Hans-Peter Vogt

Der Wolfsmann


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      Er verschüttet beim Öffnen von dem Wasser, das ihm kühl auf die Hose läuft. Es ist unangenehm, wie kaltes Pipi.

      Tatsächlich rührt sich jetzt die Blase und Alf hat Mühe, seine Hose nach unten zu ziehen, bevor sich die Blase entleert. Er nutzt einfach dieses leere Emailtöpfchen. Dann legt er sich wieder auf die Matratze und zieht die Decke über sich. Was soll er sonst tun?

      Er überlegt. Er versucht mit Mama Kontakt aufzunehmen. Er versucht mit Tieren Kontakt aufzunehmen, Spinnen, Mücken, irgendetwas, was es hier geben mochte. Ja, es gibt zwei Spinnen, die ihre Netze oben in der Ecke geflochten haben. Sie können Alf nicht helfen. Es gibt eine verirrte Stechmücke, aber auch die kann Alf nicht helfen. Er bleibt alleine.

      Alf weint und dann schläft er ein. Er wird schließlich durch einen Taschenlampenstrahl geweckt. Draußen ist es noch hell, aber hier kommt wirklich nur wenig Licht herein. Alf sieht, dass es ein Clown ist, aber der Clown spricht nicht, er sieht nur nach Alf, sieht nach dem Wasser und dem Essen, leert das Emailtöpfchen in einen Plastikeimer und verschwindet wieder durch die Tür. Alf hört, wie sich ein Schlüssel umdreht. Der Clown reagiert auf keinen einzigen Laut von Alf.

      Alf ist verzweifelt. Schließlich macht er erneut Pipi, isst das Müsli auf, und trinkt wieder einen Schluck Wasser, wobei er aufpasst, dass er dieses mal nichts verschüttet.

      Es ist langweilig. Es ist nichts zu hören. Niemand reagiert auf Weinen oder Schreien, und Alf ist ziemlich verzweifelt. Er hat noch nicht gelernt, alleine durch den Raum zu gehen, nur das würde ihm in der jetzigen Situation helfen. Schließlich schläft er wieder ein.

      Er wird erneut von einem Taschenlampenstrahl geweckt. Der Clown bringt belegte Brötchen, eine Tasse heißen Kakao und eine Zeitung. Er setzt Alf hin, drückte ihm die Zeitung in die Hand und es blitzt auf. Alf kennt den Blitz eines Fotoapparates.

      Dieses Mal rennt er dem Clown von hinten in die Knie, als der den Raum wieder verlassen will. Der Clown schwankt, aber er stürzt nicht.

      Er dreht sich um, nimmt Alf an der Brust, wirft ihn in hohem Bogen auf das Bett und verlässt den Raum.

      Alf war mit dem Kopf angeschlagen. Es tut weh, und er ist jetzt wütend, aber was solltest du machen, wenn sich nichts rührt. Es gibt einfach keine Reaktion. Alf weint und schreit. Schließlich nimmt er die Brötchen, und isst sie auf. Der Kakao ist inzwischen kalt geworden, und Alf trinkt ihn mit Genuss. Auch dieses Mal verschüttet er etwas. Es klebt.

      Später geht er zu diesem Topf und macht AA. Es ist ziemlich schwer, sich mit dem Papier abzuputzen. Das ist immer sehr schwer, und das AA in dem offenen Emailbehälter riecht unangenehm.

      Als Alf wieder wach wird, hatten sich drei Schmeißfliegen eingefunden, angezogen von dem offenen Töpfchen mit dem AA. Sie hatten sich auch auf die Brösel des Brötchens gesetzt und auf das Gesicht von Alf. Alf riecht inzwischen leicht nach Schweiß und nach Pipi und nach Schokolade. Schmeißfliegen lieben solche Gerüche.

      Alf nimmt Kontakt zu den Schmeißfliegen auf, und lässt sich erzählen. Er erfährt, dass es da draußen noch mehr Räume gibt, und dass es um diese Räume herum Bäume gibt. Viele Bäume.

      Das bringt Alf aber nicht weiter. Er ist einfach noch viel zu klein.

       1.11.

      Als der Clown wiederkommt, greift Alf ihn erneut an. Er versucht zu beißen, ihn aufzuhalten und zur Tür zu rennen, die nicht ganz geschlossen worden war, aber der Clown erwischt ihn wieder.

      Er zischt: „Wenn du das noch mal machst, breche ich dir die Beine.“

      Er wirft Alf grob auf das Bett und verlässt den Raum.

