Hans-Peter Vogt

Der Clan der Auserwählten


Скачать книгу

und auf jedem Kinder-geburtstag der Renner. Zu Weihnachten wurden Christbäume auf Teller gemalt, manche süß, mit vielen bunten Zuckerperlen. Aus dieser Aktion, die zunächst nur als Gag geboren war, entwickelte sich ein wahrer Hit, nicht nur in Europa, sondern auch in den USA und in Fernost. Es gab Tuben mit blauem, gelbem, schwarzem, roten oder violetten Inhalt. Die Farbe von Beeren, Wurzeln, Schalen, Früchten oder auch Lebensmittelfarben machten das möglich. Heute findet man diese Tuben in jedem Supermarkt, und die Mitbewerber waren auch schon längst auf diesen Zug gesprungen. Nichts funktioniert in diesem Geschäft langfristig so sicher, wie die Kinder an den eigenen Konzern zu binden.

      Anfangs waren die Tuben nur in den üblichen Größen einer 200 ml-Senftube. Das bemalen der Speisen wurde eigenhändig von den Mitarbeitern vorgenommen. Man wollte in den Restaurants keine Sauereien und keine Essensschlachten. Schon bald wurde das Sortiment durch 20ml-Probetübchen ergänzt, mit einem Griff aus Plastik in Form einer Banane, einer Erdbeere, einer Paprika oder einer Leberwurst... Es gab 10er Päckchen in verschiedenen Geschmacksrichtungen, süß oder salzig, um damit die Cräcker oder Stückchen selbst zu bemalen. Die Inhalts-Menge ist so gering, dass man Sauereien im Restaurant gut verhindern konnte. Auch die Kinder, die noch nicht lesen konnten, die erkannten an den bunten Griffen sofort, was in der Tube drin ist, und das entfachte einen wahren Begeisterungssturm.

      Jede Aktion findet irgendwo noch eine Steigerung. Im nächsten Jahr gab es einen heißen Sommer. Leon ließ in einem der US-Restaurants auf der grünen Wiese ein Planschbecken aufstellen und lud die Kinder zu einer Garden-Party ein. Man konnte im Freien essen und malen. Die Kinder mit nacktem Oberkörper und Sonnenhütchen. Natürlich gab es Cräcker, Salzgebäck oder auch Plätzchen. Dazu gab es Eiscreme, Shakes, Säfte und Limonade. Die Kinder konnten sich die leckeren Tubeninhalte direkt in den Mund spritzen, vom Teller lecken, oder vom Finger schlecken. Anschließend wurde gebadet und abgeduscht. Das Restaurant stellte Badehandtücher mit bunten Motiven zur Verfügung. Die Kindermöbel in der Außenfläche waren aus Plastik, damit man sie mit dem Schlauch abspritzen und desinfizieren konnte.

      Was als Einzelfall und als Werbegag gedacht war, für Partys Zuhause oder gelegentliche Events, entwickelte sich zum Verkaufsmagneten. Immer mehr Restaurants mussten jetzt solche Gardenpartys anbieten, wenn sie denn eine Freifläche besaßen.

      Solche Ereignisse und Matschorgien bleiben positiv in der Erinnerung der Kinder haften. Noch Jahrzehnte später.

      Einige Eltern waren anfangs entrüstet. Das Matschen mit Speisen war nicht schicklich. Es gab heftige Diskussionen um Regeln. Kinder müssen lernen, anständig zu essen, aber die Idee setzte sich durch. Die Kinder bestimmten diesen neuen Trend. Sie wollten das, was ihnen schmeckt, mit allen Sinnen genießen. Es geht aber nicht, dass man andere Kunden verschreckt und vertreibt. Ein Drahtseilaktakt, weil sich Kinder nicht immer an das halten, was die Eltern verlangen. Irgend-wie hatten die geschulten Mitarbeiter von Mac Best diesen Spagat hingekriegt. Auch die konservativen Eltern waren beruhigt.

      Kinderzonen und Erwachsenenbereich waren in den Restaurants stets deutlich voneinander getrennt. Optisch und akustisch, denn bei solchen Kinderspielen entwickelt sich manchmal deutlicher Lärm.

      Natürlich konnte man diese Tuben kaufen. Natürlich enthielten sie Haltbarkeitsmittel. Mac Best musste schließlich gewährleisten, dass die Produkte nicht gefährliche Substanzen entwickeln, wenn sie eine Weile in der prallen Sonne, oder im Auto liegen, wo sich im Wageninnern die Temperatur an heißen Tagen locker auf 70 Grad erhitzen kann.

      Heute ist dieses Produkt einer der Topseller im Angebot von Mc Best. Nicht nur in den USA, sondern überall. Es ist schon gut, wenn der Chef aufgeschlossen ist und über Weitblick, Witz und Humor verfügt. Aber natürlich. Leon ist kein Possenreißer. Er ist durchaus ernsthaft und bemüht, aber er steht neuen Ideen gegenüber stets aufgeschlossen gegenüber, und überzeugt oft mit einem Zwinkern in den Augen und mit einem Scherz auf der Zunge.

       2.

