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Grundwissen Psychisch Kranke


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resultierende Schlafstörungen oder für sie schwierige z. B. soziale Situationen mit Alkohol besser aushalten können. Aus einzelnen so bewältigten Situationen kann die Erfahrung entstehen „Mit Alkohol komme ich besser klar!“. Dies kann dann vom chronischen Missbrauch bis hin zur Alkoholabhängigkeit führen. Das Gesagte gilt gleichermaßen für die regelmäßige Einnahme von Beruhigungsmitteln (Tranquilizer).

       Zur Entstehung von Ängsten

      Warum manche Menschen im Laufe ihres Lebens eine Angststörung entwickeln, ist nicht immer erklärbar. Während man zu Beginn der Angstforschung Anfang letzten Jahrhunderts noch häufig annahm, dass Ängste durch negative Erfahrungen hervorgerufen werden, ließ sich das im weiteren Fortschritt der wissenschaftlichen Erforschung nicht halten. Angstpatienten haben nur in den allerseltensten Fällen zu Beginn ihrer Erkrankung ein negatives Erlebnis, das in einem Zusammenhang mit der Angstreaktion steht. Dieses Modell trifft am ehesten noch zu bei der Entstehung von spezifischen Phobien, z. B. wenn jemand mit einer Hundephobie von einem Hund gebissen wurde. Dieses Modell nennt sich klassische Konditionierung und geht zurück auf Experimente von Watson & Rayner (1920).8

      Eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Ängsten spielt das sogenannte Modelllernen. Ängstliche Eltern haben eine größere Wahrscheinlichkeit, auch ängstliche Kinder zu bekommen, da sich die Kinder die Sorgen und Befürchtungen der Eltern zu eigen machen.

      Das Modelllernen spielt auch im Erwachsenenalter eine wichtige Rolle; so werden junge Polizisten, die mit erfahreneren, aber ängstlichen Kollegen in bestimmte Einsatzlagen gehen, mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit diese Ängste übernehmen und im weiteren Berufsleben hier möglicherweise unsicherer oder – positiv formuliert – vorsichtiger sein, als wenn sie Kollegen gehabt hätten, die nicht ängstlich reagieren.

      Heute weiß man, dass Bewertungs- und Interpretationsprozesse bei Angstpatienten eine sehr wichtige Rolle spielen; hier ist die sogenannte transaktionelle Stresstheorie nach Lazarus (1966)9 von Bedeutung, wobei diese sich auch für andere Beschwerden, wie z. B. übermäßige Stressreaktionen, als Erklärungsmodell bewährt hat.

      Kurz gefasst beschreibt dieses Modell die Rolle von Bewertungen und Einschätzungen einer bedrohlichen Situation, wobei Menschen bei potenziell bedrohlichen Situationen immer zwei aufeinanderfolgende Bewertungsprozesse durchführen:

      In einem ersten Schritt wird eine Situation als möglicherweise bedrohlich eingeschätzt.

      In einem zweiten Schritt werden dann die eigenen möglichen Bewältigungsfertigkeiten für eine solche gefährliche Situation bewertet.

      Führt dann letztendlich die Kombination beider Bewertungsschritte (die Situation ist gefährlich und ich habe ihr nichts entgegenzusetzen) zu einer insgesamt pessimistischen Einschätzung, kann es zu Stress- und Angstreaktionen kommen.

      Da sich bei Angstreaktionen immer eine starke psychophysiologische Reaktion zeigt (also Herz-, Kreislaufsymptome, Schwitzen, Schwindel, Verdauungsprobleme), kommt es in der Regel auch immer zu einem positiven Rückkopplungsprozess, in dem die ausgeprägten körperlichen Symptome angstfördernd wirken und die negativen und nicht bewältigungsorientierten Gedanken im Sinne eines Teufelskreises verstärken. So kommt es zu einem kontinuierlichen Aufschaukelungsprozess, der sich im sogenannten „Teufelskreis der Angst“ wiederfindet.

       Abbildung 1

      Aus Sicht der Autoren ist die fehlende letztendliche Klärung, wie es denn jetzt zum Ausbilden einer Angststörung kommt, wissenschaftlich sicherlich unbefriedigend; für die Behandlung und den Umgang mit Ängsten spielt es aber keine entscheidende Rolle, ob in der einzelnen Biographie auslösende Ereignisse identifiziert werden können oder nicht.

