Bettina Heiderhoff

Zwangsvollstreckungsrecht


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      § 1 Überblick › II. Zwangsvollstreckungsrecht als Prüfungsgegenstand › 2. Klausurtechnik

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      Ganz gleich, ob man einen Rechtsbehelf prüfen (wie es im Pflichtfach üblich ist) oder die Voraussetzungen der Vollstreckung feststellen muss (wie es im Wahlfach vorkommen kann), wird der Aufgabensteller regelmäßig einen bestimmten Klausuraufbau erwarten, den jeder Prüfling kennen und bei der Klausurbearbeitung einhalten sollte. Als Hilfestellung liefert das vorliegende Werk zu allen Rechtsbehelfen Aufbauschemata, die alle diejenigen Prüfungspunkte benennen, die problematisch sein können und jedenfalls gedanklich geprüft werden sollten. Die erfolgreiche Klausurbearbeitung wird sich freilich dadurch auszeichnen, dass sie nicht jeden dieser potentiell problematischen Prüfungspunkte behandelt, sondern sich auf die tatsächlichen Probleme konzentriert und mit angemessener Schwerpunktsetzung löst. Ebenso wie in einer materiell-rechtlichen Klausur etwa das Zustandekommen des Vertrags nur dann näher auszuführen ist, wenn der Aufgabentext (z.B. wegen der Minderjährigkeit eines Beteiligten oder einer in fremdem Namen abgegebenen Willenserklärung) Anhaltspunkte für die Unwirksamkeit des Vertragsschlusses liefert, sind auch in einer zwangsvollstreckungsrechtlichen Klausur etwa die Fragen der Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs nur dann zu erörtern, wenn der Sachverhalt entsprechende Hinweise enthält. Ein schwerer Fehler liegt darin, die Zulässigkeitsvoraussetzungen anhand sämtlicher Punkte des Prüfungsschemas auch dann durchzuprüfen, wenn im Bereich der Zulässigkeit keine Probleme liegen und gar der Sachverhalt keinerlei Angaben mitteilt, die subsumiert werden könnten.

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      Im Zwangsvollstreckungsrecht reicht es im Grunde oft aus, nur die Statthaftigkeit zu prüfen. Eine weit verbreitete Praxis besteht darin, zusätzlich regelmäßig die Zuständigkeit des Gerichts und das Rechtsschutzbedürfnis kurz anzusprechen – selbst dann, wenn der Sachverhalt zu diesen Fragen nichts hergibt. Wenn der Sachverhalt gar keine Angaben (etwa zum Ort des Streits; zum Gericht, das entscheidet; zum Alter der Parteien; zur Vertretung durch einen Anwalt) enthält, kann die Zulässigkeitsprüfung mit wenigen Worten zusammengefasst und etwa wie folgt formuliert werden:

      „I. Zulässigkeit der Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO)

1. Statthaftigkeit: Nach § 767 ZPO ist eine Vollstreckungsabwehrklage statthaft, wenn der Schuldner Einwendungen gegen den titulierten Anspruch erhebt. Hier behauptet S, dass er mit einer Gegenforderung aufgerechnet habe. Da eine Aufrechnung nach § 389 BGB zum Erlöschen des Anspruchs führt, besteht darin eine Einwendung gegen den titulierten Anspruch. Hier ist also die Vollstreckungsabwehrklage statthaft.
2. Sonstige Zulässigkeitsvoraussetzungen: Am Vorliegen aller sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen bestehen hier keine Zweifel, da der Sachverhalt dazu keine Angaben enthält.“

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      Wenn im Sachverhalt Angaben enthalten sind, dann müssen diese in jedem Fall genutzt und im Gutachtenstil wenigstens knapp verarbeitet werden. Die Lösung klänge dann (für die Zuständigkeit) etwa wie folgt:

      „1. Zuständigkeit: Zuständig ist nach § 731 ZPO das Prozessgericht des ersten Rechtszugs. Hier hat S beim Landgericht Lindau Klage eingereicht. Dieses war laut Sachverhalt das Prozessgericht erster Instanz, so dass die Zuständigkeit zu bejahen ist.“

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      Manchmal gehört es zur Aufgabe, den Antrag zu formulieren oder wenigstens grob zu skizzieren. Wenn die Fragestellung offen ist („Was kann S beantragen?“), sollte man darauf achten, dass man den wesentlichen Punkt richtig trifft. Geht es darum, jede Zwangsvollstreckung aus dem Titel für unzulässig zu erklären (§ 767 ZPO), oder nur darum, eine bestimmte Vollstreckungsmaßnahme zu beenden (§ 766 ZPO)? Auch hierzu werden im Folgenden konkrete Formulierungsvorschläge geliefert.

      Anmerkungen

       [1]

      Weitere Ausnahmen sind z.B. §§ 229, 562b, 860 BGB.

       [2]

      Näher Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 6 Rn. 1.

       [3]

      Nach § 4 GvKostG ist der Gläubiger in der Regel zur Zahlung eines Vorschusses verpflichtet.

       [4]

      Eine grafische Übersicht zu den Arten der Zwangsvollstreckung, den möglichen Vollstreckungshandlungen und den jeweils zuständigen Organen gibt Muthorst, § 3 Rn. 4.

       [5]

      Die unterschiedlichen zwangsvollstreckungsrechtlichen Klausurtypen darstellend Kaiser/Kaiser/Kaiser, Rn. 3.

      Studienliteratur:

      Brehm, Zum Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO bei drohender zwangsvollstreckungsbedingter Sozialhilfebedürftigkeit des Schuldners, JZ 2005, 525; Fischer, Die unverhältnismäßige Zwangsvollstreckung, Rpfleger 2004, 599; Kaiser, Räumung und Vollstreckungsschutz bei Suizidgefahr, NJW 2011, 2412; Schreiber, Die Rechtsschutzmöglichkeiten des Vollstreckungsschuldners, Jura 2011, 110; Schuschke, Lebensschutz contra Eigentumsgarantie – Zu den Grenzen des § 765a ZPO in der Räumungsvollstreckung, NJW 2006, 874; Wißmann, Grundfälle zu Art. 13 GG, JuS 2007, 324.

      Inhaltsverzeichnis

       I. Verhältnis des Vollstreckungsverfahrens zu anderen Verfahren

       II. Verfahrensgrundsätze

       III. Verhältnis zum Verfassungsrecht

       IV. Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO

       V. Systematik der zwangsvollstreckungsrechtlichen Regelungen

       VI. Übersicht: Grundsätze des Vollstreckungsverfahrens

      § 2 Grundsätze des Vollstreckungsverfahrens › I. Verhältnis des Vollstreckungsverfahrens zu anderen Verfahren