Kyrill-Alexander Schwarz

Aufenthalts- und Asylrecht


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auf folgendes Problem hingewiesen: wendet der Drittstaat seinerseits Drittstaatsklauseln an, so kann es zu einer Kettenabschiebung kommen.[24] Da Sinn und Zweck der Asylnormen insgesamt die Schutzgewährung des Flüchtenden vor seinem Verfolger ist, muss eine solche Kettenabschiebung mit dem Resultat, dass der Flüchtende am Ende in eben diesem, seinem Herkunftsstaat landet, vermieden werden. Fraglich ist dabei aber, welche Anstrengungen die deutschen Behörden zu unternehmen haben, um eine solche Abschiebung zu vermeiden. Das BVerfG hat hierzu geurteilt, dass es nur darauf ankäme, dass im Viertstaat eine weitere Abschiebung faktisch unterbleibt.[25] In der Literatur wird dieser Maßstab teilweise als nicht ausreichend angesehen und zusätzlich eine rechtliche Verpflichtung des Viertstaates, eine Abschiebung in den Herkunftsstaat zu unterlassen, gefordert.[26]

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      Die Einreise eines Ausländers muss, um asylerheblich zu sein, dem Schutz vor Verfolgung dienen. Dieser kann auf Grund von Art. 16a Abs. 2 GG bereits auf Grund der Einreise über einen sicheren Drittstaat entfallen. Wie bereits erwähnt, kommt es hierfür auch nicht auf eine Stellung des Asylantrags an. Von einer Einreise kann allerdings nur dann die Rede sein, wenn der Ausländer auch das Gebiet der Bundesrepublik erreicht. Darüber hinaus ist zusätzlich zu fordern, dass für den Ausländer die Möglichkeit bestand, bei den zuständigen Behörden einen Asylantrag zu stellen. Dies ist typischerweise nicht der Fall bei Durchreiseverkehr mit Zug, Flugzeug oder LKW. Allerdings darf der Schutzsuchende auch nicht an der Unmöglichkeit der Asylantragstellung mitverantwortlich sein.

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      Zudem ist für die Einreise der Fluchtweg des Schutzsuchenden relevant. In der Praxis ist es häufig der Fall, dass der Fluchtweg nicht nachvollziehbar bzw. beweisbar ist, sodass die Bestimmung eines evtl. durchreisten Drittstaats häufig unmöglich ist und in der Konsequenz auf dessen Bestimmung verzichtet wird. Es kommt in diesen Fällen lediglich darauf an, dass nicht irgendein Drittstaat während der Flucht in die Bundesrepublik betreten wurde, der die Voraussetzungen des Art. 16a Abs. 2 GG erfüllt. Die Beweislast für eine entsprechende Einreise liegt, auf Grund der gesetzlichen Vermutung, beim Schutzsuchenden.

      Beispiel

      Ein Flüchtling aus dem Mittelmeerraum, der in Deutschland Asyl beantragt, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit über Griechenland, Italien oder aber zumindest Österreich nach Deutschland eingereist sein. Eine tatsächliche Klärung dieser Frage bedarf es insoweit nicht. Allerdings ist diese Vermutung nicht zwingend, weswegen der Flüchtling beispielsweise den Beweis antreten könnte, über die Nordsee direkt nach Deutschland gekommen zu sein.

      Hinweis

      Auf Grund der geografischen Lage werden die Flüchtenden, die in Deutschland ankommen, in der Regel durch einen anderen EU-Staat eingereist sein, der nach Art. 16a Abs. 2 S. 1 Alt. 1 GG als sicherer Drittstaat gilt. Anwendungsfälle verbleiben aber für die Einreise über den See- oder Luftweg.

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      Als sicherer Herkunftsstaat können nur solche Staaten gelten, in denen weder politische Verfolgung (Parallele zu Abs. 1) noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung (Parallele zu Art. 3 EMRK) stattfinden.

      Demnach dürfen im Herkunftsstaat keine asylrelevanten Verfolgungsmaßnahmen vorherrschen. Ob ein Staat diese Voraussetzungen erfüllt, muss aus der dortigen Rechtslage, der Rechtsanwendung und den allgemeinen politischen Verhältnissen geschlossen werden.

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      Die Herkunftsstaatenregelung aus Abs. 3 ist eng mit dem nachfolgenden Abs. 4 des Art. 16a GG verbunden. Beide zusammen haben insbesondere verfahrensrechtliche Bedeutung. So wird ein Asylantrag eines Ausländers aus einem sicheren Herkunftsstaat als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden. Dies entspricht faktisch einer Verkürzung des Verfahrens bzw. des Bleiberechts. Da es sich allerdings um eine widerlegbare Vermutung handelt, kann der Ausländer, der grundsätzlich die Darlegungslast trägt, geltend machen, dennoch einer Verfolgung unterworfen zu sein.

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      JURIQ-Klausurtipp

      Während also die Drittstaatenregelung an den Weg der Einreise und die Durchquerung anderer, als sicher eingestufter Drittstaaten anknüpft, bezieht sich die Herkunftsstaatenregelung auf die Situation im Land, aus dem der Ausländer ursprünglich losgezogen ist.

      Hinweis

      Beide Regelungen (Dritt- und Herkunftsstaatenregelung) dienen damit offensichtlich der Vereinfachung des Asylverfahrens für die zuständigen Behörden und einer Regulierung der Zuwanderung unmittelbar durch den Gesetzgeber. Personen, die aus entsprechenden Ländern einreisen, können bereits an der Grenze abgewiesen werden und durchlaufen ein verkürztes Asylverfahren.

      3. Teil Das materielle AsylrechtB. Asylrecht für politisch Verfolgte › V. Ungeschriebene Einschränkungen

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      Neben den gesetzlich normierten verfassungsimmanenten Einschränkungen existieren auch ungeschriebene Einschränkungen. Hierbei handelt es sich insbesondere um die sogenannte inländische bzw. ausländische Fluchtalternative. Aber auch die bereits kurz erwähnten Nachfluchtgründe können das Recht auf Asyl beschränken.

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      Kann der verfolgte Ausländer Schutz im Herkunftsland finden, hat er grundsätzlich keinen Asylanspruch. Diese Konstellation kommt vor allem (aber nicht ausschließlich) bei Verfolgung durch nichtstaatliche Verfolger in Betracht und folgt letztlich aus der Schutzfunktion, die