      Maßgeblich für die Aufrechterhaltung einer einmal entstandenen Angststörung ist aber sicherlich das zum Teil ausgeprägte Vermeidungsverhalten, das sich dadurch zeigt, dass Angstbetroffene sich im Laufe ihres Lebens immer mehr angstauslösenden und irgendwann vielleicht auch nur potenziell angstauslösenden Situationen fernhalten und sich so die Angst in immer mehr Lebensbereiche ausdehnt. Das Vermeidungsverhalten führt letztendlich dazu, dass Patienten überhaupt keine positiven Erfahrungen mehr machen oder sich mit ihren Angstgedanken konfrontativ auseinandersetzen, sodass die Angst quasi als nicht mehr zu hinterfragendes Symptom resignativ hingenommen wird. So bildet sich über die Jahre ein umfassendes Schon- und Vermeidungsverhalten heraus, das die Alltagstauglichkeit deutlich einschränkt und irgendwann nicht mehr nur auf die eigentlichen Angstsituationen beschränkt ist, sondern sich auch fortsetzt in der Vermeidung etwa von beruflichen oder privaten Konfliktsituationen, in der mangelnden Bewältigung von schwierigen Lebensumständen, bis hin zum Auftreten einer depressiven Begleiterkrankung, weil Alltagsaktivitäten komplett eingestellt werden.

      Hinter Menschen, die sich immer mehr zurückziehen, die sich nichts mehr zutrauen, die Angst haben etwa berufliche Konflikte mit Kollegen oder Vorgesetzten auszudiskutieren, kann sich also auch immer eine Angsterkrankung verbergen.

       Gesundheitliche Komplikationen durch Angsterkrankungen

      Unabhängig von der Ausprägung der einzelnen Angsterkrankung und der tatsächlich gestellten Diagnose sind zwei Komplikationen bei Angsterkrankungen erwähnenswert, die beim Umgang mit Menschen mit Ängsten zumindest im Hinterkopf als Option berücksichtigt werden sollten.

      Zum einen neigen Angstpatienten insbesondere aufgrund der starken psychophysiologischen Begleitsymptomatik von Ängsten und einem damit ständig erhöhten Erregungsniveau (umgangssprachlich: „immer unter Strom stehen“) zu Suchtverhalten. Kritischer Alkoholkonsum zur präventiven Beruhigung, zur Regulation von erhöhten Erregungszuständen oder als Einschlafhilfe ist häufig und kann in der klinischen Bandbreite von einem sogenannten inadäquaten Selbstheilungsversuch bis hin zu manifesten Suchterkrankungen führen. Insbesondere sind hier Phänomene des Erleichterungstrinkens, aber auch des Mutantrinkens zu nennen.

      Gleiches gilt für die Einnahme von Benzodiazepinen, also Beruhigungsmitteln, deren Gebrauch in kurzzeitigen vorübergehenden Belastungssituationen sicherlich indiziert ist, die aber häufig nach regelmäßiger längerer Einnahme (im Einzelfall durchaus auch schon nach 2 - 3 Wochen) zur Abhängigkeit führen können. Benzodiazepine gelten als stark angstreduzierend und schnell wirksam, brauchen aber im Laufe der Zeit eine ständige Dosiserhöhung. Im Falle des Absetzens kann es zu sehr heftigen Entzugserscheinungen kommen.

      Sollte sich infolge einer Angsterkrankung eine oben beschriebene Suchtsymptomatik entwickelt haben, ist bei einer späteren Therapie eine Suchttherapie vorzuschalten; hier sei auf das entsprechende Kapitel in diesem Buch hingewiesen.

       „Angstbeißer“

      Während Menschen mit Angsterkrankungen in aller Regel und gemäß den diagnostischen Kriterien zu Rückzug und Vermeidungsverhalten neigen, angstbesetzte Situationen vermeiden und sich mit diesen gar nicht mehr auseinandersetzen, zeigt sich in der klinischen Praxis im Einzelfall allerdings auch manchmal ein komplett entgegengesetztes Verhalten. Angstbesetzte Situationen werden nicht vermieden, sondern in einem weitaus übertriebenen Ausmaß aufgesucht. Dies kann bei normalen angstauslösenden Situationen, wie z. B. im Fall einer Höhenphobie, bis dahin führen, dass besonders gefährliche Bergwanderungen oder Klettertouren unternommen oder besonders hohe Türme aufgesucht werden. In Einzelfällen kann dieses sogenannte kontraphobische Verhalten durchaus ein gewisses gesundheitliches, Leib und Leben gefährdendes Risikoverhalten annehmen, sowohl für sich als auch andere (z. B. riskantes, aggressives Autofahren).

      Ganz besonders gilt dies auch in Situationen mit sozialem Bezug, wenn Menschen, die sozial ängstlich und unsicher sind, eher zu aggressivem Verhalten neigen, um bestimmte, von ihnen als angstauslösend bewertete Situationen von vornherein unter Kontrolle zu behalten.

      Im Polizeialltag kann dies z. B. auch bedeuten, dass in Konflikt- und Einsatzlagen vorschnell körperliche Gewalt eingesetzt wird, um Unsicherheiten oder Ängste zu überwinden.

      Auf einer etwas leichteren Ebene können wir es aber auch mit einem einfach