diese Weise werden die tatsächlichen Werte der Freien Standardbildungsenthalpien von Ionen um jeweils den gleichen festen Betrag so verschoben, dass sich für die Standardbildungsenthalpie des Wasserstoffions in wässriger Lösung null ergibt.
Illustration 3.13
Für die Reaktion
können wir für ΔRG⊖ in Abhängigkeit von den Freien Standardbildungsenthalpien der beteiligten Ionen
schreiben, wobei alle ΔBG⊖ der Elemente auf der linken Seite der Reaktionsgleichung jeweils gleich null sind. Aufgrund der Konvention ΔBG⊖(H+,aq) = 0 folgt ΔRG⊖ = ΔBG⊖(Cl−,aq), also ist ΔBG⊖(Cl−,aq) = −131,23 kJ mol−1.
Welche Faktoren beeinflussen die Größe der Freien Bildungsenthalpie eines Ions in Lösung? Zur Beantwortung dieser Frage ziehen wir einen thermodynamischen Kreisprozess heran. Wir betrachten die Freie Standardbildungsenthalpie von Cl– in wässriger Lösung auf der Grundlage der Reaktionsgleichung
Die Freien Standardbildungsenthalpien von Ionen in der Gasphase sind nicht bekannt. Daher setzen wir hier die Ionisierungsenergien (die Energien, die zur Entfernung von Elektronen aus Atomen oder Kationen in der Gasphase aufzuwenden sind) und Elektronenaffinitäten (die Energien, die mit der Aufnahme von Elektronen durch Atome oder Anionen in der Gasphase verbunden sind) ein und nehmen an, dass sich die Ionisierungsentropie von H+ und die Entropie der Elektronenaufnahme von Cl–, sowie Effekte der Umrechnung in Enthalpien ungefähr gegenseitig ausgleichen. Unsere Schlussfolgerungen aus dem Kreisprozess sind deshalb nur Näherungswerte. Dabei ist es wichtig im Hinterkopf zu behalten, dass der Wert von ΔBG⊖ für Cl– (bzw. eines beliebigen Anions X–) nicht nur von den Eigenschaften von Cl (bzw. eines beliebigen Elements X) selbst bestimmt wird, sondern auch Beiträge aus der Dissoziation, Ionisierung und Solvatation des Wasserstoffs enthält.
Abb. 3.19 Thermodynamischer Kreisprozess für die Diskussion der Freien Lösungs‐ oder Hydratationsenthalpie und der Freien Bildungsenthalpie von Chloridionen in wässriger Lösung. Die Summe der Änderungen der Freien Enthalpien im Kreisprozess ist null, weil G eine Zustandsfunktion ist.
(b) Die Born'sche Gleichung
Freie Solvatationsenthalpien einzelner Ionen kann man mithilfe einer Beziehung berechnen, die von Max Born abgeleitet wurde; bei diesem Modell wird ΔSolvG⊖ durch eine elektrostatische Größe ausgedrückt.
Herleitung 3.4: Die Born'sche Gleichung
In Borns Modell wird die Wechselwirkung zwischen dem Ion und dem Lösungsmittel mithilfe der grundlegenden Gesetze der Elektrostatik betrachtet: das Ion wird vereinfachend als geladene Kugel aufgefasst, und das Medium bzw. Lösungsmittel wird als Kontinuum (Dielektrikum) betrachtet. Auf der Grundlage des in Abschn. 3.4.1e hergeleiteten Ergebnisses suchen wir nun eine Beziehung zwischen der Freien Solvatationsenthalpie und der Arbeit, die zum Transport eines Ions aus dem Vakuum in das Lösungsmittel verrichtet werden muss. Letztere entspricht der Differenz der Arbeiten, die zur Aufladung des (hypothetischen, zunächst ungeladenen) Teilchens in der Lösung beziehungsweise im Vakuum aufgewendet werden müssen.
In dieser Herleitung greifen wir auf Konzepte zurück, die wir bereits in „Toolkit 6: Arbeit und Energie“ in Abschn. 2.1 vorgestellt haben. Die potenzielle Energie zwischen zwei elektrischen Punktladungen Q1 und Q2 im gegenseitigen Abstand r in einem Medium mit der Permittivität ϵ heißt Coulomb‐Energie:
wobei ϵ die Permittivität des Mediums ist. Die Vakuumpermittivität beträgt ϵ0 = 8,854 × 10−12 J−1 C2 m−1. Um die Energie einer Punktladung Q2 in Anwesenheit einer Punktladung Q1 (im Abstand r) anzugeben, verwenden wir das Coulomb‐Potenzial ϕ,
Da der Abstand r in Meter und die Ladung Q1 in Coulomb (C) angegeben wird, lauten die Einheiten des Coulomb‐Potenzials J C–1. Per Definition ist 1 J C−1 = 1 V, daher kann φ auch in der Einheit Volt angegeben werden.
Schritt 1 Herleitung eines Ausdrucks für die Aufladung eines kugelförmigen Ions unter Berücksichtigung seines Endvolumens in einem Medium.
Wenn Q die Ladung der Kugel ist, ist das elektrische Potenzial ϕ an ihrer Oberfläche genauso groß wie das Potenzial infolge einer Punktladung in ihrer Mitte; wir können deshalb die obige Beziehung verwenden:
Zur Anlagerung einer Ladung dQ an die Oberfläche muss die Arbeit ϕ(ri)dQ verrichtet werden. Wenn die ungeladene Kugel auf diese Weise mit der Ladung zie versehen werden soll, ist daher insgesamt eine Arbeit
aufzuwenden. Nach Multiplikation von w mit der Avogadro‐Konstante NA erhält man die molare Freie Standardenthalpie der Aufladung der Teilchen.
Schritt 2 Anwendung des Ergebnisses auf eine Lösung und ein Vakuum.
Setzt man nun ϵ = ϵ0, die Vakuumpermittivität, liefert die letzte Gleichung aus Schritt 1 die Arbeit, die zur Aufladung des Teilchens im Vakuum erforderlich ist. Für beliebige andere Medien ergeben sich die entsprechenden Werte durch Einsetzen von ϵ = ϵrϵ0, wobei ϵr die relative Permittivität (früher Dielektrizitätskonstante) eines Mediums ist.
Schritt 3 Identifizierung der Freien Solvatationsenthalpie als Arbeit, die zum Transport eines Ions aus dem Vakuum in das Medium verrichtet werden muss. Die Differenz dieser beiden Werte liefert die molare Freie Standardenthalpie für den Transport eines Ions aus dem Vakuum in ein Lösungsmittel:
Durch geringfügiges Umstellen auf der rechten Seite der Beziehung ergibt sich schließlich die Born'sche Gleichung: