Sebastian Burger

Praxis der Selbstanzeige


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3. Keiner der Geschwister unternimmt etwas in Richtung Selbstanzeige. 4. Man einigt sich nicht und jeder handelt nach seinem Gusto. Oftmals wird es in derartigen Fällen gelingen, die vierte Alternative zu vermeiden und eine einheitliche Linie zu finden.

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      Bei sich diametral entgegenstehenden Einzelinteressen kann dies allerdings nicht gelingen, so dass getrennte Vorgehensweisen bei der Selbstanzeige unumgänglich sind.

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      Beispiel

      Eine Unternehmerin verstirbt 2000 und hinterlässt nicht ihrem Mann, sondern den drei gemeinsamen Kindern ein bislang dem Fiskus nicht bekanntes Konto bei einer ausländischen Privatbank sowie nicht unerhebliche Goldbestände. Auch nach Aufteilung des Auslandskontos tobt ein bereits seit geraumer Zeit bestehender Geschwisterstreit um das Erbe der Mutter weiter. Ein Erbe nimmt das Gold aufgrund einer Bankverfügungsmacht an sich. Die beiden anderen wollen reagieren und melden sich wegen einer Selbstanzeige (hierzu 3. Kap. Rn. 162).

      2. Kapitel Die Selbstanzeige in der Beratungssituation: Was ist abzuklären?II. Personen(anzahl)bezogene Überlegungen › 4. Gesellschaften

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      Hier können sich die Fallkonstellationen noch vielschichtiger und komplexer darstellen. Grundsätzlich unterschiedliche Herangehensweisen an die Nachmeldungsberatung stellen sich bei Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften.

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      Bei BGB-Gesellschaften, offenen Handels- und Kommanditgesellschaften jeglicher Ausprägung erfolgt veranlagungstechnisch eine gesonderte Gewinnfeststellung nach §§ 179 ff. AO. Dem sollte der Berater mittels vom Empfangsbevollmächtigten unterzeichneten und beim Veranlagungsfinanzamt eingereichten Erklärungsvordruck Rechnung tragen. Diese eher technische Frage gilt in „Zinsfällen“ zumindest dann, wenn das Finanzamt eine bereits eingereichte, praktisch oftmals vereinfachende quotale Verteilung auf die Beteiligten z.B. von 1/2 oder 1/3 formal moniert. Dahinter steht der eher taktische Gedanke einer schnellstmöglichen Veranlagung.

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      Fallbeispiel 3 (Grundsachverhalt):

      Ein Geschwisterpaar, A und B, hat 2008 vom Vater ein Auslandskonto je hälftig überschrieben bekommen.

       Alternative 1:

      A wohnt in München, B in Hamburg. Eine jeweils auf der Basis 50 % der insgesamt angefallenen Kapitaleinkünfte eingereichte Anlage KAP, zeitgleich abgegeben beim jeweiligen Wohnsitzfinanzamt – keine Schenkungsteuerthematik –, führt in der Praxis vielfach schnellstmöglich zum gewünschten Ergebnis einer möglichst zeitnah wirksamen Selbstanzeige.

       Lösungsansätze:

      Wegen der starken Fallbelastung der jeweiligen Großstadtfinanzämter werden oftmals die auf dem amtlichen Vordruck schon „mundgerecht“ aufbereiteten Anlagen KAP einfach von den Bearbeitern eingegeben, und es wird anstandslos veranlagt. Da in Normalfällen hier kein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird und – nach Bestandskraft der Änderungsbescheide – auch zeitnah der Hinterziehungszinsbescheid als „letzter Akt“ im Nachmeldungsverfahren ergeht (ggf. zur Beschleunigung anfragen), sind derartige Fälle oftmals insgesamt sehr schnell abgeschlossen. Der Nachweis in Form einer ordnungsgemäßen Erträgnisaufstellung nach deutschem Steuerrecht (ggf. auch der entsprechenden Aufteilung) ist freilich zu führen. Deutlich „sperriger“ und angesichts der beteiligten Stellen langwieriger wäre (schon bei zwei Personen) das formal korrekte Verfahren mit hälftiger Zurechnung und Versendung von Grundlagenbescheiden.

