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Grundwissen Kommunikation


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Abbildung 5

      Eine letzte Problematik hinsichtlich dieses Prinzips besteht darin, dass eine Person die Beziehung als symmetrisch definiert, während die andere sie als komplementär betrachtet (Sticher, 2012, S. 36). Es liegt auf der Hand, dass sowohl im polizeilichen Außenverhältnis, aber vor allem in der Innenperspektive hier Probleme entstehen können. In einem Kompetenzgerangel, in der verschiedene Gruppen um die Zuständigkeit kämpfen, wird sich die Auseinandersetzung über den Vorrang bei der Aufgabenbearbeitung im 5. Axiom wiederfinden. In den jeweiligen Botschaften zwischen den Kommunikationspartnern wird sich eine nicht zueinander passende Symmetrie und Komplementarität zeigen.

       4 Die Anatomie einer Nachricht:

       Das kommunikationspsychologische Modell von Schulz von Thun

      Mit seinen Ausführungen zur allgemeinen Psychologie der Kommunikation verfolgt Schulz von Thun (2008) das Ziel, nebeneinander bestehende Ansätze der (Kommunikations-) Psychologie zu integrieren, um praktische Kommunikationsprobleme bearbeiten zu können. Daher verwundert es nicht, dass sich sowohl Elemente des Grundmodells der Kommunikation als auch der Axiome von Watzlawick et al. (2007) in dem Quadrat der vier Seiten einer Nachricht (s. Abb. 5) wiederfinden. So werden die vier Seiten einer Nachricht in das Sender-Empfänger-Modell zur Differenzierung der übersendeten Nachricht eingefügt. Des Weiteren entspricht der Sachinhalt dem Inhaltsaspekt von Watzlawick et al., während die zweite, dritte und vierte Seite der Nachricht eine Unterscheidung des Beziehungsaspekts darstellen (Sticher, 2012, S. 37).

      Mit dem Quadrat als Herzstück des Modells sind mehrere Erkenntnisse verbunden, die bei der „Analyse konkreter Mitteilungen und zur Aufdeckung einer Vielzahl von Kommunikationsstörungen“ (Schulz von Thun, 2008, S. 15) helfen können: Kommunikation ist nicht eindeutig, sondern vierdimensional. Dadurch, dass in einer Nachricht viele Botschaften gleichzeitig enthalten sind, ist die Dekodierung für den Empfänger eine anspruchsvolle und häufig überfordernde Aufgabe, die wiederum zu einer missverständlichen Reaktion führen kann. Neben diesen Aspekten sollen die gleichlang dargestellten Seiten versinnbildlichen, dass alle vier Aspekte tatsächlich eine gleich starke Bedeutung haben.

      Bevor das Modell der vier Seiten entwickelt wurde, war noch ungeklärt, wie viele unterschiedliche Aspekte das Gelingen oder Misslingen der menschlichen Kommunikation beeinflussen. Bei der eingehenden Beschäftigung mit dem Themengebiet konnten die vier genannten Problembereiche identifiziert werden (Schulz von Thun, 2008, S. 13-14, 26-30; s. Schaukasten 3).

       Schaukasten 3

       Die vier Seiten einer Nachricht

       • Der Sachinhalt oder „Worüber ich informiere“ Problem: Wie kann ich Sachverhalte klar und verständlich mitteilen?

       • Die Beziehung oder „Was ich von Dir halte (Du-Botschaft) und wie wir zueinander stehen (Wir-Botschaft)“ Problem: Wie behandle ich Mitmenschen durch die Art meiner Kommunikation (akzeptierend und vollwertig – herabsetzend, bevormundend oder nicht ernst genommen)?

       • Die Selbstoffenbarung oder „Was ich von mir selbst – bewusst oder unbewusst – kundgebe (Ich-Botschaft)“ – gewollte Selbstdarstellung als auch unfreiwillige Selbstenthüllung

       • Der Appell oder „Wozu ich Dich veranlassen möchte“

      Die vier Seiten einer Nachricht sollen im Folgenden am Beispiel der Vernehmung verdeutlicht werden. Im Normalfall der Beschuldigten- oder Zeugenvernehmung kommt es sowohl nach dem PEACE-Modell (Weber & Berresheim, 2001) als auch nach der Sondierungsmethode (Sticher, 2007a) zu einem Auftaktgespräch mit der zu vernehmenden Person. Bereits durch die Art und Weise, wie die bzw. der Vernehmende die erste Sachinformation im kurzen Vorgespräch gestaltet, werden zusätzlich die drei anderen Ebenen bedient (s. Abb. 6): „Ein und die selbe Nachricht enthält viele Botschaften; ob er will oder nicht – der Sender sendet immer gleichzeitig auf allen vier Seiten“ (Schulz von Thun, 2008, S. 31).

