Achim Bönninghaus

Schuldrecht Besonderer Teil I


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privaten – dann Verbraucherhandeln – oder überwiegend dem gewerblich-beruflichen Bereich – dann Unternehmertum – zuzuordnen ist. Rechtsgeschäfte im Zuge einer Existenzgründung, wie hier der Erwerb eines Kommentarwerkes, steht dem unternehmerischen Handeln i.S.d. § 14 nahe. Dieses Ergebnis entspricht auch der Ratio der Verbraucherschutzregeln. Es besteht kein Anlass, demjenigen Verbraucherschutz zu gewähren, der sich für eine bestimmte gewerbliche oder selbstständige berufliche Tätigkeit entschieden hat und dementsprechend vorbereitende oder unmittelbar eröffnende Geschäfte abschließt. Denn er begibt sich damit in den unternehmerischen Geschäftsverkehr.[67] Außerdem bestimmt § 513, dass die Vorschriften über Verbraucherdarlehen auch für entsprechende Geschäfte zum Zwecke der Aufnahme einer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit gelten. Damit werden die Existenzgründer in dieser Beziehung und innerhalb dieser Begrenzung Verbrauchern gleichgestellt. Daraus ergibt sich aber im Umkehrschluss, dass der Gesetzgeber den Existenzgründer grundsätzlich nicht als Verbraucher ansieht. Andernfalls wäre die Vorschrift des § 513 obsolet.[68]

      Im Ergebnis ist deshalb der Abschluss eines Kaufvertrages zwischen einer Unternehmerin und einem Existenzgründer kein Verbrauchsgüterkauf i.S.d. § 474 Abs. 1 S. 1. Die Vorschrift des § 447 ist deshalb nicht nach § 475 Abs. 2 ausgeschlossen.

      cc) Zufälliger Untergang

      Schließlich setzt § 447 voraus, dass der Verlust der versendeten Ware zufällig eingetreten ist. Zufällig i.S.d. § 447 ist der Schadenseintritt dann, wenn der Verkäufer ihn nicht zu vertreten hat.

      2. Zwischenergebnis

      Der Kaufpreisanspruch der L ist wegen des Verlustes des einen Teilbandes auf dem Transport und der damit verbundenen Unmöglichkeit somit weder ganz noch teilweise entfallen. Sonstige Einwendungen gegen den Bestand des Anspruchs sind nicht ersichtlich.

      III. Durchsetzbarkeit

      1. Fälligkeit

      Der Anspruch ist durchsetzbar, wenn er fällig ist und ihm keine Einreden entgegenstehen. Die Fälligkeit folgt hier aus § 271 Abs. 1 und liegt vor.

      2. Einreden

      Demgegenüber kann K sich nicht auf die Einrede des § 320 berufen, da L ihre Leistungen erbracht hat, soweit sie noch dazu verpflichtet ist. Von der Lieferung eines weiteren Teilbandes ist sie nach § 275 Abs. 1 befreit.

      Möglicherweise steht dem K aber gegenüber L ein auf Abtretung von Schadensersatzansprüchen der L gegen B gerichteter Anspruch zu, der ihn zur Zurückbehaltung nach § 273 Abs. 1 berechtigt. Ein solches Zurückbehaltungsrecht hatte K hier geltend gemacht.

      Dem K könnte gegen die L ein Anspruch auf Abtretung eines als Surrogat erlangten Schadensersatzanspruches gegen B aus §§ 275 Abs. 4, 285 Abs. 1 zustehen.

      a) Schadensersatzanspruch der L gegen B

      Ein solcher Anspruch setzt zunächst voraus, dass der L ein Schadensersatzanspruch wegen des Verlustes des ausstehenden Teilbandes gegen B zusteht. Dieser könnte sich hier aus § 425 Abs. 1 HGB ergeben.

      aa) Frachtvertrag gemäß § 407 HGB

      Der Anspruch aus § 425 Abs. 1 HGB setzt zunächst einen wirksamen Frachtvertrag i.S.d. § 407 HGB zwischen L und B voraus. B ist als GmbH nach § 13 Abs. 1 GmbHG rechtsfähig und kann daher als Trägerin eigener Rechte und Pflichten Vertragspartnerin sein.

      Indem die im Transportgewerbe tätige B mit der Versendung der acht Teilbände des von K gekauften „Kölner Kommentar zum BGB“ beauftragt wurde, ist sowohl der persönliche als auch der sachliche Anwendungsbereich gemäß § 407 Abs. 3 Nr. 1 und 2, S. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 HGB, § 13 Abs. 3 GmbHG eröffnet.

      bb) Frachtgutschaden bis zur Ablieferung

      Ferner müsste im Stadium der Entgegennahme bis Ablieferung ein Schaden am Frachtgut entstanden sein. Der im vorliegenden Fall eingetretene Verlust eines Teils des Frachtguts ist in § 425 HGB ausdrücklich als mögliche Schadensform genannt. Ein schädigendes Ereignis i.S.d. § 425 Abs. 1 HGB liegt somit vor. Etwas anderes folgt auch nicht aus § 438 Abs. 1 HGB. Zwar lässt sich eine bei Ablieferung erfolgte Schadensanzeige gegenüber B dem Sachverhalt nicht entnehmen. Jedoch stellt § 438 Abs. 1 S. 1 HGB nur eine Vermutung einer vertragsgemäßen Ablieferung auf, welche nach dem unstreitigen Sachverhalt widerlegt ist.

      cc) Haftungsausschlüsse

      Umstände, die eine Haftung der B nach den §§ 425 Abs. 2, 426, 427, 428 HGB entfallen lassen, sind nicht ersichtlich.

      dd) Ersatzfähiger Schaden

      Zur Bestimmung des Anspruchsinhalts und -umfangs ist zunächst der ersatzfähige Schaden festzustellen. Dies bestimmt sich anhand der von § 249 Abs. 1 vorausgesetzten Differenzhypothese. Zu fragen ist danach, wie L ohne haftungsbegründendes Ereignis im Vergleich zur realen Lage stehen würde, also wenn B den Frachtvertrag ordnungsgemäß erfüllt hätte. In diesem Fall hätte B auch den letzten Teilband ordnungsgemäß an K ausgeliefert. Im Ergebnis hätte L dann ihre Verpflichtung aus dem Kaufvertrag gemäß § 433 Abs. 1 vollständig erfüllt und einen durchsetzbaren Kaufpreiszahlungsanspruch gegen den K erworben. Daran ändert sich jedoch bei Betrachtung der tatsächlichen Lage nichts. Zwar hat L ihre Verpflichtung aus dem Kaufvertrag nicht vollständig erfüllen können. Jedoch kann sie aufgrund der vorzeitigen Verlagerung der Preisgefahr gleichwohl ihren Kaufpreiszahlungsanspruch gegen K durchsetzen. Nach der Betrachtung dieser objektiven Güterlagen ist der L somit kein ersatzfähiger Schaden entstanden.

      ee) Normative Korrekturen

      Allerdings findet diese Betrachtung im Gesetz keine Stütze. Der Gesetzgeber hat sich für die Schadensberechnung nach der in § 249 Abs. 1 vorausgesetzten Differenzhypothese entschieden. Zwar sind normative Korrekturen der mithilfe der Differenzhypothese erzielten Ergebnisse dem Grunde nach anerkannt. Jedoch bedarf es dafür stets einer besonderen Rechtfertigung, um der Gefahr des Verlustes von Rechtssicherheit bei der Schadensberechnung vorzubeugen. Bei der Annahme einer normativen Korrektur ist deshalb stets Zurückhaltung geboten.

      Der Gesetzgeber hat dem