      Ach was ist das dumm, dass Alf noch nicht gelernt hat, sich in Tiere zu verwandeln. Wie praktisch wäre das jetzt gewesen, egal ob in eine Fliege, ein Krokodil, oder sogar in einen Elefanten. Aber Alf kann das nicht. Seine Mutter und seine Geschwister hatten ihm das bisher noch nicht gezeigt. Er versucht, wenigstens den Tunnel zu rufen. Er weiß, wie das geht, aber der Tunnel öffnet sich nicht.

      Alf hat kein Zeitgefühl. In diesem Alter hat man das nicht, und unter den genannten Umständen ist es nicht möglich in Tagen oder Nächten zu zählen.

      Nach vier Tagen versucht Alf dem Clown aufzulauern, der in Abständen kommt, um Essen zu bringen und das Töpfchen zu leeren. Er kann sich schlecht stundenlang neben die Tür stellen, also versucht Alf, sich auf Geräusche zu konzentrieren. Gibt es irgendetwas, was diesen Clown ankündigt?

      Als der Schlüssel ins Schloss gesteckt wird, nimmt Alf todesmutig Aufstellung. Der Clown öffnet die Tür mit der rechten Hand, in der anderen trägt er heute eine Tasche mit Essen. In diesem Dunkel des Raums kann er nicht viel sehen. In diesem Moment rennt dieser Knirps in den Clown hinein.

      Das geschieht so abrupt, dass der Clown das Gleichgewicht verliert, aber er hat enorme Reflexe. Noch im Fallen greift er nach dieser Gestalt, die an ihm vorbeischlüpfen will und hält sie fest.

      Alf hätte es beinahe geschafft. Soviel bekommt er mit, dass es hier wirklich weitere Räume gibt.

      Es ist eine Art Ruine, ein halb verfallenes Gebäude, aber auch der zweite Raum ist noch intakt und hat eine Tür, und auch diese Tür ist verschlossen.

      Diesmal ist der Clown rabiat. Er verabreicht Alf eine gezielte Trachtprügel und wirft ihn dann wieder auf das Bett, bevor er Alf verlässt.

      Heute schreit und weint Alf viel und laut, aber es nützt nichts. Es gibt keine Reaktion.

      Schließlich isst er die Nudeln, die der Clown mitgebracht hatte, trinkt Wasser, macht Pipi und überlegt.

      Er nimmt wieder Kontakt zu den Schmeißfliegen auf. Er versucht, sich in eine Schmeißfliege zu verwandeln. Vielleicht kann er dann entwischen, aber es funktioniert nicht. Seine großen Geschwister, die können das bereits, aber Alf ist noch zu klein und zu ungeschickt.

      Er ist todunglücklich. Außerdem tut der Po höllisch weh. Der Clown war wirklich nah dran gewesen Alf die Beine zu brechen.

      Der Clown meldet sich am nächsten Tag nicht.

      Für Alf ist das noch schlimmer als die erlittene Trachtprügel. Er empfindet das als Strafe.

      Dann kommt der Clown wieder. Er bricht wieder eine Zeitung und der Fotoapparat blitzt wieder.

      Diesmal wehrt sich Alf nicht. Er grübelt darüber nach, wie er dem Clown das nächste Mal entwischen könnte.

      Dazu sollte es nicht mehr kommen.

       1.12.

      Der Clown hatte inzwischen den Kontakt zu Elvira hergestellt. Sie hatte ihm signalisiert, dass sie zahlen, und sich an alle Vereinbarungen halten würde. Der Clown war sehr vorsichtig gewesen.

      Er hatte bemerkt, dass die Polizei vor Ort ist, und nicht nur die Polizei. Da sind noch andere, die er nicht kennt.

      Es wird brenzlig.

      Schließlich sieht er nur einen Ausweg. Er muss unerkannt verduften. Auch dieses Kind muss weg. Vielleicht hat es irgendetwas gesehen.

      Vielleicht war er einmal unvorsichtig gewesen.

      Vielleicht konnte dieses Kind seine Stimme wiedererkennen, auch wenn er nur einmal gesprochen, nein, mehr gezischt hatte.

      Der Clown macht reinen Tisch.

      Diesmal nimmt er eine Eisenstange mit. Als er die Tür aufschließt, schlägt er hart zu.

      Als er den Kopf des Jungen trifft, gibt es einen Lichtblitz, der ihn blendet und umwirft. Er reibt sich die Augen und sieht sich um.

      Die Eisenstange liegt neben ihm, blutverschmiert.

      Die Matratze ist leer. Auch dort gibt es Blutflecken, aber das Bett ist wirklich leer.

      Er