Mike Wienbracke

Allgemeines Verwaltungsrecht


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sei, da es sich um einen (wirksamen) privatrechtlichen Vertrag handele. Ist diese Auffassung zutreffend?

      Nein. Die Nebenabrede in dem zwischen A und L geschlossenen Arbeitsvertrag ist insgesamt dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Zwar enthält sie mehrere Gegenstände. Doch ist deren zentraler Punkt, nämlich die Verpflichtung von L, den A später als Beamten einzustellen, als maßgeblicher Vertragsgegenstand dem Beamtenrecht zuzuordnen. Das durch den Gesamtvertrag begründete Arbeitsverhältnis sollte diesem dem öffentlichen Recht zugeordneten Statusverhältnis nur vorläufig vorausgehen. Zwar hat die Zusicherung einer Anwartschaft auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften nicht als solche öffentlich-rechtlichen Charakter, sondern gestaltet ausschließlich das Arbeitsverhältnis, auf das sie bezogen ist, und hat Konsequenzen im Hinblick auf die Beitragspflicht zur Rentenversicherung. Die von den Parteien getroffene Abrede hat aber auch insoweit keine selbstständige Bedeutung, sondern ist ebenfalls dem Ziel untergeordnet, später ein Beamtenverhältnis zu begründen. Ohne eine dahingehende verbindliche Zusage wäre die Verpflichtung nicht eingegangen worden, eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen zu gewährleisten. Dass die Nebenabrede Teil eines – im Übrigen privatrechtlichen – Arbeitsvertrags ist, hindert nicht ihre Einordnung als öffentlich-rechtlich. Streitigkeiten über den Inhalt und die Wirksamkeit einzelner Klauseln im Hinblick auf die Gegenstände additiver Verträge können verschiedenen Rechtsgebieten – und damit letztlich auch verschiedenen Rechtswegen – zugewiesen sein. Der von den Parteien des vorliegenden Verfahrens geschlossene Vertrag, mit dem ein Arbeitsverhältnis begründet und ausgeformt werden sollte, gebietet nicht eine einheitliche rechtliche Beurteilung entweder durch die Arbeitsgerichte oder durch die Verwaltungsgerichte. Die Nebenabrede enthält nämlich einen selbstständigen Regelungskomplex, der nicht in einem unmittelbaren Gegenseitigkeitsverhältnis mit den übrigen Vertragsteilen steht und der deshalb einer isolierten rechtlichen Betrachtung zugänglich ist. Die Bestimmung ist als „Nebenabrede“ bezeichnet, woraus sich bereits der Wille zu einer gegenüber dem übrigen Vertragsinhalt eigenständigen Bestimmung ergibt. Der Klausel, dass die Nebenabrede „nicht gesondert gekündigt werden“ kann, hätte es nicht bedurft, wenn dieser Vertragsteil ohnehin mit dem weiteren Vertragswerk eng verknüpft wäre. Schließlich löst sich die Nebenabrede ihrem Inhalt nach von dem übrigen Vertragsteil, da die Berufung in das Beamtenverhältnis von dem Vorliegen der beamtenrechtlichen Voraussetzungen abhängig gemacht wird. Die nur unter dieser Bedingung zugesicherte Berufung in das Beamtenverhältnis berührt nicht die Wirksamkeit der weiteren vertraglichen Absprachen und steht hierzu auch nicht in einem unlösbaren Zusammenhang.

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      Wie sich aus §§ 1 Abs. 1, 9 VwVfG ergibt, unterfallen abweichend vom zu weitgehenden Wortlaut des § 54 S. 1 VwVfG nicht sämtliche öffentlich-rechtlichen Verträge dem unmittelbaren Anwendungsbereich der §§ 54 bis 62 VwVfG, sondern nur solche, die von einer Behörde im Bereich des Verwaltungsrechts abgeschlossen werden (Verwaltungsverträge; vgl. auch Rn. 45). Sonstige öffentlich-rechtliche Verträge wie beispielsweise solche völkerrechtlicher Natur gem. Art. 32, 59 GG oder Staatsverträge – etwa zwischen Bund und Ländern – gehören ebenso wie kirchenrechtliche Verträge nicht hierzu. Zudem sind die Bereichsausnahmen nach § 2 Abs. 2 und 3 VwVfG zu beachten (Rn. 157).

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      Der Inhalt der von der Behörde und dem Bürger im Verwaltungsvertrag getroffenen Regelung ist im Wege der Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB i.V.m. § 62 S. 2 VwVfG zu ermitteln (siehe das Beispiel in Rn. 106). Diese kann insbesondere ergeben, dass sich die Behörde im Vertrag dazu verpflichtet hat, gegenüber dem Bürger zu einem späteren Zeitpunkt eine Leistung (z.B. Vornahme eines Realakts, Erlass eines Verwaltungsakts) erst noch zu erbringen. Derartige Verpflichtungsverträge bewirken selbst noch keine Rechtsänderung, sondern begründen nur einen entsprechenden (relativen) Anspruch des jeweiligen Vertragspartners hierauf. Anders dagegen, wenn die Auslegung ergeben sollte, dass die Behörde bereits unmittelbar im Vertrag selbst eine Rechtshandlung vorgenommen (z.B. Erteilung einer Baugenehmigung) und dadurch die Rechtslage sofort entsprechend (absolut) verändert hat, sog. Verfügungsvertrag.

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      Demgegenüber ist der handlungsformunabhängig geltende Grundsatz vom Vorrang des Gesetzes (Rn. 18 ff.) seitens der Behörde ebenfalls im Fall der Regelung eines Rechtsverhältnisses durch Verwaltungsvertrag zu beachten. Auch insoweit darf die Behörde nicht gegen die Rechtsordnung verstoßen. Dies kommt nicht nur in den §§ 54 ff. VwVfG zum Ausdruck, die bestimmte formelle (Rn. 103 ff.) und materielle (Rn. 107 ff.) Anforderungen an den Verwaltungsvertrag stellen, sondern ebenfalls bereits im Hinblick auf die Handlungsform „Verwaltungsvertrag“ als solche, siehe § 54 S. 1 VwVfG a.E.: Die Behörde kann ein Rechtsverhältnis nur insoweit durch Verwaltungsvertrag regeln, als „Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen“. Ein derartiges Vertragsformverbot, das der Behörde ohne Rücksicht auf den Inhalt allein schon aufgrund der vertraglichen Handlungsform die Vornahme einer Regelung verbietet, kann sich nicht nur ausdrücklich (z.B. § 1 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB, § 2 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG; vgl. auch § 8 Abs. 2 BeamtStG), sondern auch aus dem Sinn und Zweck einer Vorschrift ergeben.

      Beispiel

      a) Zuständigkeit

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