Oliver Bullough

Land des Geldes


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Janukowytschs«, hieß es in der Anklageschrift.

      Der ausführlichen Aufschlüsselung seiner Ausgaben nach zu urteilen, stand Manafort in seiner Liebe zum Luxus Janukowytsch kaum nach. So finden sich unter seinen Ausgaben zum Beispiel 934.350 Dollar für Perserteppiche, 849.215 Dollar für Kleidung, 112.825 Dollar für Stereoanlagen und Fernseher (vielleicht hatte er ja auch einen Apparat in Augenhöhe vor der Kloschüssel). Der größte Posten waren allerdings Immobilien. Für ein Apartment in New York blätterte er 1,5 Millionen Dollar hin, für ein Haus in Virginia 1,9 Millionen. (Wie Janukowytsch und natürlich auch Trump dankte Manafort den wirtschaftlich Benachteiligten am Wahltag für ihre Stimmen, doch als Nachbarn wollte er sie nicht haben.) Das Geld dafür kam vom ukrainischen Staat.

      An diesem Punkt drängen sich einige unangenehme Fragen auf. So amüsant es ist, dass Manafort von seinen Nachbarn in Brooklyn mit einem Kürbis und selbst gemalten Protestschildern an den Pranger gestellt wurde, so besorgniserregend ist es auch, dass die amerikanischen Bürger vorher genauso wenig gewusst hatten, was da vor sich ging, wie die Ukrainer von Sucholutschtschja gewusst hatten. Aber wie sollten sie auch? Wenn sie im Katasteramt von New York den Käufer des Hauses in Brooklyn gesucht hätten, dann wären sie auf ein Unternehmen namens MC Brooklyn Holdings LLC gestoßen, aber nicht auf den wahren Eigentümer. Das Unternehmen kam offenbar aus der Region, doch es tarnte den Eigentümer des Hauses genauso wirkungsvoll, wie die Briefkastenfirmen in Liechtenstein und den Britischen Jungferninseln Janukowytsch tarnten. Wenn die amerikanischen Bürger gefragt hätten, woher das Geld stammte, mit dem Manafort diese Immobilien kaufte und renovierte oder seine eleganten Anzüge, Stereoanlagen und Perserteppiche erwarb, dann wären sie auf Namen von Unternehmen aus Zypern, Großbritannien oder St. Vincent und den Grenadinen gestoßen. Wenn man sich die Ermittlungsergebnisse von Muellers Team ansieht, tut sich einmal mehr ein Abgrund auf und es erfasst einen ein Schwindelgefühl.

      Die Spur führt nicht von ungefähr nach New York, denn dieser Abgrund tut sich nicht in der Ukraine, dem südlichen Afrika oder Malaysia auf, sondern im Herzen des Westens. Reiche Menschen haben seit jeher ein Interesse daran, ihr Geld dem Zugriff des Staates zu entziehen, und dazu haben sie im Laufe der Jahrhunderte raffinierte Instrumente erfunden. In Großbritannien und den Vereinigten Staaten richten Anwälte zum Beispiel Treuhandgesellschaften ein, mit deren Hilfe ihre reichen Klienten ihr Geld scheinbar für wohltätige Zwecke spenden, während sie es in Wirklichkeit weiter für sich arbeiten lassen und an ihre Kinder vererben können. In Europa gibt es dafür Stiftungen.

      In den Gesellschaften des Westens (vor allem in den Vereinigten Staaten) ist die Ungleichheit bei Vermögen und Einkommen seit den Siebzigerjahren immer größer geworden. Wirtschaftswissenschaftler wie Thomas Piketty sehen die Ursache darin, dass Kapitalerträge langfristig größer sind als das Wirtschaftswachstum. Solange es also nicht zu einer globalen Katastrophe kommt, öffnet sich die Schere im Westen immer weiter, es sei denn, der Staat wirkt dem entgegen. Damit könnte Piketty recht haben, aber darum geht es in diesem Buch nicht. Ich bin kein Wirtschaftswissenschaftler und kann mich daher nicht kompetent zu Strukturproblemen äußern, die Kapitalerträge gegenüber der Arbeit begünstigen. Ich bin Journalist, und als solcher interessiere ich mich für Gauner. In diesem Buch geht es daher um Ganoven und Menschen der Art, die das Land, in das ich 1999 gezogen bin, in den Abgrund gestürzt und die Welle der Hoffnung abgewürgt haben, auf der ich in die glorreiche russische Zukunft surfen wollte.

      Dass Reiche in eine Trickkiste greifen können, die dem Rest der Bevölkerung nicht offensteht, ist übrigens eine weitere Erklärung für die größer werdende Ungleichheit unserer Gesellschaften, und zudem eine, über die viel zu wenig gesprochen wird. Westliche Behörden haben ihre liebe Not, diese juristischen Kniffe zu unterbinden, doch sie haben immerhin die Institutionen und Traditionen, die nötig sind, um selbst einigermaßen ehrlich zu bleiben. In den neueren und ärmeren Staaten gibt es diese Institutionen und Traditionen jedoch nicht. Beamte und Politiker wurden von einer Flutwelle des Geldes fortgerissen. Wie mir ein ukrainischer Rechtsanwalt erklärte: »Sie haben die Wahl, die Bestechung anzunehmen oder nicht. Entweder Sie nehmen das Geld, oder die bringen Ihre Kinder um. Natürlich nehmen Sie das Geld.« Seine mexikanischen Kollegen bringen diese Wahl mit einer knackigeren Formulierung auf den Punkt: »Silber oder Blei?« Die Korruption ist derart verbreitet, dass viele Länder nicht mehr in der Lage sind, Steuern von ihren reichsten Bürgern zu kassieren, weshalb nur diejenigen den Staat finanzieren müssen, die es sich am wenigsten leisten können. Das zersetzt die demokratische Legitimität und verärgert die Bürger, die mit einem solchen Staat leben müssen. Wer an eine freiheitliche und demokratische Weltordnung glaubt, kann dieser Situation nichts abgewinnen.

