Achim Bönninghaus

Schuldrecht Besonderer Teil I


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verpackt wurde und deshalb Transportschäden entstehen. Die ordnungsgemäße Verpackung gehört schließlich noch zum Pflichtenkreis des Verkäufers.[42]

      ff) Beschränkung auf Transportgefahr?

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      Beispiel 1

      Wird die verkaufte und vom Verkäufer zum Versand gebrachte Sache auf dem Transportweg vom Zoll wegen Verletzung gewerblicher Schutzrechte („Produktpiraterie“) beschlagnahmt und vernichtet, verwirklicht sich keine Transportgefahr, sondern ein (Rechts-)Mangel der Sache.

      Beispiel 2

      V verkauft dem K Blumen, die er dem K schicken soll. Da V diese nicht ausreichend bewässert hat, gehen diese auf dem Transport ein. Die Tatsache mangelnder Bewässerung hat mit dem Transport aber nichts zu tun.

      Der Streit kann regelmäßig dahingestellt bleiben. In den Beispielen wird das deutlich: Die Beschlagnahme im Beispiel 1 erfolgt ja nicht aus „heiterem Himmel“, sondern weil der Sache bereits bei Übergabe an den Transporteur ein Rechtsmangel anhaftet. Bei Unbehebbarkeit dieses Mangels gilt ohnehin § 326 Abs. 1 S. 2, so dass es auf § 447 nicht ankommt. Im Beispiel 2 hat der Verkäufer den Untergang zu vertreten, so dass schon kein „zufälliger“ Untergang i.S.d. § 447 gegeben ist.

      aa) Problemstellung

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      Aufgrund der eben unter Rn. 108 ff. vorgestellten Preisgefahrregeln nach §§ 446, 447 kann es dazu kommen, dass der Käufer zur Kaufpreiszahlung verpflichtet bleibt, ohne seinerseits Eigentum und Besitz an der verkauften, aber aus Gründen des § 275 nicht lieferbaren Sache zu erhalten.

      Da diese Regeln nur „bei Zufall“ greifen, also dann, wenn weder der Verkäufer noch der Käufer den Grund für die Leistungsbefreiung nach § 275 zu vertreten haben, ist entweder ein Dritter „schuld“ oder es hat sich ein allgemeines Lebensrisiko, etwa in Form einer Naturkatastrophe verwirklicht.

      Ist ein Dritter für den Leistungsausfall verantwortlich, steht dem Verkäufer regelmäßig dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung des noch dem Verkäufer verbliebenen Eigentums an der verkauften Sache zu.

      JURIQ-Klausurtipp

      Der Anspruch aus § 285 sollte immer dann auf der Einredeebene über § 273 Abs. 1 erörtert werden, wenn der Sachverhalt Anhaltspunkte für eine Erhebung dieser Einrede bietet. Ist dies nicht der Fall und allgemein nach „der Rechtslage“ oder zusätzlich nach „eventuellen Gegenansprüchen des Käufers“ gefragt, sollten Sie § 285 separat als eigenen Anspruch des Käufers gegen den Verkäufer erörtern.

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      Beispiel

      V verkauft dem Händler K ein Porzellanservice, das V dem K zusenden soll. Aus Unachtsamkeit des Transporteurs T geht das Service während des Transports irreparabel zu Bruch. Hier liegt infolge der Konkretisierung vollständige Gesamtunmöglichkeit vor. Dies ergibt sich daraus, dass das Service bei Gefahrübergang nach § 447 noch vollständig unbeschädigt war. Ist der T Frachtführer nach § 407 HGB oder selbstausführender Spediteur (vgl. §§ 453, 458 HGB), könnte V dem Grunde nach von T Schadensersatz aus §§ 425 ff. HGB – sonst ggf. aus §§ 280 ff. – und § 823 Abs. 1 bzw. § 831 von T beanspruchen. Wegen § 447 fehlt es aber bei V an einem ersatzfähigen Schaden, da V von K Zahlung des Kaufpreises verlangen kann.

      Achtung: Im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufs kommt § 447 grundsätzlich nicht zur Anwendung (siehe oben Rn. 114).

      Der Schädiger hätte also Glück gehabt und müsste weder dem Verkäufer noch dem Käufer Schadensersatz leisten. Der Verkäufer hat einen Schadensersatzanspruch ohne eigenen Schaden, der Käufer einen eigenen Schaden ohne Anspruch. Dieses Ergebnis bedarf der Korrektur.

      bb) Lösung über sog. „Drittschadensliquidation“

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      Die h.M korrigiert das Ergebnis mit Hilfe der sog. „Drittschadensliquidation“: Der Gläubiger darf mit Hilfe seines Schadensersatzanspruches ausnahmsweise den Schaden eines Dritten ersetzt verlangen: Ein fremder Schaden wird „zur Anspruchsgrundlage gezogen“ und begründet so einen Anspruch auf Ersatz dieses (Fremd-) Schadens. Der tatsächlich Geschädigte kann Abtretung des so gewonnenen Anspruchs bzw. Herausgabe der auf seinen Schaden entfallenden Ersatzleistung über § 285 verlangen.

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