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Grundwissen Kommunikation


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wird: Gesprochenes wird gehört, Gezeigtes oder Geschriebenes gesehen, Berührungen werden gespürt, Gerüche wie beispielsweise Angstschweiß gerochen.

      Im Grunde genommen müsste hier die einfache Betrachtung der Kommunikation im wortwörtlichen Sinne des Sender-Empfänger-Modells enden. Wahrscheinlich hat das 1. Axiom von Watzlawick, Beavon und Jackson (2007) dazu geführt, dass das Grundmodell der Kommunikation meistens mit einer Rückschleife versehen ist. Danach findet Kommunikation stets statt, wenn sich mindestens zwei Personen in einer Situation befinden, und deshalb eine Reaktion zu integrieren ist. Es wiederholt sich der bereits dargelegte Prozess, nur dass der Empfänger durch seine Erwiderung auf die ursprüngliche Botschaft zum Sender wird und der Sender zum Empfänger. Dieses Verständnis führt dazu, dass über das nachrichtentechnische Modell der Kommunikation von Shannon und Weaver (1949) hinaus menschliche Kommunikation als Kreislauf angesehen (vgl. Watzlawicks 3. Axiom) und im Grundmodell der Kommunikation auch so dargestellt wird. Streng genommen sprechen einige Autoren dann nicht mehr nur von Kommunikation als die Weitergabe von Information, sondern von Interaktion.

      Für ein tieferes Verständnis menschlicher Kommunikation wird das einfache Grundmodell der Kommunikation in einer erweiterten Variante unter anderem um die störanfälligen Prozesse ergänzt (s. Abb. 2).

      Die Struktur des einfachen Modells bleibt auch im Erweiterten erhalten: Weiterhin werden Botschaften gegenseitig ausgetauscht, die enkodiert und dekodiert werden.

      Allerdings werden Modifikationen eingeführt, die dem Gedanken eines kommunikativen Kreislaufs Rechnung tragen. So wird nicht mehr eine Person als Sender und die andere als Empfänger bezeichnet, sondern die Kommunikationsteilnehmer nehmen gleichzeitig beide Rollen ein. Zusätzlich wird über die begriffliche Unterscheidung zwischen der auslösenden (die ursprüngliche Nachricht) und der erwidernden Botschaft (die Rückmeldung; Nerdinger, 2011) verdeutlicht, dass Kommunikation nie ausschließlich in eine Richtung stattfindet. Ausnahmen von dieser auf die persönliche Interaktion bezogenen Beschreibung sind das Senden eines Briefs oder das Besprechen eines Anrufbeantworters.

      Im Zentrum des erweiterten Grundmodells der Kommunikation stehen jedoch die Begriffe Bedeutungsvorrat, Zeichenvorrat, Bedeutungs-Zeichen-Zuordnung, Bedeutungssequenz und Zeichensequenz (Herrmann, 1992), die es ermöglichen, den Prozess des En- und Dekodierens zu verstehen und Störquellen der menschlichen Kommunikation zu erkennen.

       Abbildung 2

      Bei der Frage, was Enkodieren bedeutet, wird fälschlicherweise oftmals nur das Produkt des Verschlüsselns, nämlich die Botschaft mit ihren unterschiedlichen Inhalten (u. a. verbal, nonverbal) genannt. Was enkodiert wird, bleibt zumeist unbeantwortet. Der Prozess des Enkodierens beinhaltet, Aspekte aus dem Inneren des Senders wie Gedanken, Gefühle, Absichten und ähnliches, die eben nicht Worte, Gesten, Tonfall oder Schrift sind, in genau diese Zeichen (Codes) zu übertragen, damit sie übertragungsfähig sind. Um in den Begriffen des Modells zu argumentieren, kann Enkodieren als der Vorgang bezeichnet werden, bei der konkrete Gedanken, Gefühle bzw. Absichten des Senders einer persönlichen Bedeutungssequenz entsprechen, die auf Basis seiner individuellen Bedeutungs-Zeichen-Zuordnung in eine Zeichensequenz überführt wird, die wiederum die Botschaft darstellt. Um diese konkrete Zuordnung einer Bedeutungssequenz zu einer Zeichensequenz individuell gleichbleibend zu erreichen, greift der Sender auf seinen Bedeutungsvorrat, seinen Zeichenvorrat und die Zuordnung beider Vorräte zueinander, auf seine individuelle Bedeutungs-Zeichen-Zuordnung, zurück: „Die Zeichen (oder geordnete Gruppen von Zeichen, z. B. Wortfolgen) und die Bedeutungen sind einander paarweise zugeordnet: Ein Zeichen oder eine Zeichengruppe stehen für genau eine Bedeutung“ (Herrmann, 1992, S. 288).

      Der Prozess des Dekodierens muss entsprechend andersherum (spiegelbildlich) ablaufen. Die in Codes des Senders ausgedrückte Botschaft (und nicht seine Gedanken, Gefühle, Wünsche!) trifft auf den Empfänger, der diese Zeichensequenz in seine persönliche Bedeutungssequenz übersetzt. Dazu bedient er sich seines persönlichen Bedeutungs- und Zeichenvorrats und seiner individuellen Bedeutungs-Zeichen-Zuordnung, die normalerweise nicht derjenigen des Senders entspricht. Das um die Prozesse des En- und Dekodierens erweiterte Sender-Empfänger-Modell wird in Abb. 3 dargestellt (Arbeit, Bildung und Forschung [ABF], 2003).

