Bettina Heiderhoff

Zwangsvollstreckungsrecht


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gehörte: Der Gerichtsvollzieher hat – im Sinne der Formalisierung und Effizienz des Verfahrens – immer nur relativ einfache Tatbestände und Rechtsfragen zu prüfen bzw. zu beachten.

      cc) Die Klauselerinnerung nach § 732 ZPO (Rn. 167 ff) ist ein Rechtsbehelf aus dem Klauselverfahren. Sie ist in erster Linie dazu da, formale Fehler, die der Rechtspfleger/der Urkundsbeamte bei der Erteilung der Klausel gemacht hat, zu rügen. Der BGH steht auf dem Standpunkt, dass § 732 ZPO nicht statthaft ist, wenn der Schuldner vorträgt, dass der Titel rechtlich fehlerhaft sei und deshalb auf seiner Basis keine Klausel habe erteilt werden dürfen (Rn. 171 ff). Denn in der genauen Prüfung des Titels liege keine Pflicht des Rechtspflegers/Urkundsbeamten, so dass sich darauf auch keine Erinnerung stützen könne.

      dd) Einen ganz engen Anwendungsbereich hat die Klauselgegenklage nach § 768 ZPO (Rn. 154 ff). Diese Norm ist leicht zu prüfen, weil der Tatbestand klar formuliert ist. § 768 ZPO greift ein, wenn der Gläubiger sich eine qualifizierte Klausel hat erteilen lassen und der Schuldner meint, die Bedingung iSd. § 726 ZPO oder die Rechtsnachfolge iSd. § 727 ZPO sei nicht wirklich eingetreten.

      ee) Seit vielen Jahren ist schließlich die Titelgegenklage analog § 767 ZPO anerkannt (Rn. 258 ff). Sie wird gebraucht, wenn der Titel, auf den sich die Zwangsvollstreckung stützt, nichtig ist. Das könnte man zwar mit § 732 ZPO rügen, aber nur wenn die Nichtigkeit offen erkennbar war (Rn. 176 ff). § 732 ZPO allein bietet also keinen ausreichenden Rechtsschutz. Die Nichtigkeit des Titels kann daher, egal ob sie offen erkennbar ist oder nur aufgrund einer ausführlichen Rechtsprüfung festgestellt werden kann, mit einer Titelgegenklage gerügt werden, die der BGH auf eine analoge Anwendung des § 767 ZPO stützt.

      ff) Wenn gar kein Rechtsbehelf passt, aber der Schuldner trotzdem erheblich in seinen Rechten beeinträchtigt ist, gibt es den Auffangschutz durch § 765a ZPO (Rn. 50 ff).

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      Dritte können auf unterschiedliche Weise von einem Zwangsvollstreckungsverfahren betroffen sein. Am wichtigsten ist der Fall, dass der Gerichtsvollzieher eine schuldnerfremde Sache pfändet, also eine Sache, die nicht dem Schuldner, sondern einem Dritten gehört. Für den Eigentümer der Sache (genauer spricht man von dem berechtigten Dritten) besteht ein besonderer Rechtsbehelf, die Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO (Rn. 528 ff), mit der er die „Freigabe“ von Sachen bewirken kann, die der Gerichtsvollzieher (der die Eigentumslage nicht prüft, Rn. 305, 314) gepfändet hat. Bei der Drittwiderspruchsklage liegt das wesentliche Problem darin, die im Tatbestand von § 771 I ZPO genannten „die Veräußerung hindernden Rechte“ zu kennen.

      Bei der Forderungspfändung ist stets der Drittschuldner betroffen. Ihm steht vor allen Dingen die Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO zu (Rn. 484 ff), wenn das Vollstreckungsgericht beim Pfändungs- und Überweisungsbeschluss einen Fehler gemacht hat.

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      Die Abgrenzung der genannten Rechtsbehelfe ist nicht immer leicht zu verstehen.

