ist eine entsprechende Aussage des Schuldners ernst zu nehmen, und notfalls eine gerichtliche Beweisaufnahme erforderlich[14]. Zu prüfen ist auch, ob Alternativen zur Einstellung der Zwangsvollstreckung bestehen, die von der Hinzuziehung eines Arztes bis zur privat- oder öffentlich-rechtlichen Unterbringung des Schuldners reichen können[15].
Zur Vertiefung BGH NJW 2008, 1678:
„Pfändet der Gläubiger den einer Mitschuldnerin und Ehefrau zustehenden Auszahlungsanspruch aus Girokontovertrag gegen einen Drittschuldner, können die Schuldner und Eheleute zwar nicht nach § 850k ZPO, jedoch unter den Voraussetzungen des § 765a ZPO Vollstreckungsschutz beanspruchen, soweit das Guthaben auf dem Girokonto aus der Überweisung von unpfändbarem Arbeitseinkommen des Ehemannes herrührt.“
BGH NJW 2009, 78:
„Im eröffneten Insolvenzverfahren kann dem Schuldner, der eine natürliche Person ist, bei Vollstreckungsmaßnahmen des Insolvenzverwalters nach § 148 II InsO auf Antrag Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO gewährt werden, jedenfalls soweit dies zur Erhaltung von Leben und Gesundheit des Schuldners erforderlich ist.“
BGH NJW 2009, 444:
„Die Zwangsverwaltung eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks ist unzulässig, wenn sie nur dazu dient, dem im Haus wohnenden Schuldner den Bezug von Sozialleistungen zu ermöglichen, damit er an den Zwangsverwalter ein Entgelt für die Nutzung der Räume entrichten kann, die ihm nicht nach § 149 I ZVG zu belassen sind.“
BVerfG NJW 2016, 3090:
„Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichtet die Vollstreckungsgerichte, bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 765a ZPO auch die Wertentscheidungen des Grundgesetzes und die dem Schuldner in der Zwangsvollstreckung gewährleisteten Grundrechte zu berücksichtigen. Eine unter Beachtung dieser Grundsätze vorgenommene Würdigung aller Umstände kann in besonders gelagerten Einzelfällen dazu führen, dass die Vollstreckung für einen längeren Zeitraum und – in absoluten Ausnahmefällen – auf unbestimmte Zeit einzustellen ist.“
Aufbau: Vollstreckungsschutzantrag ( § 765a ZPO )
I. | Zulässigkeit 1. Zuständigkeit: Vollstreckungsgericht, § 765a I 1 ZPO 2. Statthaft ist der Antrag gegen alle Maßnahmen irgendeines Vollstreckungsorgans. Es muss eine Rechtsverletzung der in der Norm genannten Art behauptet werden. Aber: Subsidiarität – der Antrag darf nicht auf Einwendungen gestützt werden, für die ein anderer Rechtsbehelf statthaft ist. 3. Antrag: (teilweise) Untersagung der Maßnahme, (einstweilige) Einstellung oder Aufhebung der Zwangsvollstreckung 4. Rechtsschutzbedürfnis: fehlt nur, wenn die Vollstreckung vollständig beendet ist |
II. | Begründetheit Der Antrag ist nur begründet, wenn die angegriffene Maßnahme aufgrund einer Interessenabwägung für den Schuldner eine besondere und sittenwidrige Härte bedeutet: „Untragbares Ergebnis“ (Grundrechte beachten!). |
§ 2 Grundsätze des Vollstreckungsverfahrens › V. Systematik der zwangsvollstreckungsrechtlichen Regelungen
V. Systematik der zwangsvollstreckungsrechtlichen Regelungen
§ 2 Grundsätze des Vollstreckungsverfahrens › V. Systematik der zwangsvollstreckungsrechtlichen Regelungen › 1. Aufbau des Gesetzes
1. Aufbau des Gesetzes
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Das Zwangsvollstreckungsrecht ist im Buch 8 der ZPO geregelt. Systematisch stehen am Anfang die allgemeinen Vollstreckungsvorschriften (1. Abschnitt), die für das gesamte Verfahren gelten.
