Hans-Peter Vogt

Der Clan der Auserwählten


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ausgraben, und die Gier von Tausenden von Glücksrittern entfachen. Er sorgt dafür, dass die Indios unter seiner Leitung eine kleine Schutztruppe zusammenstellen, um drohende Übergriffe bereits im Vorfeld zu erkennen und Diebstähle zu verhindern. Das dient nicht zuletzt ihrem eigenen Schutz, denn Gerüchte und Unterstellungen sind schnell in die Welt gesetzt, wenn man einen unliebigen Beteiligten loswerden will, der von diesem Kuchen ein Drittel kassiert. Allein der Vorwurf der Unterschlagung kann dafür sorgen, dass die Beteiligten für Monate oder Jahre hinter Gittern verschwinden. Mila übernimmt die Aufgabe, dass jedes gefundene Stück detailliert erfasst und katalogisiert, und dass jeder investierte Dollar auch ordentlich verbucht wird.

      Die Ereignisse in Peru haben Leons Weg vorgezeichnet. An ein Studium ist in dieser Situation nicht zu denken. Er hat jetzt ganz konkrete Aufgaben, und er ist sich sicher, dass er die Anforderungen dank seines Gespürs und seiner Intelligenz auch meistern wird. Er weiß ja nicht, dass Artemis ihm dabei helfen wird. Als Leon im nächsten Frühjahr wieder nach Peru reist, bereitet er das Feld für einen Hotelkomplex, der in den nächsten Jahren entstehen soll, und eine Verbindungsstraße nach Cusco, um die Arbeiten sehr viel schneller und effektiver durchzuführen als bisher. In der Ausgrabung selbst arbeiten inzwischen hunderte von Menschen, die ein Zuhause brauchen. Leon weiß, dass hier eine neue Stadt entstehen wird. Vorerst brauchen die Arbeiter und die Archäologen aber feste Hütten, weil das Leben in Zelten auf Dauer unbequem ist. So entsteht eine Art Goldgräberstadt.

      Nakoma ist zwar kein ausgebildeter Archäologe, aber er findet schnell Zugang zu den Techniken und er berät sich regelmäßig mit Mila, die sich schon bald auf das ungewöhnliche Gespür von Nakoma verlassen kann, wie bei einem hochtalentierten Scout, einem Hellseher, oder einem Wünschelrutengänger. Sie selbst erhält von den Wächtern des Lebens eine organisatorische Fähigkeit, die ihr hilft, alle anstehenden Aufgaben zu bewältigen und aufkommende Konflikte im Keim zu ersticken. Das schürt zwar manchen Neid, aber Mila wird auf ihre Weise unantastbar, allein durch ihren genialen Führungsstil und das sichere Gespür, wo man graben muss, um etwas wertvolles zu finden. So findet sie auch in den beteiligten Ministerien immer ein offenes Ohr, denn dank Mila beginnen sich die Kassen der Finanzminister von Peru und Bolivien zu füllen, nun ja, auch die Kassen der Stiftung in Berlin, wenn auch zunächst nur auf dem Papier, solange wie nicht erste Verkäufe Bares in die Kassen spülen.

      Nakoma hat keine Ambitionen auf Ruhm, und er überlässt Mila freiwillig den Verdienst, als geniale Wissenschaftlerin zu gelten. Er selbst bezieht inzwischen als beratender und operativer Direktor der Stiftung ein Gehalt, das weit über dem liegt, was die Indios der Anden sonst verdienen. Dabei hat er nicht einmal eine schulische Ausbildung, aber er initiiert jetzt für die Indios der Ausgrabung eine Freiwilligenschule, in der Rechnen, Schreiben und Lesen gelehrt, und in der die überlieferten Geschichten der Indianer gesammelt und weitergegeben werden. Auch die Musik der Anden und die indianischen Traditionen sind Teil dieser Gemeinschaft. Zusammen mit den Funden aus der Ausgrabung ist diese Freiwilligenschule der Grundstein für die Entwicklung eines indianischen Zentrums im Nordosten von Peru. Nakoma selbst ist auch einer der Lernenden.

      Am Ende dieses Sommers sichert sich Leon weitere Grundstücke rund um die Ausgrabung, sowie ein langgestrecktes Tal aus dem Besitz des Staates Peru, das mehrere Tagesreisen entfernt liegt. Er lässt die Grundstücke und seine nähere Umgebung auf den Namen der Stiftung eintragen und die Stiftung ist auf diese Weise plötzlich zum Eigentümer mehrerer Goldadern geworden, von denen sonst noch niemand etwas weiß.

      Diesmal bringt er über 200 Kilo Gold in die Hauptstadt Lima, eröffnet dort auf den Namen der Stiftung ein Konto und überweist einen Teil des Sechsmillionen Euro starken Erlöses direkt nach Berlin.

      Leon hat inzwischen eine Ménage à Trois. Kathy in Berlin, Mila in Peru. Aus den Beziehungen entstehen später mehrere Kinder, und damit hat sich der Plan von Artemis zunächst erfüllt, den menschlichen Körper zu benutzen, um das Volk der Cantara wieder wachsen zu lassen und um die menschliche Gattung noch besser für seine Zwecke zu nutzen, ohne dass er sich ständig teilen muss. Auch wenn die Fähigkeiten des Einzelnen Nachkommen gering sind, gemessen an den Fähigkeiten von Artemis, so gibt es hier doch ein ausbaufähiges kollektives Wissen.

