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Der Staat Israel gegen Adolf Eichmann. Das Urteil


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Urteil fand wie der Prozess in der Bundesrepublik recht wenig Beachtung, obgleich es eine ziemlich umfassende Prozessberichterstattung gab83 und viele Deutsche von dem Verfahren Kenntnis hatten.84 Ausnahmen waren wenige Juristen, die sich auch mit den bundesdeutschen NS-Verfahren befassten.85 Viel hätten insbesondere Justizjuristen aus dem Verdikt lernen können. Im Gegensatz zur Rechtsauffassung der Jerusalemer Richter machten bundesdeutsche Strafgerichte, wie oben angedeutet, die Shoah, an der rund eine Viertelmillion Deutsche und Österreicher86 direkt beteiligt gewesen war, zu einem aus einer Vielzahl von Einzelereignissen zusammengesetzten Geschehen, das nur punktuell aufzuklären war. Individuelle Schuld war nach der herrschenden Rechtspraxis meist nur durch Einzeltatnachweis zuzurechnen. Letztendlich standen bei dieser justizökonomischen Rechtsprechung nur noch Exzesstäter vor Gericht, die befehlslos, mithin eigenmächtig gemordet hatten. Justizökonomisch meint die selektive Ahndung der Verbrechen, um eine von vielen in den 1960er Jahren beklagte Überforderung der Justiz zu vermeiden. Fraglos wäre die bundesdeutsche Strafjustiz strukturell und personell nicht in der Lage gewesen, so zu verfahren, wie sie es heute in den späten NS-Prozessen gegen greise Angeklagte tut.87 Jeden kleinen SS-Mann, jede Schreibkraft, jede SS-Helferin (Fernschreiberin, Funkerin, Telefonistin), jeden Reichsbahnbediensteten, jeden Wachmann hätte sie nicht belangen können.

       Zur Edition des Urteils

      Die vorliegende Neuauflage basiert auf der Ausgabe von 1987. Es wurde die vom Bezirksgericht Jerusalem publizierte deutsche Übertragung zugrunde gelegt. In einer Vorbemerkung auf dem Rubrum des Urteils heißt es, es handele sich um keine »offizielle« Übersetzung. Sie sei vielmehr angefertigt worden, »um dem Publikum das Urteil schnell zugänglich zu machen«. Anzunehmen ist, dass die vorliegende Version sowohl dem Angeklagten als auch seinem Verteidiger zugegangen ist. Sie hat auch Eingang in die Akten der bundesdeutschen Justiz gefunden. So lag sie zum Beispiel der Frankfurter Justiz vor, als sie das Verfahren gegen Otto Hunsche und Hermann Krumey durchführte.

      Für die Neuausgabe anlässlich des 60. Jahrestags des Urteils wurde der Text durchgesehen sowie Falschschreibungen und Versehen stillschweigend verbessert, da die Ausgabe von 1987 unrichtige Orts- und Personennamen, Abkürzungen und Bezeichnungen sowie einige wenige Rechtschreibfehler enthält.

      So finden sich Ortsnamen wie Belsec statt Belzec, Isbica statt Izbica, Samocz statt Zamosc, Lydice statt Lidice, Sophia statt Sofia, Munkacz statt Munkacs sowie Personennamen wie Bohrmann statt Bormann, Gansenmüller statt Ganzenmüller, Poliakoff statt Poliakov, Salaczy statt Szalasi, Kalay statt Kallay, Beleff statt Belev, Labotkin statt Lubetkin, etc.

      Unübliche Abkürzungen wie BDS statt BdS, KDS statt KdS und Rechtschreibungen sie »zweiter Weltkrieg« statt »Zweiter Weltkrieg«, »höherer SS- und Polizeiführer« statt »Höherer SS- und Polizeiführer« wurden korrigiert.

      In vier Fällen wurde die fehlende Nummerierung der Abschnitte nachgetragen und verschiedentlich vergessene Anführungszeichen eingefügt.

      Ansonsten blieben sprachliche Eigenheiten der deutschen Übertragung unangetastet.

       Anmerkungen

      1Siehe die beiden Darstellungen des seinerzeitigen Leiters der Zentralen Stelle zur Aufklärung der nationalsozialistischen Verbrechen (Ludwigsburg) Adalbert Rückerl, Die Strafverfolgung von NS-Verbrechen 1945–1978. Eine Dokumentation. Karlsruhe: C. F. Müller Juristischer Verlag, 1979 und ders., NS-Verbrechen vor Gericht. Versuch einer Vergangenheitsbewältigung. Karlsruhe: C. F. Müller Juristischer Verlag, 1982. Für die ersten zwei Dezennien der Bundesrepublik sind die Studien von Edith Raim, Justiz zwischen Diktatur und Demokratie. Wiederaufbau und Ahndung von NS-Verbrechen in Westdeutschland 1945–1949, München: Oldenbourg Verlag, 2013 und Andreas Eichmüller, Keine Generalamnestie. Die Strafverfolgung von NS-Verbrechen in der frühen Bundesrepublik, München: Oldenbourg Verlag, 2012 grundlegend. Ebenso wichtig Hans-Christian Jasch/Wolf Kaiser, Der Holocaust vor deutschen Gerichten. Amnestieren, Verdrängen, Bestrafen, Stuttgart: Reclam Verlag, 2017.

      2Generalstaatsanwalt Gideon Hausner gebrauchte den Ausdruck als Zitat im Kreuzverhör. Siehe State of Israel/Ministry of Justice, The Trial of Adolf Eichmann.