Die Abschnitte 2 und 3 befassen sich mit den unterschiedlichen Vollstreckungsarten. Diese unterscheiden sich nach dem Inhalt des titulierten Anspruchs. Des Weiteren wird hinsichtlich des Zugriffsobjekts der Vollstreckung unterschieden (z.B. Titel 2 und 3 des 2. Abschnitts).
Im 5. Abschnitt sind (eher systemwidrig) die einstweilige Verfügung und der Arrest geregelt. Das ist deswegen systemwidrig, weil die Rechtsinstitute gerade nicht der Durchsetzung, sondern der bloßen Sicherung von privatrechtlichen Leistungsansprüchen dienen.
§ 2 Grundsätze des Vollstreckungsverfahrens › V. Systematik der zwangsvollstreckungsrechtlichen Regelungen › 2. Arten der Zwangsvollstreckung
2. Arten der Zwangsvollstreckung
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Von außerordentlicher Wichtigkeit ist es, sich zu verdeutlichen, dass das Zwangsvollstreckungsrecht zunächst danach differenziert, worauf der Titel gerichtet ist (vgl. Rn. 8 f). Der 2. Abschnitt (§§ 802a–882h ZPO) betrifft nur die Zwangsvollstreckung „wegen Geldforderungen“. Gemeint ist damit die Vollstreckung aus Titeln, die auf eine Geldzahlung gerichtet sind. Die Normen des 2. Abschnitts gelten deshalb nicht, wenn der Titel auf etwas anderes als auf eine Geldzahlung, etwa auf eine Unterlassung oder auf eine Herausgabe, gerichtet ist. Wird der Schuldner verurteilt, sein Bett an den Gläubiger herauszugeben, kann der Schuldner sich nicht auf § 811 Nr. 1 ZPO berufen, weil kein Titel auf Geldzahlung, sondern ein Titel auf Herausgabe einer Sache vorliegt (Rn. 654 ff). Innerhalb der Vollstreckung aus einer Geldforderung wird weiter unterschieden nach dem jeweiligen Vollstreckungsgegenstand. Den größten Erfolg verspricht die Pfändung und Verwertung einer Forderung, die der Vollstreckungsschuldner selbst gegen einen Dritten (Drittschuldner), etwa in Form einer Lohnforderung, hat (Rn. 356 ff).
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Im Gesetz – und in Klausuren – ist allerdings die Vollstreckung in bewegliche Sachen der Regelfall, obwohl bei dieser kaum größere Summen erbracht werden können. In der Praxis von großer Bedeutung, aber nur am Rande Prüfungsstoff, ist die Zwangsvollstreckung in unbewegliche Sachen. Hier ist die Kenntnis weniger Standardprobleme ausreichend.
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Im 3. Abschnitt (§§ 883–898 ZPO) ist die Vollstreckung aus (allen) anderen Titeln geregelt. Der Gläubiger hat dann nicht auf Geldzahlung geklagt, sondern auf eine andere ganz bestimmte Leistung (z.B. Herausgabe von Unterlagen, Unterlassung von nächtlichem Lärmen). Dann muss er im Zwangsvollstreckungsverfahren genau diese Leistung erhalten. Entsprechend wird im 3. Abschnitt die Herausgabe von beweglichen Sachen (§ 883 ZPO) und von Grundstücken (§ 885 ZPO) geregelt. Zur Erzwingung von Handlungen wird, soweit sie nicht vertretbar sind (sie also nicht gegen Geld von einer anderen Person erbracht werden können), ein Beugemittel (Zwangsgeld, Zwangshaft) verhängt (§ 888 ZPO), während umgekehrt ein Ordnungsmittel festgesetzt werden kann, wenn der Schuldner zu einer Unterlassung verurteilt wurde und dem Titel zuwiderhandelt (§ 890 ZPO).
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Um die richtige Vollstreckungsart zu ermitteln, sind zwei gedankliche Schritte erforderlich: Zunächst ist in einem ersten Schritt der Inhalt des Vollstreckungstitels