Christoph Wassermann

Baurecht Baden-Württemberg


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unterliegt, erfüllt die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung auch eine Rechtsschutzfunktion.

      Zur Öffentlichkeit zählt jedermann, der ein Interesse an der Bauleitplanung hat.

      Frühzeitig ist die Öffentlichkeitsbeteiligung, wenn die Planinhalte noch nicht verfestigt sind.

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      Die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung hat öffentlich zu erfolgen. Die Gemeinde kann nach eigener Entscheidung die Planung z.B. in öffentlichen Veranstaltungen oder Ausstellungen vorstellen. Das Kriterium „öffentlich“ ist jedoch verletzt, wenn die Gemeinde nur die planbetroffenen Bürger unterrichtet. Im Hinblick auf die Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BauGB hat der Bürger keinen Rechtsanspruch dahingehend, dass dies in Form einer öffentlichen Versammlung erfolgt. Es besteht lediglich ein Anspruch auf eine persönliche Anhörung.

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      Gegenstand der Unterrichtung und Anhörung können Informationen vor allem aus der ersten Fassung der Begründung des Planaufstellungsbeschlusses gemäß § 2a BauGB sein, sofern die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung nach dem Planaufstellungsbeschluss stattfindet.

      Nicht erforderlich ist eine frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung in den Fällen des § 3 Abs. 1 S. 2 Nr 1 und Nr. 2 BauGB: Eine frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung kann unterbleiben, wenn nach § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BauGB ein Bebauungsplan aufgestellt oder aufgehoben wird und sich dies nicht oder nur unerheblich auf das Plangebiet und seine Nachbargebiete auswirkt. Eine Entbehrlichkeit ist ferner gegeben, wenn die Unterrichtung und Erörterung bereits zuvor auf einer anderen Grundlage erfolgt ist, vgl. § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BauGB.

      Sollte die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung zu einer wesentlichen Änderung des Planentwurfs führen, so muss sie nicht erneut durchgeführt werden. Dann muss eine öffentliche Auslegung i.S.d. § 3 Abs. 2 BauGB wegen § 3 Abs. 1 S. 3 BauGB erfolgen.

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      Ein Verstoß gegen § 3 Abs. 1 S. 1 BauGB ist gegeben, wenn die Gemeinde bestimmte Planungsalternativen verwirft, bevor die Öffentlichkeit Gelegenheit hatte sich zu äußern.[23]

      Unterstreichen Sie sich in Ihrem Gesetzestext bei § 214 Abs. 1 S. 1 BauGB nach der Nennung des „§ 3 BauGB“ den „Abs. 2“.

      Fehlerfolgen: Die Rechtsfolge eines Verstoßes besteht in der Unbeachtlichkeit, da in § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB zwar § 3 BauGB, jedoch nur Abs. 2 und nicht Abs. 1 genannt ist.

      bb) Frühzeitige Behördenbeteiligung, § 4 Abs. 1 S. 1 BauGB

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      Die frühzeitige Behördenbeteiligung gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 BauGB setzt voraus, dass diejenigen Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange entsprechend § 3 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BauGB, deren Aufgabenbereiche durch die Planung berührt werden, am Verfahren der Bauleitplanung beteiligt werden. Auch die frühzeitige Behördenbeteiligung verfolgt einen doppelten Zweck:[24] Zum einen dient sie der Vervollständigung des Planmaterials, so dass gemäß § 1 Abs. 7 BauGB alle von der Bauleitplanung berührten Belange erfasst und bewertet werden können, zum anderen haben die Behörden der Gemeinde, falls sie über Informationen verfügen, die für die Beibringung oder Vervollständigung des Umweltberichts gemäß § 2 Abs. 4 BauGB nützlich sind, diese zur Verfügung zu stellen (vgl. § 4 Abs. 3 BauGB). Die Behörden sind jedoch nur dann am Verfahren zu beteiligen, wenn ihr Aufgabenbereich von der Planung berührt ist. Hierfür genügt es nicht, dass die Behörde nur abstrakt betroffen ist. Sie muss vielmehr konkret betroffen sein.