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      Es ist ganz wichtig, präzise zu fragen, wogegen der Rechtsbehelfsführer sich genau wendet. Welcher ist der Schritt der Vollstreckung, den er für rechtswidrig hält und anfechten will?

      Wenn ein Schuldner (wie soeben beschrieben) die Klauselerteilung für rechtswidrig hält, kann er unterschiedliche Gründe dafür haben. (1) Es kann sein, dass er sie für rechtswidrig hält, weil kein Titel vorliegt. (2) Es kann aber auch sein, dass er sie für rechtswidrig hält, weil eine Bedingung für die Erteilung der Klausel (§ 726 ZPO) noch nicht eingetreten ist. (3) Oder er meint, eine materielle Einwendung gegen den Titel selbst zu haben, zum Beispiel hat er inzwischen aufgerechnet. (4) Schließlich kann er finden, dass eine unzuständige Person sie erteilt hat. Jedes Mal greift ein anderer Rechtsbehelf.

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      Manchmal kann ein Fehler auch so erheblich sein, dass der Schuldner an ganz vielen Stellen einhaken könnte.

      Das sei an dem wichtigsten Beispiel gezeigt: Wenn der Schuldner meint, es liege kein wirksamer Titel vor, dann kann er trotzdem noch die unterschiedlichsten Ziele haben.

      Will er, dass die Zwangsvollstreckung nach § 767 ZPO analog (Titelgegenklage) insgesamt eingestellt wird? Will er geltend machen, dass die Klausel zu Unrecht erteilt wurde, weil das Fehlen des Titels offen erkennbar war (Klauselerinnerung, § 732 ZPO)? Oder will er vorbringen, dass der Gerichtsvollzieher bei der Vollstreckung einen Fehler gemacht hat, weil er vollstreckt hat, obwohl er gar keinen Titel in den Händen hielt (Vollstreckungserinnerung, § 766 ZPO)?

      Ist die Fallfrage offen, können in der Falllösung alle möglicherweise passenden Rechtsbehelfe geprüft werden, und am Ende kann ein Rat dazu geäußert werden, was die günstigste Vorgehensweise ist.

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      In den einzelnen Kapiteln finden sich noch weitere Abgrenzungsprobleme, die meist den genauen Normtatbestand betreffen. Ein Beispiel dafür ist die Abgrenzung von §§ 771 und 805 ZPO. Auch §§ 767 und 323 ZPO müssen auseinander gehalten werden. Nicht ganz einfach ist die Abgrenzung von den §§ 732 und 767 ZPO analog (Titelgegenklage).

      § 1 Überblick › II. Zwangsvollstreckungsrecht als Prüfungsgegenstand

      § 1 Überblick › II. Zwangsvollstreckungsrecht als Prüfungsgegenstand › 1. Typische Anforderungen

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      In der zwangsvollstreckungsrechtlichen Pflichtfachklausur liegt der Schwerpunkt meist gar nicht, oder jedenfalls nicht allein, im Bereich des Vollstreckungsrechts. Vielmehr machen oft materiell-rechtliche Fragen, und zwar vor allem Fragen des allgemeinen Schuldrechts sowie des Sachenrechts, einen Großteil der Lösung aus. Erwartet wird von den Prüflingen, dass sie es schaffen, die materiell-rechtlichen und die zwangsvollstreckungsrechtlichen Fragen miteinander zu verknüpfen.

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      In der Schwerpunktklausur ist dies deutlich anders. Hier geht es darum, gerade die verfahrensrechtlichen Kenntnisse vertieft abzuprüfen. In vielen Bundesländern liegt die Schwerpunktprüfung zudem zeitlich deutlich vor der Staatsexamensprüfung. Den Prüfern ist meist klar, dass die Studierenden das materielle Recht, und insbesondere das Sachenrecht, noch nicht auf Staatsexamensniveau beherrschen. Dennoch sollte man hier nicht zu sehr auf Risiko setzen. Aufrechnung, Abtretung, Sicherungseigentum und Eigentumsvorbehalt