Prüfung nur eingeschränkt zugänglicher, Prognosespielraum zu. Der Zweck ist daher erst dann verfehlt, wenn die Erwägungen des Gesetzgebers vernünftigerweise keine Grundlage für gesetzgeberische Maßnahmen abgeben können[31]. Der Lebens- und Gesundheitsschutz der Nichtraucher stellt einen legitimen Zweck dar. Mit dem Nichtraucherschutzgesetz hat sich der rheinland-pfälzische Gesetzgeber, gestützt auf wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse über die gesundheitlichen Risiken und Gefährdungen durch aktives als auch passives Rauchen, von einem Schutzkonzept zugunsten der nichtrauchenden Besucher und Bediensteten von Schank- und Speisewirtschaften leiten lassen, was in der gesetzlichen Zweckbestimmung des § 1 Abs. 1 NRSG unmittelbar zum Ausdruck kommt. Für die Eignung reicht es aus, wenn durch die Berufsausübungsregelung der gewünschte Erfolg zumindest gefördert werden kann. Dies ist zu bejahen, weil ein Rauchverbot in Gaststätten das Ausmaß des Passivrauchens sowie die mit ihm verbundenen Gesundheitsrisiken jedenfalls reduziert. § 7 NRSG müsste auch erforderlich sein. Erforderlich ist ein Gesetz, wenn der Gesetzgeber nicht ein anderes, gleich wirksames, aber das Grundrecht nicht oder weniger stark einschneidendes Mittel hätte wählen können. Als milderes Mittel kämen zB die Förderung von Selbstbeschränkungsabkommen, aber auch präventive Maßnahmen wie Werbeverbote in Betracht. Bei der Beurteilung der Erforderlichkeit sowie bei der in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Einschätzung und Prognose der dem Einzelnen oder der Allgemeinheit drohenden Gefahren steht dem Gesetzgeber jedoch eine Einschätzungs- und Entscheidungsprärogative zu. Die bisherigen Erfahrungen lassen sogar an der Eignung dieser Alternativmaßnahmen zweifeln, stellen aber jedenfalls die Erforderlichkeit des Rauchverbots nicht in Frage.
Das Rauchverbot müsste auch angemessen sein. Das wäre der Fall, wenn das mit ihm verfolgte Ziel in seiner Wertigkeit gegenüber der Intensität des Eingriffs nicht unverhältnismäßig ist. Hierbei muss eine Abwägung zwischen der Intensität des Eingriffs in das grundrechtlich geschützte Rechtsgut und der Wertigkeit des verfolgten Zwecks des Gesetzes stattfinden. Dem könnte entgegenstehen, dass die Gastwirte erhebliche Umsatzeinbußen geltend machen, da sie fürchten, dass das Rauchverbot den Aufenthalt in ihren Einrichtungen für Raucher unattraktiv macht: Selbst wenn man diese bisher nicht statistisch bestätigte Behauptung als zutreffend unterstellt, ist zu berücksichtigen, dass Nichtraucher gerade in Gaststätten besonderen Belastungen ausgesetzt sind[32]. Im Ergebnis ist ein Rauchverbot also grundsätzlich verhältnismäßig[33]. Dies gilt selbst dann, wenn ein solches für einzelne existenzgefährdende Auswirkungen hat[34]. Ein generelles Rauchverbot wäre daher nicht zu beanstanden[35], selbst wenn es die gerade auf Rauchen angelegte „Themengastronomie“ einschließt[36].
bb) Die Systemgerechtigkeit der Ausnahmeregelung
50
Allerdings hat der Gesetzgeber in § 7 Abs. 2 NRSG Ausnahmetatbestände geschaffen und damit selbst sein Schutzkonzept durchbrochen. Damit gibt der Gesetzgeber zu erkennen, dass er dem Gesundheitsschutz einen gegenüber einer ausnahmslosen Regelung nur reduzierten Stellenwert einräumt, wodurch sich auf der anderen Seite die Argumentationslast hinsichtlich der Rechtfertigung für ein Absehen von Ausnahmen auch für andere Bereiche zulasten des Gesetzgebers verschiebt. Solche Ausnahmeregelungen müssen sich daher auf ihre Konsequenz und Folgerichtigkeit überprüfen lassen[37]. Dies kann sub specie des Art. 12 GG als Frage der Angemessenheit, aber auch im Rahmen des Art. 3 GG geprüft werden[38].
Nicht zu beanstanden ist die flächenmäßige Begrenzung der Einraumkneipenregelung auf Räumlichkeiten mit weniger als 75 m². Diese dürfte sachgerecht sein[39], überschreitet aber vor allem nicht die Grenzen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums. Da Praktikabilität und Einfachheit des Rechts zu den notwendigen Voraussetzungen eines gleichheitsgerechten Gesetzesvollzugs gehören, ist der Gesetzgeber befugt, auch generalisierende und typisierende Regelungen zu treffen. Die Tatsache, dass der Umbau zu einer Mehrraumkneipe hier nicht an der Bereitschaft der S, sondern dem Denkmalschutzrecht scheiterte, steht dieser Typisierungsbefugnis daher wohl auch nicht entgegen.
