Achim Bönninghaus

Schuldrecht Besonderer Teil I


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rel="nofollow" href="#ulink_f9b38a2d-6270-5788-9887-0d738f4f2774">Rn. 84 erörtert, gilt beim Verbrauchsgüterkauf für die wechselseitigen Primäransprüche nach § 475 Abs. 1 Satz 1 eine Sonderregel: Die Fälligkeit des Zahlungsanspruches tritt im Zweifel „unverzüglich“ ein, also dann, sobald jede weitere Verzögerung schuldhaft wäre (vgl. § 121 Abs. 1). Da man „Geld zu haben hat“ und es keine unverschuldete Zahlungsunfähigkeit gibt[63], ist die Zahlung grundsätzlich sofort zu leisten. Es besteht hier also nur in besonderen Fällen ein wirklicher Unterschied zwischen der „sofortigen“ Fälligkeit des § 271 Abs. 1 und der „unverzüglichen“ Fälligkeit nach § 475 Abs. 1 Satz 1.

      Beispiel

      Der Kaufpreis soll überwiesen werden und die Bankverbindung des Verkäufers ist dem Käufer unbekannt.

      Die 30-Tagesfrist des § 475 Abs. 1 S. 2 gilt für die Kaufpreiszahlungspflicht des Verbrauchers nicht.

2. Einreden

      139

      Als Einredetatbestände kommen zunächst die Zurückbehaltungsrechte aus §§ 273, 320 und im Falle der Abtretung der Kaufpreisforderung auch aus § 410 Abs. 1 S. 1 in Betracht.

      140

      

      Spielt in Ihrem Fall eine Anwendung der Regeln über die Drittschadensliquidation eine Rolle, ist an das Zurückbehaltungsrecht aus § 273 Abs. 1 i.V.m. § 285 zu denken (siehe oben Rn. 126).

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      Auf der Ebene der Einreden ist schließlich noch an die Verjährungseinrede nach § 214 Abs. 1 zu denken. Beginn und Länge der Verjährungsfrist bestimmen sich nach den allgemeinen Regeln der §§ 195, 199.

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      1. Teil Der KaufvertragC. Der Anspruch auf den Kaufpreis (§ 433 Abs. 2) › IV. Übungsfall Nr. 2

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      „Lückenhafte Lieferung“

      Kai Kaiser (K) ist frisch als Anwalt zugelassen und baut gerade seine eigene Kanzlei in Berlin auf. Büroräume hat er schon gemietet, nun muss er sich um die Infrastruktur kümmern. Da er an dogmatischer Vertiefung interessiert und finanziell gut ausgestattet ist, will er sich die aktuelle Auflage des aus acht Teilbänden bestehenden „Kölner Kommentar zum BGB“ zulegen, der im Internetportal der „Look4Book“ AG (L) zu einem günstigen Gesamtpreis von 1200 € angeboten wird. Jeder einzelne Teilband ist dort in der aktuellen Auflage für jeweils 200 € erhältlich. L hat ihren Sitz in München und unterhält in verschiedenen Großstädten auch Buchläden, unter anderem in Berlin-Charlottenburg. Da dem K der Transport der acht Bände vom Laden in Charlottenburg in seine Kanzlei in Berlin-Friedrichshain zu unbequem ist, verzichtet er auf einen Besuch des Buchladens und bestellt das Gesamtwerk für 1200 € über das Shop-Portal der L im Internet.

      Da der Bestellwert 50 € überschreitet, übernimmt L vereinbarungsgemäß die Kosten des Versands. Seitens L wird die Bestellung per E-Mail an K umgehend bestätigt.

      Im Lager der L in München wählt ein Mitarbeiter der L die acht Teilbände des Kommentarwerks aus dem Lagerbestand aus, die bereits einzeln versandfertig verpackt sind. Alle acht Päckchen übergibt er ordnungsgemäß adressiert einem Mitarbeiter des von L beauftragten Transportunternehmens, der „Bayern Kurier GmbH“ (B).

      Am übernächsten Tag werden aber nur sieben Bände bei K angeliefert. Ausgerechnet der Band zum „Besonderen Schuldrecht“ fehlt, auf den K sich besonders gefreut hatte. Der Verbleib dieses Päckchens lässt sich nicht mehr aufklären.

      L verlangt den vollen Kaufpreis. K meint, er müsse den Kaufpreis allenfalls bei Lieferung auch des letzten Bandes bezahlen. Wenn er den Kaufpreis zahlen müsse, wolle er dafür zumindest im Gegenzug etwaige Ersatzansprüche der L gegen B bekommen.

      Kann L von K uneingeschränkt den vollen Kaufpreis verlangen?

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      Lösung

      Anspruch der L gegen K auf Zahlung von 1200 € aus Kaufvertrag gemäß § 433 Abs. 2

      Möglicherweise steht der L gegen K ein Anspruch auf Zahlung des Gesamtpreises für alle Bände, also auch für den nicht ausgelieferten Teilband, in Höhe von insgesamt 1200 € aus einem mit K geschlossenen Kaufvertrag gemäß § 433 Abs. 2 zu.

      I. Anspruchsentstehung

      1. Wirksamer Kaufvertrag zwischen L und K

      Der Anspruch setzt voraus, dass zwischen L und K ein wirksamer Kaufvertrag geschlossen wurde, der den K zur Zahlung von 1200 € verpflichtet. L ist als Aktiengesellschaft nach § 1 Abs. 1 S. 1 AktG rechtsfähig und kann daher als solche Partei eines Kaufvertrages sein.

      K gab über das Shop-Portal der L im Internet eine Erklärung ab, die darauf gerichtet war, die aktuelle Auflage des aus acht Teilbänden bestehenden „Kölner Kommentar zum BGB“ zu einem Gesamtpreis von 1200 € zu erwerben. Aus dem Sachverhalt ergibt sich weiter, dass diese Erklärung der L zugegangen und damit als empfangsbedürftiges, auf Abschluss eines Kaufvertrages gerichtetes Angebot gemäß § 130 Abs. 1 S. 1 wirksam geworden ist.

      Seitens der L wurde diese „Bestellung“ umgehend mit einer an K gerichteten E-Mail ohne inhaltliche Abweichungen i.S.d. § 150 Abs. 2 bestätigt und damit in jedem Fall innerhalb der nach § 147 Abs. 2 einzuhaltenden Frist angenommen.

      Mangels abweichender Anhaltspunkte im Sachverhalt ist davon auszugehen, dass L dabei wirksam vertreten wurde und keine schwebende Unwirksamkeit nach § 177 besteht.

      Einer besonderen Form bedurfte der Vertrag zu seiner Wirksamkeit nicht. Ein Schriftformerfordernis nach § 125 S. 1 i.V.m. § 510 Abs. 1 S. 1 kommt – unabhängig von einer Verbrauchereigenschaft des K – bereits deswegen nicht in Betracht, da das mehrbändige Kommentarwerk nicht in Raten, sondern komplett mit allen Bänden auf einmal geliefert werden sollte.

      2. Zwischenergebnis

      Somit