       Abbildung 6

      Im Idealfall gestaltet der bzw. die Vernehmende die erste Nachricht so, dass die weitere Vernehmung in einer vertrauensvollen, möglichst angstfreien Beziehung stattfinden kann. So zeigen empirische Ergebnisse zur Beschuldigtenvernehmung, „(…) je positiver und angenehmer die Atmosphäre und damit die Beziehung zwischen Beschuldigtem und Vernehmer, desto größer ist auch die Wahrscheinlichkeit eines Geständnisses“ (Klein, Berresheim & Weber, 2005).

      Ein Beispiel für einen solchen Auftakt im Sinne von Abbildung 6 könnte folgendermaßen lauten (s. Schaukasten 4):

       Schaukasten 4

       Die vier Seiten einer Nachricht beim Vorgespräch einer Vernehmung

       Guten Tag, Frau …, vielen Dank, dass Sie meiner Einladung zur Vernehmung gefolgt sind. Bitte setzen Sie sich doch. Ich bin KHK … und werde heute mit Ihnen das Gespräch führen.

       Zunächst interessiert mich, ob Sie gut hergefunden haben? Bei den vielen Räumen hier ist das ja gar nicht so leicht.

       Der Grund für Ihre Vorladung besteht darin, dass Sie Zeugin des Vorfalls … wurden, zu dem die Polizei mittlerweile ermittelt. Da Ihre Beobachtung wichtig für das weitere Ermittlungsverfahren sein kann, möchte ich Sie diesbezüglich befragen. Der Ablauf der Vernehmung gestaltet sich folgendermaßen: … Dann möchte ich Sie zunächst über Ihre Rechte und Pflichten als Zeugin belehren und anschließend Ihre Personalien aufnehmen.

      Vielen Dank für Ihre Angaben. Wenn Sie mir gleich das von Ihnen Erlebte schildern, dann berichten Sie bitte alles, was Ihnen dazu einfällt und warten nicht darauf, dass ich nachfrage. Ich weiß ja noch nicht, was genau überhaupt vorgefallen ist.

      Würde die Ermittlungsbeamtin/der Beamte den Auftakt des Gesprächs mit den Sätzen „Guten Tag. So, hoffentlich das letzte Gespräch vor Dienstschluss. Dann erzählen Sie mal.“ beginnen, können (müssen nicht) die vier Ebenen wie folgt interpretiert werden:

       • Der Sachinhalt: Es ist wahrscheinlich das letzte Gespräch in meinem heutigen Dienst.

       • Die Beziehung: Ich interessiere mich wenig für Dich und Deine Aussage. Du bist einer von vielen, die ich befragen muss und mir damit nicht wichtig.

       • Die Selbstoffenbarung: Ich will Feierabend haben und das zählt.

       • Der Appell: Bitte schnell machen und zur Sache kommen, damit ich hier rechtzeitig rauskomme.

      Es ist offensichtlich, dass zahlreiche Störungen der Kommunikation ihren Ursprung auf der Senderseite haben. So können implizite Botschaften, das heißt nicht eindeutig ausgedrückte aber doch mitschwingende Teile der Nachricht in ihrer Uneindeutigkeit zu Missverständnissen führen: Ist das eine Luft hier kann, muss aber nicht bedeuten, dass jemand das Fenster öffnen soll. Ebenso wie inkongruente Nachrichten zu Irritationen führen können: Ich freue mich, Sie begrüßen zu dürfen mit ausdruckslosem Tonfall und gelangweilter Miene.

       Abbildung 7

      Einige Probleme menschlicher Kommunikation können direkt einer der vier Seiten einer Nachricht zugeordnet werden (Hesener, 2008):

       1. Sachebene: Unsachlichkeit, Unklarheit, vorgeschobene Sachlichkeit

       2. Beziehungsebene: Unterschiedliche