würde in einem solchen winzigen Kristall von 10 . 10 . 10 μm die unvorstellbare Anzahl von 1.25 . 1014 geometrischen Elementarzellen vorliegen. Und dieser kleine Kristall wäre noch nicht einmal von bloßem Auge, sondern nur unter einem Mikroskop erkennbar - inmitten von unzähligen weiteren kleinen Kristallen desselben Werkstoffgefüges.
Anders als die spröden Keramiken und Halbleiter können sich Metalle nicht nur elastisch, sondern auch plastisch verformen. Ursache dafür ist vor allem das Gleiten von Versetzungen auf dicht gepackten Kristallebenen. Um die Festigkeit von Metallen zu erhöhen, werden diesen Versetzungen gezielt Gitterdefekte wie Fremdatome, andere Versetzungen, Korngrenzen oder Ausscheidungen in den Weg gestellt. Man spricht in diesem Zusammenhang von Verfestigungsmechanismen.
2.1 Gittertypen der wichtigsten Metalle
Die meisten Metalle kristallisieren in einer der drei Gitterstrukturen, deren Elementarzellen in Tab. 2.1 gezeigt sind. Die guten metallischen Leiter Gold, Silber, Kupfer, Platin und Aluminium sowie das austenitische Gamma-Eisen liegen in der kubischflächenzentrierten (kfz) Struktur vor. Magnesium, Zink, Titan oder Kobalt kristallisieren in der hexagonal dichtesten Packung (hdp). Beide Kristallstrukturen besitzen die dichtest mögliche Packung von Atomen. Die dichtest gepackten Ebenen beider Strukturen, die in Abb.2.4 farbig markiert sind, sehen hinsichtlich der Anordnung und Packungsdichte der Atome identisch aus - dichter kann man Kugeln in einer Ebene nicht packen. Der wesentliche Unterschied zwischen ihnen ist die Stapelfolge der dichtest gepackten Ebenen übereinander. In der kfz Struktur entspricht die Stapelfolge der dichtest gepackten Ebenen dem Muster ABC ABC, d.h., die vierte Ebene liegt wieder über der ersten Ebene etc. Ist diese Stapelfolge gestört, spricht man von Stapelfehlern. In der hdp Struktur lautet die Stapelfolge der dichtest gepackten Ebenen AB AB, d.h., die dritte Ebene liegt wieder über der ersten Ebene (Abb. 2.5). Die kubisch-raumzentrierte (krz) Struktur, in der das ferritische AlphaEisen, Chrom, Molybdän, Wolfram, Tantal oder Vanadium kristallisieren, ist nicht ganz so dicht gepackt.
Tab. 2.1 Die wichtigsten Kristallstrukturen von Metallen.
kfz Elementarzelle | krz Elementarzelle | hdp Elementarzelle | |
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Koordinationszahl (nächste Nachbarn von einander berührenden Atomen) | 12 | 8 | 12 |
Gitterkonstante als Vielfaches des Atom durchmessers d | a = 1.4d | a = 1.2d | a = d, c = 1.6d |
Packungsdichte | 74% | 68% | 74% |
Beispiele | Au, Ag, Cu, Pt, Al, Ni, Pb, Y-Fe | a-Fe, Cr, Mo, W, V, Ta, Nb | Mg, Zn, Ti, Co, Cd, Be |
Um die Kristallstrukturen beschreiben zu können, wird ihnen ein Koordinatensystem zugeordnet. Mit Hilfe dieses Koordinatensystems lassen sich Richtungen und Ebenen eindeutig mit Hilfe der sogenannten Miller’schen Indizes beschreiben. Richtungen schreibt man dabei in [eckige] Klammern. Sind bestimmte Richtungen aus Symmetriegründen kristallographisch gleichwertig, zum Beispiel alle Würfelkanten in kubischen Systemen, so kann man alle diese Richtungen vom gleichen Typ in (spitzen) Klammern zusammenfassen. Die Miller’schen Indizes von Ebenen schreibt man in (runde) Klammern. Sind bestimmte Ebenen aus Symmetriegründen kristallographisch gleichwertig, zum Beispiel Deckflächen eines Würfels in kubischen Systemen, so kann man alle diese Ebenen vom gleichen Typ in {geschweiften} Klammern zusammenfassen.
Abb. 2.1 Wichtige Richtungen im kubischen System. Beispiel: Die Richtung [111] ergibt sich als vektorielle Zusammensetzung aus jeweils einem Schritt in x-, y- und z-Richtung.
Im kubischen Kristallsystem, zu dem die krz, die kfz und die Diamantstruktur der Halbleiter der IV. Hauptgruppe sowie Zinkblendestruktur und der III-V-Halbleiter gehören, basieren die Miller’schen Indizes für alle Richtungen und Ebenen auf einem kartesischen Koordinatensystem. Die Richtungen [xyz] ergeben sich aus einer vektoriellen Zusammensetzung der kubischen Koordinaten (Abb. 2.1).
Die Richtungen [100], [010] und [001] entsprechen den Würfelkanten der Elementarzelle und spannen das kartesische Koordinatensystem auf. Sie können auch zu Richtungen des Typs ⟨100⟩ zusammengefasst werden, da sie aus Symmetriegründen kristallographisch gleichwertig sind. Die Richtungen vom Typ ⟨111⟩ sind die Raumdiagonalen und sind in krz Metallen die dichtest gepackten Richtungen. Die Richtungen vomTyp ⟨110⟩ sind die Flächendiagonalen und sind in kfzMetallen die dichtest gepackten Richtungen. In Halbleitern (Diamant- und Zinkblendestruktur) sind die ⟨110⟩-Richtungen die Spaltrichtungen, in denen die Chips bevorzugt ausgesägt werden. Sie sind als Flats (flache Kanten) an rundenWafern erkennbar. Die Richtungen vomTyp ⟨112⟩ spielen in kfzMetallen und in der Formgedächtnislegierung Nitinol (NiTi) eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Stapelfehlern und Zwillingsfehlern.
Die Miller’schen Indizes von Ebenen in kubischen Kristallsystemen ergeben sich indirekt aus den Schnittpunkten der Ebenen mit den Koordinatenachsen. Allerdings erscheinen in den Miller’schen Indizes für Ebenen (xyz) die Kehrwerte der Schnittpunkte mit den Achsen. Sie entsprechen dem Normalenvektor der Ebene. Verläuft eine betrachtete Ebene durch den Koordinatenursprung, so wird sie um einen Schritt in x, y, oder z aus dem Koordinatenursprung heraus verschoben, um ihre Miller’schen Indizes bestimmen zu können. Die Ebenen vom Typ {100} sind die Würfelflächen. Die Ebenen vom Typ {111} sind die dichtest gepackten Ebenen und damit die Gleitebenen für Versetzungen im kfz System. Die Ebenen vom Typ {110}, {112} und {123} sind Gleitebenen im krz System (Abb. 2.2).
In der hexagonal dichtesten Packung gibt es kein kartesisches Koordinatensystem. Die wichtigste Ebene ist die(001)-Ebene, da sie am dichtesten gepackt ist (Abb. 2.3). In ihr liegen die dichtest gepackten Richtungen [100], [010] und [110].
Die krz Struktur ist nicht so dicht gepackt wie die kfz und hdp Struktur (Abb. 2.4).