       Alternative 2:

      Die Geschwister leben am gleichen Ort, sind auch unternehmerisch tätig und haben – neben jeweils weiteren ausländischen Kapitaleinkünften – beim örtlich zuständigen Schenkungsteuerfinanzamt zeitgleich den Sachverhalt schenkungsteuerlich gemeldet.

       Lösungsansätze:

      Sofern das Finanzamt die hälftige Zurechnung der Kapitaleinkünfte moniert, empfiehlt es sich in einem solchen Fall, anstandslos zu reagieren und zeitnah die Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung einzureichen.

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      Hinweis

      Vor allem in Fällen nicht vollständig versteuerter Betriebseinnahmen (siehe hierzu auch die Beispiele im 3. Kap. Rn. 125 und 127) liegt der praktische Schwerpunkt zunächst darin, eine einheitliche Linie aller Beteiligten zu finden. Äußerst diffizil gestaltet sich die Situation bei unterschiedlichen Gesellschafterinteressen, wenn etwa unter den Gesellschaftern keine familiären Bande bestehen und mehrere Mitglieder zweier Familienstämme involviert sind. Dann wird der Berater ergänzend sowohl gesellschaftsrechtliches know-how als auch mediatives Geschick benötigen, um bei divergierenden Interessen das bestmögliche Gesamtergebnis erzielen zu können. Hier kann es im Einzelfall neben starker Überzeugungskraft in der „Gesellschafterversammlung“ oftmals auch anschaulicher Situationsanalyse und deutlicher Worte bedürfen. Je nachdem, wer alles von den Schwarzverkäufen in welchem Umfang gewusst hat und welche „Selbstanzeigekonstellationen“ sich bei den anderen Gesellschaftern ergeben, sind heiße Diskussionen vorprogrammiert, bei denen regelmäßig auch noch diverse Berater „mitmischen“.

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      Bei Selbstanzeigen im Umfeld von Kapitalgesellschaften ist noch mehr als bei Personengesellschaften neben der Gesellschafterebene auch die Gesellschaftsebene für den Berater im Blick zu behalten. Je nach Beratungsanlass ergeben sich unterschiedliche Beratungsschwerpunkte und -muster:

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      Fallbeispiel 4 (Grundsachverhalt):

      Das Gesellschaftergeschäftsführer-Ehepaar einer gut gehenden GmbH im metallverarbeitenden Bereich möchte ein größeres gemeinsames ausländisches Konto nachversteuern.

       Alternative 1:

      Das Vermögen war im Wesentlichen schon seit der Jahrtausendwende vorhanden und unterlag in den letzten 15 Jahren – ohne weitere Einzahlungen – den marktüblichen Schwankungen mit 10 %igem Vermögensgesamtzuwachs per Saldo.

       Lösungsansätze:

      Selbst bei dieser einfachsten Selbstanzeigekonstellation (Stichworte: reiner Zinsfall (ein Auslandskonto), leicht ansteigende Vermögenslinie, gemeinsames Ehegattenkonto, klare Mittelherkunft, kein Schwarzgeld) wollen die Mandanten die rechtlichen und tatsächlichen Konsequenzen einer Selbstanzeige wohl abgewogen wissen. Realistisch ist zwar die verhältnismäßig einfache und meistens bei entsprechender Vorbereitung schnell und geräuschlos mögliche technische Abwicklung der Selbstanzeige beim Wohnsitzfinanzamt (Stichworte: Einreichung der Anlagen KAP anhand bereits angeforderter, ggf. noch auf die Erfordernisse des deutschen Steuerrechts hin „überarbeiteter“ ausländischer Erträgnisaufstellungen für den gesamten steuerlich noch nicht verjährten Zeitraum; bei Bedarf kurze Darlegung der Mittelherkunft, Anfrage zu den lokal üblichen Zahlungsgepflogenheiten (Abschlagszahlung auf Verwahrung, bei zeitnaher Veranlagung Einmalzahlung der konkreten Nachzahlungssumme); nach Bestandskraft der Änderungsbescheide kümmert sich der Berater (auf Wunsch) bei der zuständigen Behörde um die Einstellung eines eingeleiteten steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens zur Überprüfung einer wirksamen