Sophie lachte noch immer. »Außerdem ist sie fit wie ein Turnschuh. Sie kann gleichzeitig Essen kochen, Streit schlichten, das Haus renovieren, Windeln wechseln, eine tolle Freundin sein und noch so sieben Dinge mehr.«
»Warum hat sie keine eigene Show in Las Vegas?«
»Gute Frage! Ich glaube, die Konkurrenz ist ziemlich groß. Und du? Bist du von hier?«
»Ursprünglich ja.« Er wurde wieder ernst. »Ich war zwischendurch vier Jahre weg. Bin erst seit ein paar Monaten zurück.«
»Und wo warst du?«
Eigentlich sprach er nicht über seine Vergangenheit. »Ich habe auf Phuket in einer Surfschule gearbeitet. Na ja, und nun bin ich wieder hier.«
»Phuket! Wie bist du denn da gelandet? Und, viel interessanter, wieso verlässt man einen so schönen Fleck wieder und zieht zurück in den kalten Norden Deutschlands?«
Ben leerte sein Bier in einem Zug. Sophie war nicht nur schön, sondern auch ziemlich schlau. Sie hatte ihm die wesentliche Frage gestellt. Aber er würde sie nicht beantworten. »Ich hatte meine Gründe.«
Tina stand am Küchentresen und bestrich Brote mit Leberwurst. Das Genörgel der Kinder machte sie langsam wahnsinnig.
»Jetzt ist Pelle mal bei uns zu Besuch, aber er ist nie da!«, klagte Antonia.
»Pelle hat eben Ferien. Da muss er doch auch mal am Strand spielen dürfen, oder? So, und nun setzt euch!«
Während die Kinder aßen, bereitete Tina das Abendessen vor. Es würde frische Schollen geben. Der Kartoffelsalat war so gut wie fertig. Noch ein bisschen Salz fehlte. Sie wollte gerade nach dem Streuer greifen, als die Tür aufflog. Pelle stürmte in die Küche.
»Pelle!« Die Kinder sprangen von den Stühlen und stürzten sich auf den Hund.
»Sorry, wir sind ein bisschen spät dran«, entschuldigte sich Sophie. »Ich wollte dir doch helfen!«
Tina winkte ab. »Kein Problem! Der Kartoffelsalat ist fertig. Hast Farbe gekriegt.«
»Pelle und ich waren den ganzen Nachmittag am Strand und haben den Cracks beim Kiten zugesehen. Ist schon irre, was die mit einem Drachen und einem Brett so veranstalten. Und morgen früh mach ich einen Schnupperkurs. Um 10 geht es los! Erst ein bisschen Theorie und dann gehts aufs Wasser.«
»Theorie?« Tina schüttelte verständnislos den Kopf. »Du machst doch keinen Führerschein.« Finn begann zu krähen. Tina nahm ihr Baby aus dem Stubenwagen. »Du könntest die Schollen braten, während ich Finn stille.«
»Klar! Wo ist denn eigentlich dein Göttergatte?«
»Ich habe nicht die geringste Ahnung«, antwortete Tina gereizt. »Ich schätze, er ist noch in Lübeck und hat vergessen anzurufen. Na egal. Da liegen die Fische. Aber gönn dir erst noch ein Glas Wein. Behältst du die großen Hundeflüsterer im Auge?«
»Klar!«, antwortete Sophie und kramte nach dem Korkenzieher. Tina ging nach oben. Es kränkte sie, dass Stefan es nicht für nötig hielt, sie anzurufen. Als Finn zufrieden schmatzte, legte sie ihn behutsam in sein Bettchen. Dann griff sie das Babyfon und ging wieder nach unten. Sophie räumte gerade die Teller der Kinder ab.
»Wo ist denn die Bande?«, fragte Tina verwirrt.
Sophie grinste. »Sie gehen mit Pelle einmal durch den Garten. Das gehört zu unserem Deal.«
»Was für’n Deal?«
»Ihr Part ist es, anschließend ohne Gemurre ins Bett zu gehen.«
»Das funktioniert nie.«
In der Sekunde stürmten die beiden mit Pelle durch die Terrassentür. »Mama, wir wollen jetzt schnell Zähne putzen«, erklärte Antonia. Ihr Bruder nickte energisch. Tina sah ihre Freundin erstaunt an. Die Kinder waren bereits auf der Treppe. »Wenn du mir den Trick verrätst, zahl ich dir ein Vermögen!« Verwundert lief sie den beiden hinterher. Im Bad gab es tatsächlich keinen Protest. Tina legte Paul ins Bett und er wollte nicht mal mehr eine Geschichte hören. Irritiert ging sie in Antonias Zimmer. »Alles klar, kleine Maus?« Antonia nickte nur. »Was hat Sophie denn zu euch gesagt?«
Ihre Tochter kuschelte sich in ihre Decke und schüttelte verschwörerisch den Kopf. »Ist ein Geheimnis, Mami.« Antonia wischte mit ihren Fingern über ihren Mund.