      Heute geht es zwischen Leon und Dr. Daniel Koslowski allerdings um neue Serien und ein neues Projekt der Belieferung von Werkskantinen, Schul- und Universitätsküchen in Nordamerika. Man verspricht sich davon eine Verdopplung des US-Umsatzes.

      Bei der Burgerkette in den USA werden bisher überwiegend die traditionellen Hamburger, Hähnchen, Steaks, Hackbällchen, dicke Bohnen, gemischte Salate, Fritten und Süßspeisen verkauft, wie z.B. Donuts, aber auch Quark mit Mixed Picles, Eiscreme, Vanillejoghurt. Alles wird ergänzt von den fabelhaften Soßen und den Shakes von Mac Best, hergestellt in den Werken in Mexiko und Georgia, und dann gibt es noch diverse Kleinigkeiten, wie Laugenbrezeln, Blechkuchen, Torten und diverse Fitnessriegel. Natürlich bekommt man hier auch einen Pott Kaffee, Cola oder Bier. Leon findet, das reicht nicht, um in den USA dauerhaft die Nummer eins zu bleiben.

      In Südamerika, Asien und Europa werden schon lange eigenständige Menüs angeboten, die dort großen Anklang finden. Bei dieser neuen Versuchsreihe geht es jetzt erstmals um völlig neue Gerichte für die Nordamerika-Linie. US-Amerikaner und Kanadier haben schließlich einen andern Geschmack als Europäer oder Asiaten. Das Angebot in den Restaurants will man zunächst beibehalten, aber Leon will expandieren und das Geschäft deutlich verbreitern. Wenn das klappt, soll auch die Angebotspalette in den Restaurants ausgeweitet werden, bis hin zu einem Partyservice.

      Discounter, Hotels und Großküchen sollen in diesem ersten Expansionsschritt dazu gebracht werden, die neuen Mac Best Gerichte in großem Stil zu ordern. Allerdings ist die Produktlinie im Detail noch nicht ganz ausgefeilt. Der festgelegte Preis für angeforderte Tonnagen steht bereits fest, aber die Geschmacksrichtungen bei den ersten Testläufen waren noch nicht optimal gewesen. Dieser Unsicherheitsfaktor muss weg. Das ist gefährlich fürs Geschäft und das Ansehen in den USA.

      Man braucht für dieses neue Projekt keine eigene Ladenkette. keine Bedienung und keinen Restaurantleiter. Es gibt keine Ladenmieten und keine Kosten für Strom, keine Tiefkühltruhen, Möbel oder Versicherungspolicen, und auch keinen Reinigungsdienst. Die bereits vorhandenen Vertreter werden in den USA und Kanada herumreisen, und für den steten Nachschub an Bestellungen sorgen. Es gibt bereits eine eigene Werbeabteilung, ansonsten wird man die fertigen Menüs tiefgefroren in 350 Gramm- bzw. in 5 und 25 Kilo Beuteln anliefern. Die Kleinpackungen für die Verbraucher, die Großpackungen für die Küchen. Die Tiefkühl-LKW werden rund um die Uhr im Einsatz sein. Sie werden nicht einmal einen eigenen Fuhrpark brauchen. Es gibt in den USA genug Speditionen, die sich gegenseitig unterbieten, um an solche Großaufträge heranzukommen. Wenn das alles klappt, dann ist das ein sicheres Geschäft.

      Mac Best will diverse Gerichte anbieten. Chili con Carne, indisches Huhn, chinesisches Schweinefleisch mit Sprossen und Gemüse, deutschen Erbseneintopf, russischen Borscht und andere nationale Spezialitäten. In Zukunft würde man das auch über den Online-Handel anbieten können, mit Lieferung direkt nach Hause.

      Bei Testessen war bisher einiges durchgefallen, anderes war angenommen worden.

      Daniel war drei Monate mit einem Team seiner Mitarbeiter durch die USA gereist, und sie hatten umfangreiche Tests gemacht.

      „Also“, fragt Leon, „was ist nun mit den Ergebnissen der Testserie und den Gewürzmischungen?“

      Daniel kratzt sich verlegen am Kinn. „Ich hab mir das einfacher vorgestellt. Ich hab’ gedacht, die Amerikaner würden sich über so was wie die deutsche Esskultur freuen. War aber nicht so. Sie stehen immer noch auf ihre traditionellen Gerichte und das heißt: Steak, Steak, Steak oder Hack von morgens bis abends, mit Fritten, dicken Bohnen, Speck, Mais und Schwabbelbrot, und ich rede hier ausschließlich vom Massenmarkt, also vom Durchschnittsamerikaner. Also haben wir das eingebaut. Mexikanisch, Chinesisch und indisch war gar kein Problem. Irish Stew mit Schaffleisch auch nicht. Linsensuppe, Erbsensuppe und Borscht war bei ihnen ziemlich verpönt. Das braucht Zeit. Unsere italienische Pasta musste abgeschmeckt werden, erst dann ist sie super angekommen. Was uns aus den Händen gerissen wurde, das waren Frankfurter Würstchen, Hacksteak mit Mais und Paprika, sowie Steak mit Bohnen. Das eine gilt als deutsch, das andere ist typisch amerikanisch. Die Erfahrung war, dass die Testesser alles mit unseren Soßen zugeschüttet haben. Die kennen sie. Die haben uns