Mike Wienbracke

Allgemeines Verwaltungsrecht


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namentlich die Auflage zu der im Verwaltungsakt ausgesprochenen Hauptregelung hinzutritt (z.B. Baugenehmigung mit dem Zusatz, an der Außentreppe ein Geländer anzubringen; Rn. 77 und Rn. 80), legen Inhaltsbestimmungen erst den Gegenstand und die Grenzen eines Verwaltungsakts, d.h. den Inhalt seiner „Regelung“ i.S.v. § 35 S. 1 VwVfG, fest (Rn. 54 ff.; z.B. Ausnahmeerlaubnis gem. § 46 StVO zum Parken auf gekennzeichneten Bewohnerparkplätzen im Bereich Altschwabing). Zu Letzteren zählt richtigerweise auch die erstmalig von Weyreuther[181] sog. modifizierende Auflage, die entgegen ihrer (Falsch-)Bezeichnung als „Auflage“ keine Nebenbestimmung i.S.v. § 36 VwVfG ist. Bei dieser erhält der Bürger nicht das, was er beantragt hat – und das, was er erhält, hat er nicht beantragt (aliud; z.B. Genehmigung eines Wohnhauses mit Flach- anstatt des beantragten Satteldachs). Macht der Bürger von der eingeschränkten bzw. veränderten Genehmigung gleichwohl Gebrauch, so liegt hierin die konkludente nachträgliche Stellung des etwaig erforderlichen Antrags, vgl. § 45 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG (Rn. 197). Andernfalls muss er eine Verpflichtungsklage auf Erteilung einer uneingeschränkten Genehmigung erheben.[182]

      Hinweis

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      Die Differenzierung zwischen einer Inhaltsbestimmung (inkl. der modifizierenden Auflage) einerseits und der Auflage andererseits hat auch praktisch erhebliche Bedeutung: Hält sich der Adressat eines Verwaltungsakts, dessen Inhalt im Vergleich zum gestellten Antrag eingeschränkt oder verändert ist, nicht an diese Inhaltsbestimmung, so handelt er ohne Erlaubnis und damit rechtswidrig. Verstößt er dagegen „nur“ gegen eine Auflage zum antragsgemäß erteilten Verwaltungsakt, so handelt der Betroffene aufgrund der im Verwaltungsakt enthaltenen Sachregelung nicht ohne Erlaubnis. Vielmehr kann die in der Auflage enthaltene weitere Sachregelung von der Behörde nur im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchgesetzt werden (Auflage als Grundverwaltungsakt) bzw. kann die Behörde den Hauptverwaltungsakt (die Genehmigung) unter den Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VwVfG widerrufen (Rn. 89).

      Das Gewerbeaufsichtsamt hat Fabrikant F eine Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Ölfeuerungsanlage erteilt „mit der Maßgabe, dass bei Ölfeuerungsbetrieb mit schwerem Heizöl nur Heizöl S mit einem Schwefelgehalt von höchstens 1 % verfeuert werden darf“. F möchte wissen, wie es rechtlich zu bewerten ist, wenn er die Anlage entgegen dieser Maßgabe nicht mit schwefelarmem Heizöl betreiben würde.

      Die behördliche Maßgabe, welche bei Ölfeuerungsbetrieb mit schwerem Heizöl nur die Verwendung von Heizöl S mit einem Schwefelgehalt von höchstens 1 % gestattet, ist keine Auflage. Sie kennzeichnet vielmehr den Umfang der dem F erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. F ist nicht schlechthin, sondern nur für den Fall der Verwendung von schwefelarmem Heizöl gestattet worden, eine Ölfeuerungsanlage zu betreiben. Verwendet er anderes Öl, so verstößt er nicht gegen eine Auflage, sondern betreibt die Anlage ungenehmigt.

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      Die Abgrenzung der Inhaltsbestimmung von der Nebenbestimmung erfolgt – ebenso wie die Abgrenzung der verschiedenen Arten von Nebenbestimmungen untereinander – im Wege der Auslegung (vgl. Rn. 90). Eine Inhaltsbestimmung liegt regelmäßig dann vor, wenn bestimmte typische Rechtsfolgen, die mit dem Verwaltungsakt normalerweise (nach dem Gesetz) verbunden sind, entweder vollständig ausgeschlossen oder aber inhaltlich modifiziert werden.