      Mila eröffnet Leon bereits im nächsten Sommer, dass sie von ihm schwanger geworden ist.

      Leon ist noch sehr jung, aber er erkennt diese einzigartige Chance. Er beantragt kurzerhand die peruanische Staatsbürgerschaft und läßt seinen Namen von einem Amtsgericht in Lima in den Künstlernamen Leon del Sol abändern. Dann adoptiert er Nakoma mit dessen Einverständnis als seinen Sohn. Nakoma wird ab sofort Nakoma de Sol heißen. Ein Tribut an die heilige Stadt, die sie gefunden haben.

      Es ist mehr als das. Leon ist jetzt ein Staasbürger Perus, und als solcher genießt er einen größeren Schutz als vorher. Es war im Prinzip ein genialer Schachzug, um seine Ziele noch besser durchsetzen zu können.

      Mila schenkt an Weihnachten einem gesunden Mädchen das Leben, und sie nennt sie nach dem alten indianischen Namen Chénoa und dem spanischen Zusatz Maria, und auch sie beantragt jetzt den Künstlernamen del Sol, so dass ihre Tochter zukünftig Chénoa Maria del Sol heißen wird. Leon hatte beim Amtsgericht hinterlassen, dass er einverstanden sei, dass auch Mila und seine leiblichen Nachkommen diesen Künstlernamen tragen dürfen, der sonst nur einmal beantragt werden darf. Eine Heirat kommt für Leon jedoch nicht in Betracht. Er fühlt sich auch viel zu jung, um solche Entscheidungen zu treffen.

      2.6.4. Chénoa wird nicht die einzige Nachkomme von Artemis bleiben, die auf natürliche Weise gezeugt wird, nach der Art, wie das die Menschen tun. Sie werden in ihrer äußeren Form ganz den Erdlingen gleichen, und sich damit nicht von anderen Menschen unterscheiden, aber sie werden Talente und Fähigkeiten entwickeln, die anderen Menschen weit überlegen sind. Es ist für die Cantara die ideale Tarnung.

      Die Tochter des damaligen peruanischen Ministers für Fremdenverkehr und Archäologie, der ein Angehöriger der weißen Oberschicht ist, die verliebt sich einige Jahre später ausgerechnet in diesen Indio Nakoma, der sich inzwischen Nakoma del Sol nennt. In bestimmten Gesellschaftskreisen gilt eine solche Verbindung zwischen den Rassen als Skandal. Doch auch ohne seinen Adoptivvater Leon hat sich Nakoma mittlerweile einen Namen gemacht, als genialer Fremdenführer, als Tierflüsterer und als blutjunger Leiter der Indioschule, so wie des neu entstandenen Kulturzentrums in Ciudad del Sol. Er hat ein ausgesprochen glückliches Händchen im Umgang mit Tieren und Menschen.

      Mercedes und Nakoma beschließen gegen den Willen ihres strengen Vaters zusammenzubleiben. Was zunächst ein riskantes Spiel ist, das entwickelt sich bald zu einer Love Story. Während Mercedes Tiermedizin studiert, absolviert Nakoma eine Ausbildung als Tier-Heilpraktiker. Er hat eine seltene Gabe, die Sprache der Tiere zu verstehen und sie von allen möglichen Krankheiten zu heilen. Warum also soll er diese Fähigkeit nicht nutzen, und sich einen Rahmen schaffen, der ihm ermöglicht, diese Tätigkeit offiziell ausüben zu dürfen.

      Seine Fähigkeiten als Tierflüsterer gewinnen schon bald Anerkennung in konservativen Kreisen, denn auch in Peru gibt es sehr wertvolle Tiere. Hunde, Koys, Angorakatzen, Rennpferde. Nach anfänglicher Ablehnung nimmt man gern die Dienste dieses Indios in Anspruch, der ausgesucht höflich und kompetent ist, und der inzwischen über ungewöhnlich gute Manieren verfügt. Tatsächlich hilft ihm auch die Adoption durch Leon, und weil Nakoma bereits einer der Direktoren der Stiftung ist, verschließt sich der Minister der Verbindung zwischen Nakoma und Mercedes nicht länger. Dennoch ist diese gesellschaftliche Verbindung ungewöhnlich. Ein Sakrileg eben, Talent hin oder her, zumindest dann, wenn die Frau eine Angehörige der weißen Elite ist und der Ehemann "nur" ein Indio.

      Anfangs war der Minister gegen diese Liebe. Er kennt den Sprengstoff dieser Verbindung. Durch seine gesellschaftlichen Verbindungen weiß er von diesen Goldfunden. Keine Einzelheiten. Auch die Lage der Adern ist nur in etwa zu umreißen. Durch geschicktes Taktieren könnte man diesen Besitz gewiss in die eigenen Hände bekommen. Es war seine Frau, die ihn lange angesehen hatte. "Wenn die Beiden heiraten, dann gehört dieser Fund automatisch auch unserer Tochter", hatte sie ihn beschworen, und sie hatte hinzugefügt, "ohne dass du einen Finger krumm machen musst. Außerdem solltest du lieber darauf achten, dass