      Beobachter aller politischen Richtungen warnen vor den Auswirkungen der immer größer werdenden Ungleichheit auf die Gesellschaft der Vereinigten Staaten, wo der Anteil des reichsten Hundertstels der Bevölkerung am Gesamtvermögen von 1990 bis 2012 von einem Viertel auf zwei Fünftel gestiegen ist. Wenn Sie das schon für bedenklich halten, dann sollten Sie einmal einen Blick auf den Rest der Welt werfen: Allein im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts stieg der Anteil des reichsten Hundertstels am Weltvermögen von einem Drittel auf die Hälfte. Einer der Motoren dieser Entwicklung sind Länder wie Russland. Zwischen 2000, dem Beginn der ersten Amtszeit von Präsident Putin, und 2015 wuchs das Gesamtvermögen der russischen Mittelschicht – rund 4 Prozent der Bevölkerung – um 137 Milliarden Dollar. (Der Global Wealth Report der Credit Suisse definiert als Angehörige der Mittelschicht Menschen mit einem Vermögen von 18.000 bis 180.000 Dollar.) Das klingt ganz ordentlich, bis man das mit dem Vermögenszuwachs der Reichen vergleicht. Die Oberschicht mit einem Vermögen von über 180.000 Dollar – etwa 0,5 Prozent der Bevölkerung – wurde im gleichen Zeitraum um insgesamt 687 Milliarden Dollar reicher. In Russland besitzt das reichste Zehntel der Bevölkerung 87 Prozent des Gesamtvermögens – mehr als in jedem anderen größeren Land und ein krasses Missverhältnis für eine Gesellschaft, die noch vor drei Jahrzehnten kommunistisch war.

      Möglich wurde dies nur durch westliche Strippenzieher: Anwälte, Banker und andere, die dieses Geld geschickt verschieben und verbergen. Wenn Sie einem gut informierten Russen erklären wollen, dass eine Demokratie nach westlichem Zuschnitt eine prinzipientreue Alternative für das Regime von Wladimir Putin wäre, dann fragt er Sie vielleicht, warum der Westen zuließ, dass Putins Propagandachef von seinem Beamtengehalt eine Villa in Beverly Hills kaufen konnte, oder dass der stellvertretende Premierminister Russlands Eigentümer einer Wohnung im Herzen von London ist. Diese Heuchelei ist ein Geschenk für Putin, der damit seinen Gegnern den Wind aus den Segeln nehmen kann, und der vor allem die westlichen Offshore-Instrumente gegen den Westen selbst verwendet: zur Finanzierung seiner Sicherheitsdienste, für antiwestliche Propaganda, und zur Unterstützung von Extremisten, die seinen Zwecken dienen. Die Korruption stärkt die Feinde des Westens, doch der Westen lässt immer weiter schmutzige Milliarden in seine Wirtschaft fließen.

      Das Geld ist wie ein Strudel, der in den Abgrund zieht.

      •

      Wir sehen die Welt gern als einen Flickenteppich von Nationen. Als Junge hatte ich ein Puzzle der Welt, und die Länder mit ihren Grenzen waren die Teile. Mit diesem Puzzle setzen heute meine eigenen Kinder die Welt zusammen. Frankreich ist ein Sechseck, Italien sieht aus wie ein Stiefel, die amerikanischen Bundesstaaten Wyoming und Colorado sind Rechtecke und schwer auseinanderzuhalten, das lange und schlanke Chile ist dagegen leicht zu erkennen. Dahinter steht ein Verständnis der Welt, das den Planeten in Staaten aufteilt, und in mancher Hinsicht ist das ja auch nützlich. Wenn wir wissen wollen, wie viele Kinder im Jahr zur Welt kommen, wie viele Menschen durch Schusswaffen getötet werden, oder wie viele Menschen sich in Fußballvereinen engagieren, dann ist diese Unterscheidung nach Ländern durchaus sinnvoll.

      Aber manchmal ist sie das eben auch nicht. Die Nichtregierungsorganisation Transparency International (TI), die sich die Korruptionsbekämpfung auf die Fahnen geschrieben hat, veröffentlicht jedes Jahr ihren Korruptionswahrnehmungsindex, der Länder nach ihrer Korruption ordnet, von Dänemark und Neuseeland am sauberen Ende bis zu Nordkorea, Südsudan und Somalia am schmutzigen. TI gibt auch eine Karte heraus, auf dem die Länder je nach ihrer Korruption eingefärbt werden: Afrika, Südamerika und Zentralasien leuchten erschreckend rot, während Europa, Nordamerika und Australasien in freundlichen Gelbtönen erstrahlen. Das ist alles gut und schön, und wahrscheinlich wird man tatsächlich in