Stefan Storr

Klausurenkurs im Öffentlichen Wirtschaftsrecht


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wenn diese Maßnahme, Unterlassung oder Entscheidung auf Willkür beruht (BVerfGE 19, 38, 43; 29, 198, 207; 31, 145, 169. Dies gilt auch, wenn ein Gericht die Verpflichtung zur Vorlage an ein anderes Gericht, das über eine bestimmte Rechtsfrage zu entscheiden hat, außer Acht lässt“ (st Rspr seit BVerfGE 29, 198, 207.

       [63]

      So aber EGMR v. 13.2.2007 – 15073/03, EuGRZ 2008, 274 (276) – John/Deutschland zum Maßstab bei Art. 6 Abs. 1 EMRK: keine Willkür der Nichtvorlage, wenn der Betroffene keinen hinreichend substantiierten Antrag stellt, dh die Vorlage weder ausdrücklich beantragt noch eine ausdrückliche und präzise Begründung für die behauptete Notwendigkeit einer Vorabentscheidung gibt; vgl auch Roth, NVwZ 2010, 345.

       [64]

      BVerfG, Beschluss v. 15.12.2016, Az. 2 BvR 222/11, Rn 28; vgl BVerfGE 126, 286, 315 f; 128, 157, 187; 129, 78, 106; 135, 155 = NVwZ 2014, 646, 657 Rn 180.

       [65]

      BVerfG, NJW 1988, 1456, 1457.

       [66]

      Dazu BVerfGE 135, 155; s, auch BVerfG, Beschluss v. 20.02.2017, Az. 2 BvR 63/15 (juris); BVerfG, Beschluss v. 15.12.2016, Az. 2 BvR 222/11.

       [67]

      Vgl BVerfGE 82, 159, 195 f; 126, 286, 316 f; 128, 157, 187 f; 129, 78, 106 f; 135, 155, 232.

       [68]

      BVerfGE 135, 155 = NVwZ 2014, 646, 657 Rn 182.

       [69]

      BVerfG, Beschluss v. 15.12.2016, Az. 2 BvR 222/11, Rn 32; BVerfGE 135, 155 = NVwZ 2014, 646, 657 Rn 183.

       [70]

      BVerfG, Beschluss v. 15.12.2016, Az. 2 BvR 222/11, Rn 32; BVerfGE 135, 155 = NVwZ 2014, 646, 657 Rn 183; vgl BVerfGE 82, 159, 195 f; 126, 286, 316 f; 128, 157, 187 f; 129, 78, 106 f.

       [71]

      BVerfGE 135, 155 = NVwZ 2014, 646, 657 Rn 184; vgl BVerfGE 129, 78, 107.

       [72]

      BVerfGE 135, 155 = NVwZ 2014, 646, 657 Rn 184.

       [73]

      BVerfGE 135, 155 = NVwZ 2014, 646, 657 Rn 185. vgl zu dieser Konstellation BVerfGE 82, 159, 196; 126, 286, 317.

       [74]

      BVerfG, Beschluss v. 15.12.2016, Az. 2 BvR 222/11, Rn 38 ff. Vgl demgegenüber früher BVerfG, NVwZ 2001, 1148, 1149: Unvertretbar sei eine Lösung nur, „wenn mögliche Gegenauffassungen zu der entscheidungserheblichen Frage des Gemeinschaftsrechts gegenüber der vom Gericht vertretenen Meinung eindeutig vorzuziehen sind“. Zwischenzeitlich gab es eine uneinheitliche Rechtsprechung der beiden Senate; vgl dazu auch Finck/Wagner, NVwZ 2014, 1286. Die neuere Linie dürfte weitgehend zu den gleichen Maßstäben gelangen wie auch der EuGH, wobei zu beachten ist, dass auch die genauen Maßstäbe der acte-clair-Doktrin und vor allem die Differenzierung zwischen verschiedenen Konstellationen auch durch die Rechtsprechung des EuGH noch der Aufarbeitung bedürfen, dazu Piekenbrock, EuR 2011, 317, 336 ff.