Tina schloss gerade die Zimmertür, als das Telefon klingelte. Schnell lief sie nach unten ins Wohnzimmer, um abzunehmen.
»Ich bins.«
»Stefan, wo bleibst du denn?« Sie nahm den Hörer mit auf die Terrasse. Sophie hatte den Tisch draußen gedeckt.
»Sei mir nicht böse, aber ich schaffe es nicht.«
Tina stöhnte genervt. »Na klar!«
»Es ist nicht wegen Sophie. Ich muss gleich morgen um neun in die Rechtsmedizin zu einer Obduktion. Aber ich kann mir morgen Nachmittag ein paar Stunden freischaufeln. Ich liebe dich!«
Tina wollte sich schon verabschieden, als ihr etwas auffiel.
»Hast du nicht gesagt, dass Schölzel die Obduktion mitmacht?« Stefans Schweigen sagte ihr alles. »Es ist eine andere! Ist es Sophies Leiche?«
»Sophies Leiche? Was soll das denn bedeuten?«
Stefan konnte vor ihr noch nie etwas geheim halten. »Also doch!«
»Tina! Ich darf dir nichts sagen und ich könnte dir auch noch nichts sagen. Bis jetzt haben wir noch keinen Fall. Und ich bezweifle, dass wir einen haben werden. Zumindest werden wir das eindeutig feststellen können.«
Tina nickte gedankenverloren. Sie war lange genug mit einem Polizisten verheiratet. Eine Obduktion wurde nicht aus Jux gemacht. Die Frau war vielleicht doch ermordet worden.
Sophie richtete zwei Teller an und stellte sie zusammen mit Weißwein und Wasser auf ein Tablett. Tina stand auf der Terrasse und starrte in den Himmel. Das Telefon hielt sie mit beiden Händen vor der Brust. »Alles in Ordnung?«
Tina zuckte zusammen. »Was? Ja, alles bestens! Es war Stefan. Er bleibt über Nacht in Lübeck.«
Sophie stellte die Teller auf den Tisch und goss den Wein ein. »Jetzt setz dich doch.«
»Nicht, bevor du mir verraten hast, was du meinen Kindern angedroht hast!«
»Angedroht?« Tina nickte. »Ich soll dir meinen Geheimdeal verraten?«, lachte Sophie. »Ich bin zu hungrig, um Spielchen zu spielen. Antonia darf Pelle morgen Abend mit dem Gartenschlauch duschen und Paul darf das Hundefutter in seinen Napf füllen.«
»Das ist alles? Du hast keinen Gameboy versprochen oder ein Sattessen bei McDonalds?« Sophie schüttelte den Kopf und zuckte mit den Schultern. »Jetzt komm, sonst wird alles kalt.«
Sie machten sich hungrig über das Essen her und vermieden es, über den Streit vom Mittag oder die Tote zu sprechen.
»Der Kartoffelsalat war der Hammer!«, schwärmte Sophie, nachdem sie alles aufgegessen hatten. Sie streckte ihre langen Beine unter den Tisch und zündete sich eine Zigarette an. »Wenn ich jemals heirate und Kinder habe, brauch ich das Rezept.«
Tina sah sie ernst an. »Vielleicht ist es ja ganz gut, dass wir heute allein sind«, sagte sie leise. »Sophie, ich muss immer daran denken. An den Artikel und an Felix. Was ist denn passiert? Willst du drüber reden.«
Sophie schloss einen Moment die Augen und nickte langsam.
»Wo soll ich denn anfangen? Wir waren auf Ibiza. Es war mal wieder so ein geklautes Wochenende. Ist ja auch egal. Da muss es passiert sein. Ich hatte vorher diese Erkältung und musste Antibiotika nehmen. Ich weiß auch, dass die Pille dann nicht mehr wirkt, aber wer denkt denn daran?« Sie atmete tief durch. »Na ja, nach zwei Monaten fiel mir auf, dass ich meine Tage nicht bekommen hatte. Ich schob es auf den Redaktionsstress. Dann musste ich plötzlich morgens kotzen und ich konnte keinen Zigarettenrauch mehr ab.«
Tina