      Beispiele

Denkmalamt
Umweltamt

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      Schwieriger ist zu bestimmen, wer ein sonstiger Träger öffentlicher Belange i.S.d. § 4 Abs. 1 S. 1 BauGB ist. Da § 4 Abs. 1 S. 1 BauGB die sonstigen Träger öffentlicher Belange neben den Behörden eigenständig nennt, kann daraus gefolgert werden, dass es sich nicht um hoheitlich handelnde Behörden im organisatorischen Sinn handeln muss, denn ansonsten ergäbe die Nennung der sonstigen Träger öffentlicher Belange keinen Sinn.[25] Zu den Trägern öffentlicher Belange zählen daher Stellen, die den gesetzlichen Auftrag haben, öffentliche Belange zu verfolgen (sog. funktionaler Behördenbegriff). Dies sind vor allem die Träger funktionaler Selbstverwaltung, wie z.B. Industrie- und Handelskammer. Handwerkskammer oder Ärztekammer, und Energieversorgungsunternehmen, wie z.B. eine Stadtwerke GmbH.[26]

      Hinweis

      Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob es sich im Einzelfall um einen sonstigen Träger öffentlicher Belange handelt, ist also ob ein gesetzlicher Auftrag zur Verfolgung öffentlicher Interessen gegeben ist.

      Auch Nachbargemeinden (s. hierzu Rn. 192 ff.), die von der Planungsabsicht betroffen sind, können ungeachtet, ob sie unmittelbar an das Gebiet der planenden Gemeinde angrenzen oder nicht, ein sonstiger Träger öffentlicher Belange sein, denn ansonsten bestünde keine Anpassungspflicht einer Nachbargemeinde gemäß § 7 BauGB.[27]

      Nicht erfasst sind hingegen private Interessenvertretungen, die sich mit öffentlichen Aufgaben beschäftigen, wie z.B. Naturschutzverbände[28] oder Sportverbände, da sie keinen gesetzlichen Auftrag haben öffentliche Interessen zu verfolgen. Sie sind jedoch über § 3 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BauGB zu beteiligen.[29]

      Hinweis

      Gemäß § 4a Abs. 2 BauGB können die frühzeitige Öffentlichkeits- (§ 3 Abs. 1 BauGB) und die frühzeitige Behördenbeteiligung (§ 4 Abs. 1 BauGB) gleichzeitig erfolgen.

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      Unterstreichen Sie sich in Ihrem Gesetzestext bei § 214 Abs. 1 S. 1 BauGB nach der Nennung des „§ 4“ den „Abs. 2“.

      Fehlerfolgen: Die Rechtsfolge eines Verstoßes besteht in der Unbeachtlichkeit. In § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB ist zwar § 4 BauGB, jedoch nur Abs. 2 und nicht Abs. 1 genannt.

      cc) Formelle Öffentlichkeitsbeteiligung, § 3 Abs. 2 BauGB

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      Die formelle Öffentlichkeitsbeteiligung (auch Auslegungsverfahren genannt) gliedert sich zeitlich in drei Phasen:

      Die erste Phase ist die Phase der Bekanntmachung der Auslegung, § 3 Abs. 2 S. 2 BauGB. Es hat eine Woche vor der Auslegung eine ortsübliche Bekanntmachung mit dem Hinweis, dass Anregungen während der Auslegungsfrist eingebracht werden können, zu erfolgen. In dieser Bekanntmachung müssen enthalten sein:

Ort und Dauer der Auslegung
Angaben dazu, welche umweltbezogenen Informationen verfügbar sind
ein Hinweis auf die Präklusion gemäß § 47 Abs. 2a VwGO

      Fristberechnungen