      Watzlawick et al. (2007) beschreiben ein kulturelles Missverständnis, das seine Ursachen im En- und Dekodieren hat. So verschlüsselt ein US-Amerikaner seine Zuneigung zu einer Britin zur Zeit der amerikanischen Stationierung von Soldaten in Großbritannien in einem frühen Stadium der Beziehung durch den Wunsch nach einem Kuss. Bei der Britin kommt eben diese Nachricht an (Wunsch nach einem Kuss), wird aber anders entschlüsselt: Küsse werden in Großbritannien nicht in einer frühen Phase einer möglichen Beziehung ausgetauscht, sondern in einer sehr späten Phase, die schon bald sexuelle Handlungen nach sich ziehen würde. Welche Rückmeldung wird die Britin dem Amerikaner geben? Wird sie den Amerikaner schnellstmöglich verlassen, was bei ihm zu einer Interpretation einer prüden Britin führen würde? Oder wird sie sexuelle Aktivitäten anstreben, was zu einer Interpretation führen könnte, wonach Britinnen leicht zu haben sind und schnell zur Sache kommen?

      Im polizeilichen Kontext sind derartige Kommunikationsprobleme ebenfalls an der Tagesordnung, da im gesamten Polizeiapparat zahlreiche Subkulturen aufeinander treffen, die Gleiches unterschiedlich Ver- und Entschlüsseln. Der Satz Jetzt aber los eines erfahrenen Polizeiführers im Einsatz könnte bedeuten, dass die ihm zugeordneten Kräfte langsam mit der Vorbereitung beginnen sollten. Ein neues Mitglied der Gruppe, das frisch aus der Ausbildung dazu gestoßen ist, dekodiert den Satz allerdings in einem anderen Sinne, versteht ihn als Aufforderung zum Handeln und stürmt los.

       Abbildung 3

      Allein aus der Beschreibung der Prozesse des En- und Dekodierens wird deutlich, wie störanfällig menschliche Kommunikation ist. Dabei werden als Störquellen solche Kommunikationsbarrieren bezeichnet, „die in der Lage sind, die Eindeutigkeit der Nachricht zu beeinträchtigen. Zu den Störquellen zählen Wahrnehmungsprobleme, semantische Schwierigkeiten oder interkulturelle Differenzen“ (Nerdinger, 2011, S. 59-60).

      Es ist offensichtlich, dass die gelingende Kommunikation zwischen Gesprächspartnern auf einem gegenseitigen Verständnis beruht. Unter Zuhilfenahme des erweiterten Grundmodells der Kommunikation wird deutlich, dass dieses gegenseitige Verständnis auch von einer gewissen Übereinstimmung des Bedeutungs- und Zeichenvorrats abhängt. Vor allem ist jedoch die Zuordnung von Zeichen (u. a. Worte, Gesten, Tonfall, Schrift) zu einer konkreten, gemeinsam geteilten Bedeutung für eine erfolgreiche Kommunikation entscheidend. Besteht nicht eine ausreichende Übereinstimmung in der Bedeutungs-Zeichen-Zuordnung, wird durch den Prozess des Enkodierens und beim Prozess des Dekodierens (Störquellen 1 und 3) eine im wahrsten Sinne des Wortes verständnisvolle Kommunikation verhindert, da dieselben Zeichen bei beiden Kommunikationspartnern eine unterschiedliche Bedeutung haben können (s. Beispiele oben).

      Die in Abbildung 2 als Störquelle 1 bezeichnete Problematik greift die Verschlüsselung der Botschaft auf. Schon hier kann eine auch aus Sicht des Senders missglückte Zuordnung von Bedeutung zu Zeichen eine Botschaft ergeben, die der eigentlichen Absicht des Senders entgegensteht und damit zu einer verunglückten Botschaft führt. Jeder Mensch kann auf die Erfahrung zurückblicken, dass innere Empfindungen (Bedeutungen) auf eine verunglückte, ungewollte Art (Zeichen) ausgedrückt wurden. Zum Beispiel ist die Empfindung, einer anderen Person zugeneigt zu sein, etwas, das schwer zu enkodieren ist. Viele Menschen blicken auf die Erfahrung zurück, dass das in dem Moment anders aus ihnen herausgekommen (und damit verschlüsselt worden) ist, als sie es beabsichtigt haben. Im polizeilichen Rahmen kann eine kommunikative Störung im Sinne der Störquelle 1 durch folgenden Satz zu einem Bürger, der gerade Zivilcourage gezeigt hat, entstehen: Das hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut sollte eigentlich Anerkennung vermitteln, ist aber unglücklich bzw. missverständlich ausgedrückt (= enkodiert) worden und könnte unter Umständen zu einer beleidigten Reaktion des Bürgers führen. Die Konsequenz aus Störquelle 1 ist eine entsprechende Entschlüsselung durch den