Allerdings könnte die Regelung aus einem anderen Grund gegen die Verfassung verstoßen. Obwohl in Gaststätten, die über Nebenräume verfügen und in Einraumkneipen bis zu einer bestimmten Größe (§ 7 Abs. 2 NRSG) sowie in Wein-, Bier- und Festzelten (§ 7 Abs. 5 NRSG) das Rauchen erlaubt ist, fehlt es an Ausnahmeregelungen für die Erlebnisgastronomie, also solche Gaststättenkonzepte, die erkennbar durch eine Verknüpfung von Getränke- und Tabakkonsum gekennzeichnet sind. Insoweit könnte man an der Konsequenz und Folgerichtigkeit der Regelung zweifeln. Gerade weil der Gesetzgeber sein Schutzkonzept an der Gesundheit der Nichtraucher ausrichtet[40], überzeugt es nicht ohne Weiteres, dass solche Gastronomiekonzepte verboten werden, die sich überhaupt nur an Raucher wenden. Diese dürften kaum von Nichtrauchern aufgesucht werden und gefährden diese viel weniger als es etwa bei einem Festzelt der Fall ist. Dies gilt umso mehr, als die Umstellung für S jedenfalls in ihren Auswirkungen einer Betriebsaufgabe gleichkommen würde[41]. Damit kann man die Verfassungsmäßigkeit der Regelung verneinen. Allerdings besteht bei einer derart strengen Prüfung der Ausnahmen die Gefahr, dass man vom Gesetzgeber ein „alles oder nichts“ verlangt, wenn zwar ein generelles Rauchverbot verfassungskonform ist, eine Ausnahmeregelung aber zwangsläufig typisieren muss[42]. Dementsprechend hat das BVerfG in den späteren Entscheidungen wohl großzügigere Maßstäbe angelegt. Danach wäre es zulässig, die Ausnahmeregelungen ausschließlich an der Betriebsgröße zu orientieren. Allenfalls könnte man in einem solchen Fall vom Gesetzgeber eine Begründung für die Differenzierung verlangen[43], die im vorliegenden Fall allerdings fehlt. Auch ein solches Begründungserfordernis ist allerdings nicht unproblematisch, schuldet doch der Gesetzgeber nach verbreiteter Auffassung „nichts als das Gesetz“. Es muss daher genügen, wenn sich das hinter einer Regelung stehende Konzept aus dieser entnehmen lässt.
Hinweis:
In der Klausur sind selbstverständlich auch nach der eher knappen gegenteiligen Entscheidung weiterhin unterschiedliche Auffassungen vertretbar. Es kommt entscheidend auf die Begründung an.
III. Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG (gesetzl. Richter)
51
S rügt außerdem, dass das BVerwG die Frage der Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit nicht gem. Art. 267 Abs. 3 AEUV dem EuGH vorgelegt habe. Darin könnte ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG liegen. Dies setzt voraus, dass der EuGH als gesetzlicher Richter iSd Vorschrift zu sehen ist und das Gericht seine Vorlagepflicht (dazu 2.) willkürlich (dazu 3.) außer Acht gelassen hat.
1. EuGH als gesetzlicher Richter
52
Der EuGH ist gesetzlicher Richter iSd Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG, wie das BVerfG erstmals in der Solange II-Entscheidung entschieden hat. Dieser sei „ein durch die Gemeinschaftsverträge errichtetes hoheitliches Rechtspflegeorgan, das auf der Grundlage und im Rahmen normativ festgelegter Kompetenzen und Verfahren Rechtsfragen nach Maßgabe von Rechtsnormen und rechtlichen Maßstäben in richterlicher Unabhängigkeit grundsätzlich endgültig entscheidet“[44]. Zum gesetzlichen Richter iSd Grundgesetzes werde der EuGH durch die „funktionelle Verschränkung der Gerichtsbarkeit der Europäischen Gemeinschaften mit der Gerichtsbarkeit der Mitgliedstaaten“ sowie den Umstand, „dass die Gemeinschaftsverträge [. . .] Teil der innerstaatlich geltenden Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland und von ihren Gerichten zu beachten, auszulegen und anzuwenden“[45] seien.
2. Verletzung der Vorlagepflicht
53
Das BVerwG müsste zudem seine Vorlagepflicht verletzt haben. Eine solche ergibt sich aus Art. 267 Abs. 3 AEUV. Nach der Rechtsprechung des EuGH muss „ein Gericht, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, seiner Vorlagepflicht nachkommen, wenn in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage des Unionsrechts gestellt wird, es sei denn, es hat festgestellt, dass die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich