsende Herausforderungen an die Koordination und Synchronisierung des gesamten Produktionsprozesses stellte. Zudem veränderte sich die Struktur der Arbeitsteilung mit dem Übergang vom Handwerksbetrieb zur Manufaktur, in der die Produktion in isolierte maschinengesteuerte Teilprozesse gegliedert war, und schließlich zum Industrieunternehmen mit integriertem Maschinensystem (Marx 1890, Kap. XIII).
Taylor (1919) untersuchte im Rahmen des von ihm entwickelten scientific management systematisch Produktions- und Arbeitsprozesse, um optimale Bewegungsabläufe bei der Bedienung von Maschinen abzuleiten und um Maschinen bestmöglich in den Arbeitsprozess einzubinden. Er plädierte für eine strikte Trennung zwischen konzeptionellen und ausführenden Tätigkeiten und für eine extreme Aufspaltung der ausführenden Arbeiten. Ford (1923) übertrug tayloristische Prinzipien Anfang des 20. Jahrhunderts systematisch auf maschinenbestimmte Fließprozesse der industriellen Massenproduktion. Art und Ausmaß der sogenannten tayloristisch-fordistischen Arbeitsteilung erlangten in der Folge eine neue Tiefe und Qualität (Kieser 1999, Kap. XIII).
In seiner Analyse der Entwicklung der kapitalistischen Gesellschaft stellte Marx (1890, Kap. XIII) fest, dass der Übergang zu großen, massenproduzierenden Industrieunternehmen zunächst eine strukturelle Verschlechterung der Arbeitsverhältnisse bewirkte. Nicht nur führte der systematische Einsatz von Maschinen zur Freisetzung von Arbeitern. Da Maschinen insbesondere auch Muskelkraft entbehrlich machten, sank der Preis für ungelernte Arbeitskräfte. Zunehmend wurden Frauen und Kinder in der Produktion eingesetzt, weil man sie geringer vergüten konnte. Die hohen Kosten für die Anschaffung der Maschinen machten die Unternehmen durch lange Maschinenlaufzeiten und verlängerte Arbeitszeiten wett. Als später die Länge des Arbeitstags gesetzlich begrenzt wurde, beschleunigten die Unternehmen ihre Arbeitsabläufe durch höhere Maschinengeschwindigkeiten und steigerten die Arbeitsintensität.