unterliegen nämlich speziellen nichtstrafrechtlichen (in der Regel parlamentsrechtsrechtlichen) Normen, die ebenfalls dem Ziel dienen, Korruption vorzubeugen und zu bekämpfen,[5] und deutlich weiter gehen als § 108e StGB. Unmittelbarer Adressat dieser Regelungen ist grundsätzlich zwar nur der Mandatsträger selbst. Indirekt können aber auch Personen, die mit ihm in Kontakt treten, betroffen sein. So müssen z.B. Bundestagsabgeordnete grds. die Quelle ihrer Nebeneinkünfte und Spenden offenlegen (Rn. 9, 11, 16). Darüber hinaus unterfallen Vorteile, deren Annahme im Einklang mit diesen nichtstrafrechtlichen Antikorruptionsregelungen steht, von vornherein nicht § 108e StGB (Rn. 26 ff.). Von der Einhaltung dieser Vorschriften profitiert damit nicht nur der Mandatsträger, sondern auch derjenige, der den Vorteil gewährt. Unternehmen, die mit Mandatsträgern Kontakt pflegen, sind daher gut beraten, nicht nur den relativ engen § 108e StGB im Auge zu behalten, sondern auch die ihn umlagernden, praktisch bedeutsameren nichtstrafrechtlichen Antikorruptionsnormen.
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Bevor auf den Straftatbestand näher eingegangen wird (Rn. 23 ff.), wird deshalb ein Überblick über die für Mandatsträger geltenden nichtstrafrechtlichen Antikorruptionsnormen gegeben (Rn. 7 ff.). Dabei wird das Hauptaugenmerk auf die für Bundestagsabgeordnete geltenden Regelungen[6] gelegt, die freilich nur eine Teilgruppe der von § 108e StGB erfassten Mandatsträger sind (Rn. 4 ff.).
B. Der Begriff des Mandatsträgers
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Mandatsträger i.S.v. § 108e StGB sind neben den Mitgliedern des Bundestages auch die Mitglieder der Volksvertretungen der Länder (§ 108e Abs. 1 und 2 StGB), also der 16 Landtage, sowie die Mitglieder der Bundesversammlung (§ 108e Abs. 3 Nr. 3 StGB).
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Hinzu kommen die (deutschen und ausländischen[7]) Abgeordneten des Europäischen Parlaments (§ 108e Abs. 3 Nr. 4 StGB), die (deutschen und ausländischen[8]) Mitglieder parlamentarischer Versammlungen internationaler Organisationen (§ 108e Abs. 3 Nr. 5 StGB) und sogar die Mitglieder der Gesetzgebungsorgane ausländischer Staaten (§ 108e Abs. 3 Nr. 6 StGB)[9] (z.B. der französischen Nationalversammlung). In allen drei Varianten muss bei ausländischen Mandatsträgern jedoch der allgemeine Geltungsbereichs des deutschen Strafrechts (§§ 3 ff. StGB) eröffnet sein.[10] Parlamentarische Versammlungen internationaler Organisationen bestehen aus Mitgliedern der Parlamente der Mitgliedstaaten, weshalb entgegen einer verbreiteten Ansicht[11] die Vereinten Nationen (anders als etwa der Europarat, die OSZE und die NATO) nicht über eine parlamentarische Versammlung verfügen.[12]
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Schließlich fallen auch sog. kommunale Mandatsträger[13] unter den Straftatbestand, nämlich zum einen die Mitglieder der Volksvertretungen kommunaler Gebietskörperschaften[14] und zum anderen die Mitglieder von in unmittelbaren und allgemeinen Wahlen gewählten Gremien von Verwaltungseinheiten, die für ein Teilgebiet eines Landes oder einer kommunalen Gebietskörperschaft gebildet wurden.[15] Zur ersten Fallgruppe gehören Gemeinde-, Stadt- und Kreisräte, zur zweiten Ortsbeiräte und Mitglieder von Bezirksversammlungen, sofern sie unmittelbar und allgemein gewählt worden sind.[16] Es ist möglich, dass auf eine Person mehrere Mandatsträgertatbestände zutreffen.[17] Ferner kann ein Mandatsträger zugleich Amtsträger sein (Rn. 1, 40 f.).