       [75]

      Dazu zuletzt EuGH v. 19-10-2016, Rs. C-148/15 – „DocMorris“, EuZW 2016, 958; zur umstrittenen Relevanz der Keck-Rechtsprechung die unterschiedlichen Positionen von Reich, Oxford LJ 1999, 337; Epiney, NVwZ 2010, 1065; Brigola, EuZW 2012, 248; Dietz/Streinz, EuR 2015, 50. Zum „Drei-Stufentest“ des EuGH Leible/Streinz, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 34 Rn 85 ff. Allein dieses Meinungsspektrum belegt, dass diese Frage gerade nicht als geklärt angesehen werden kann. Im Vergleich dazu sah das BVerfG die Spielräume im Zusammenhang mit der vom BVerwG sehr weit verstandenen Cassis-Formel nicht als überschritten an, vgl BVerfG, NVwZ 2017, 615; zu diesen Fragen Ruthig, in: Ruthig/Storr, Rn 62 ff.

      Inhaltsverzeichnis

       Vorüberlegungen

       Gliederung

       Lösung

      61

      L ist eine nach englischem Recht als private Kapitalgesellschaft gegründete Private Limited Company mit Hauptsitz in England und als solche seit 2013 ordnungsgemäß nach englischem Recht in das Register of Companies eingetragen. L hat 2016 eine Produktionsanlage für englisches Weingummi in Kaiserslautern errichtet und betreibt von dort aus einen Internet-Versandhandel nach ganz Kontinentaleuropa. Diese wurde als Zweigniederlassung ordnungsgemäß in das deutsche Handelsregister eingetragen und vom Finanzamt zur Gewerbesteuer veranlagt. Da den Kunden angesichts der Finanzmarktkrise der Appetit auf Weingummi vergangen ist, beträgt der Jahresumsatz 2016 allerdings nur 682,52 €.

       Aufgabe 1:

      Mit Schreiben vom 17.2.2017 begrüßt die örtlich zuständige IHK Pfalz in Ludwigshafen die L als neues Mitglied. L ist überrascht und erkundigt sich telefonisch nach den Konsequenzen. Ihr wird mitgeteilt, dass sie nicht nur nach § 2 IHKG automatisch Mitglied der IHK geworden sei, sondern auch gem. § 3 IHKG zu Kammerbeiträgen herangezogen werden müsse. Ein entsprechender Beitragsbescheid auf der Grundlage der Beitragsordnung sowie der von der Vollversammlung jährlich beschlossenen Wirtschaftssatzung vom 18.11.2014 werde nach endgültiger rechtlicher Prüfung noch folgen. Eine Beitragsbefreiung nach § 3 Abs. 2 IHKG komme trotz der geringen Einnahmen jedenfalls nicht in Betracht, da L ins Handelsregister eingetragen sei. Allerdings werde angesichts des geringen Umsatzes wohl nur der in der Beitragsordnung vorgesehene Mindestbeitrag von 50 € pro Jahr fällig. L sieht aber schon in der Pflichtmitgliedschaft einen unzulässigen Eingriff in ihre grundgesetzlich verbürgte Berufs- und Vereinigungsfreiheit sowie einen Verstoß gegen die Grundfreiheiten des AEUV. Erst recht diskriminiere sie die Heranziehung zu Kammerbeiträgen, vor allem der Umstand, dass eine Befreiung, anders als bei nicht im Handels- oder Genossenschaftsregister eingetragenen IHK-Zugehörigen, deren Gewerbeertrag oder Gewinn aus Gewerbebetrieb 5.200 € nicht übersteige, nicht in Betracht käme. Auch die Privilegierung als Existenzgründer werde ihr aus denselben Gründen versagt.

      Wie ist die Rechtslage? Europäisches Sekundärrecht ist nicht zu prüfen.

       Aufgabe 2:

      Größer wird die Überraschung als L in den pfälzischen Tageszeitungen, auf Plakaten und in bundesweit ausgestrahlten Fernsehspots eine groß angelegte Kampagne der IHK Pfalz bemerkt, in der unter dem Motto „Buy Pälzisch!“ dazu aufgerufen wird, zur Stärkung der heimischen Wirtschaft nur noch regionale Produkte mit spezifischem Bezug zur Pfalz zu kaufen. L befürchtet, dass der Umsatz ihrer zwar in der Region produzierten, aber eben nicht typisch regionalen Weingummis dadurch weiter zurückgeht. Erst recht hat sie keine Lust, diese Kampagne auch noch mit den Kammerbeiträgen zu finanzieren.