      Autofahrer A besitzt noch einen Führerschein der Klasse 4 mit folgendem Eintrag: „Wegen Erblindung des linken Auges ist beim Führen von Fahrzeugen mit offenem Führersitz eine Schutzbrille zu tragen.“ Als Halter eines Leichtkraftrads war A bei der V-Versicherungs AG gegen Haftpflicht versichert. Nachdem A, der ohne Schutzbrille fuhr, mit einem von rechts kommenden, vorfahrtberechtigten Mopedfahrer zusammengestoßen war, verstarb Letzterer noch an der Unfallstelle. V lehnte es daraufhin ab, dem A Versicherungsschutz zu gewähren, weil er bei der Unfallfahrt keine Schutzbrille getragen und damit bei Eintritt des Versicherungsfalls nicht die vorgeschriebene Fahrerlaubnis gehabt habe. Vor dem zuständigen Landgericht begehrt A nunmehr, die Deckungspflicht von V festzustellen. Hat A in der Sache Recht?

      Hinweis: Nach § 2 Nr. 2 lit. c) der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB), die dem Versicherungsverhältnis zwischen A und V zugrunde liegen, ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Fahrer des Fahrzeugs bei Eintritt des Versicherungsfalls nicht die vorgeschriebene Fahrerlaubnis hat.

      Ja. Der in § 2 Nr. 2 lit. c) AVB verwendete Ausdruck „Fahrerlaubnis“ ist ein in § 2 StVG genau festgelegter Rechtsbegriff und bedeutet die auf Grund des Straßenverkehrsgesetzes erteilte behördliche Ermächtigung zum Führen eines Kraftfahrzeugs der in Frage kommenden Art. Art und Inhalt der Fahrerlaubnis ergeben sich aus der darüber ausgestellten amtlichen Bescheinigung, dem Führerschein. Wäre die Verpflichtung des A, beim Fahren eine Schutzbrille zu tragen, eine echte Bedingung im Rechtssinn, so hinge die Rechtswirksamkeit der ihm erteilten Fahrerlaubnis von seinem künftigen ungewissen Verhalten ab. Je nachdem, ob er mit oder ohne Brille fährt, würde er das eine Mal mit, das andere Mal ohne Fahrerlaubnis fahren und sich im letzteren Fall eines Vergehens nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG schuldig machen. Ist die besagte Verpflichtung hingegen als eine Auflage, als eine zur Fahrerlaubnis selbstständig hinzuzutretende und davon unabhängig erzwingbare Anordnung anzusehen, so lässt eine Zuwiderhandlung die Rechtswirksamkeit und den Bestand der Fahrerlaubnis unberührt. Es liegt dann nur eine Ordnungswidrigkeit nach § 24 StVG vor. Vor diesem Hintergrund ist das im Führerschein eingetragene Gebot zum Tragen einer Brille nicht als Bedingung, sondern als Auflage zu qualifizieren. Als Dauererlaubnis soll die Fahrerlaubnis klare Verhältnisse schaffen. Ihre Rechtswirksamkeit und ihr Fortbestand kann nicht von dem ungewissen künftigen Verhalten des Fahrers dergestalt abhängen, dass die Fahrerlaubnis bei vorschriftswidrigem Verhalten erlischt, aber sofort wieder auflebt, sobald der Fahrer sich vorschriftsmäßig verhält. Von einem Fahrer, der unter Missachtung der in seinem Führerschein stehenden Anordnung beim Fahren keine Brille getragen hat, kann man nicht sagen, er sei ohne Fahrerlaubnis gefahren. Sein Verhalten ist vielmehr dahin zu beurteilen, dass er zwar die vorgeschriebene Fahrerlaubnis besessen, aber die Verpflichtung zum Tragen einer Brille nicht erfüllt hat. Diese differenzierte Beurteilung ist nur bei Annahme einer Auflage möglich, weil ein Verstoß gegen diese den Bestand der Fahrerlaubnis nicht beeinträchtigt. Dies ist auch sachlich gerechtfertigt, weil die Verletzung einer Auflage in der Regel nicht so schwer wiegt wie ein Fahren ohne Führerschein. A hat danach bei Eintritt des Versicherungsfalls die vorgeschriebene Fahrerlaubnis gehabt. Er ist zwar der Auflage, beim Fahren eine Schutzbrille zu tragen, nicht nachgekommen. In diesem Verstoß gegen § 12 Abs. 2 S. 1 StVZO a.F. (vgl. nunmehr Ziff. 01.03 der Anlage 9 zu § 25 Abs. 3 FeV) liegt aber keine Verletzung der Führerscheinklausel des § 2 Nr. 2 lit. c) AVB, da diese allein auf das Vorhandensein der Fahrerlaubnis abstellt.

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      3. Teil Handlungsformen der VerwaltungB. Handlungsformen der Verwaltung auf dem Gebiet