I. Überblick
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Für die meisten der von § 108e StGB erfassten Mandatsträger (Rn. 4 ff.) gibt es außerstrafrechtliche Antikorruptionsregelungen (Rn. 2), die häufig zusammenfassend als „Verhaltensregeln“ bzw. (im internationalen Kontext) „Code of Conduct“ bezeichnet werden, auch wenn sie nicht oder nur zum Teil in einem Rechtstext niedergelegt sind, der diese Bezeichnung trägt.[18] Für Bundestagsabgeordnete (Rn. 4) sind insoweit einschlägig: die §§ 44a, 44b AbgG, die zur Geschäftsordnung des Bundestages gehörenden[19] „Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages“ (VR) sowie die dazu vom Bundestagspräsidenten erlassenen Ausführungsbestimmungen (AB) (s. Rn. 9 ff.). In den Bundesländern bestehen vergleichbare Regelungen für Landtagsabgeordnete (Rn. 4), die überwiegend ebenfalls auf mehrere Regelungsebenen verteilt sind.[20] Mitglieder des Europäischen Parlaments (Rn. 5) unterliegen seit 2002 einem „Verhaltenskodex im Bereich finanzielle Interessen und Interessenkonflikte“[21], der durch Durchführungsbestimmungen des Präsidiums[22] konkretisiert wird.[23] Die Parlamentarische Versammlung des Europarates (Rn. 5) verfügt seit 2012 über einen eigenen „Code of Conduct“[24], der im Jahre 2017 geändert wurde und es ihren Mitgliedern beispielsweise untersagt, Vergütungen, Entschädigungen oder Belohnungen anzunehmen, die darauf abzielen, ihr Verhalten als Mitglied der Versammlung zu beeinflussen (Rn. 31). Bei ausländischen Gesetzgebungsorganen (Rn. 5) kann regelmäßig ebenfalls davon ausgegangen werden, dass ihre Mitglieder Korruptionspräventionsregelungen unterliegen – sei es solchen, die speziell auf sie zugeschnitten sind (Code-of-Conduct-Modell), sei es allgemeinen, für alle „public officials“ geltenden. Das Bestehen von (auch) Parlamentarier erfassenden Korruptionspräventionsregelungen ist eine zentrale Forderung der beim Europarat angesiedelten „Gruppe der Staaten gegen Korruption“ (GRECO, s. Einf. Rn. 29).[25] Für kommunale Mandatsträger (Rn. 6) sind dem Verfasser hingegen keine nichtstrafrechtlichen Korruptionspräventionsregelungen bekannt.[26] Ein denkbarer Regelungsort hierfür wären die Gemeinde- und Kreistagsordnungen oder die Geschäftsordnungen der entsprechenden Kommunalversammlungen.
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Aus rechtsvergleichender Perspektive lassen sich zwei im Grundansatz unterschiedliche Herangehensweisen identifizieren, die in der Praxis freilich häufig auf verschiedene Weise miteinander kombiniert werden.[27] Die eine Herangehensweise zielt darauf ab, in regelmäßigen Abständen das Vermögen des Mandatsträgers (und häufig auch enger Familienangehöriger) möglichst vollständig zu erfassen und durch eine Betrachtung der Vermögensentwicklung Anhaltspunkte für „unerklärliche“ und damit möglicherweise durch Korruption erlangte Vermögenszuwächse zu erlangen. Die andere Herangehensweise geht darauf aus, (tatsächlich oder potentiell) interessenkonfliktträchtiges Verhalten des Mandatsträgers zu erfassen, dieses offenzulegen und im Extremfall auch zu verbieten. Das Vermögenserfassungsmodell