auch die Landung. Jedoch war das Aufsetzen wegen eines mechanischen Fehlers an einigen Landebeinen und einer etwas ungenügenden Triebwerksleistung so hart, dass es zu Beschädigungen führte, die einige Minuten nach dem Aufsetzen doch noch mit einer Explosion des Testvehikels endeten. Der erste und einzige Flug des Prototypen SN 15 verlief dagegen am 5. Mai 2021 vollständig erfolgreich. Dies führte zu dem mutigen Entschluss, danach gleich mit der gesamten Trägerkombination einen teilorbitalen Versuchsstart zu unternehmen, den „Starship-Testflug nach Hawaii“, dessen Planung immer klarere Formen annimmt und den wir gleich beschreiben werden. Doch zunächst ein wenig SpaceX-Terminologie.
SpaceX-Terminologie
Vielleicht fällt Ihnen an dieser Stelle auf, dass die Starships SN 7, SN 12-14 und SN 16 bis 19 nirgendwo erwähnt werden. Genauso wenig wie die Super Heavies Nummer 1-3. Das liegt an der Testphilosophie von SpaceX, die – wie Elon Musk es bezeichnet – „hardware-rich“ angelegt ist. Es gibt also viel zu testende Hardware, und es wird von Anfang an geflogen. Testen und fliegen ist hier die Devise. Die klassischen Aerospace-Firmen machen es anders. Sie testen für viele Jahre nur auf Komponenten- und maximal Subsystem-Ebene. Eines Tages dann, meist viele Jahre nach Programmstart, erscheinen sie dann mit einem komplett fertigen Produkt auf der Startrampe, nur um dann möglicherweise festzustellen, dass dieses Produkt dann – siehe Ariane 6 – schon längst nicht mehr konkurrenzfähig ist. SpaceX pflegt seit Anbeginn des Unternehmens eine iterative Vorgehensweise, wie sie in der „klassischen“ Raumfahrt nur in ihren allerersten Anfängen betrieben wurde. Geflogen wird bereits im frühestmöglichen Stadium, auf einfachen, manchmal „rohen“ Prototypen und mit so genannten „Boilerplates“, die mit dem Endprodukt irgendwann nur noch die grobe äußere Form gemeinsam haben, und manchmal nicht einmal das. Dieses Vorgehen ist schon deshalb notwendig, weil SpaceX seinen Konkurrenten inzwischen so weit vorausgeeilt ist, dass das Unternehmen überall absolutes Neuland betritt. Technische Regionen, wo sich noch nirgendwo ein „klassisches“ Vorhaben etabliert hat. Entwicklung durch „Versuch und Irrtum“ ist hier die Devise. SpaceX baut deshalb Erprobungsträger am laufenden Band und verschrottet sie auch wieder, wenn sie nicht länger benötigt werden. Oberstes Prinzip dabei ist: Niemals knapp an Flugtest-Hardware werden. „Hardware-rich“ arbeiten. Zunächst baute SpaceX für die Starship-Entwicklung insgesamt vier so genannte „Starhopper“, die für Bodentests und kleine Testflüge bis in 150 Meter Höhe verwendet wurden. Sie sind – obwohl nie so benannt – die SNs 1-4. Offiziell begann die „SN“-Bezeichnung mit SN 5, die ebenso wie SN 6 für Tests in Bodennähe und Flugzeiten von etwa einer Minute verwendet wurden. SN 7 flog gar nicht, denn dieses Gerät wurde bei Bodenversuchen – absichtlich – bis zur Zerstörung geprüft. Den Einsatz der SNs 8-11 haben wir bereits eingangs beschrieben. Die bereits teilweise fertig gestellten SNs 12-14 wurden wieder verschrottet, weil mit SN 15 aufgrund der Erfahrungen der vorausgegangenen Flüge ein verbessertes Modell hergestellt wurde. Dieses Modell war – wir haben es oben gesehen – auf Anhieb erfolgreich. SN 16 war da schon fertig gestellt und wird möglicherweise zukünftig noch für einen supersonischen Testflug verwendet werden. Die schon fertigen Komponenten für die SNs 17-19 wurden wieder verschrottet.
Das Vorgehen bei den „Super Heavies“ ist ähnlich. Die SNs 1-3 waren reine Bodentestgeräte und sind inzwischen teilweise schon wieder demontiert und der Stahlschmelze zugeführt. SN 4 wird die erste raumflugtaugliche Super Heavy sein. All das führt zu der (derzeit wahrscheinlichen) Erstflug-Kombination für den „Hawaii-Express“ von Starship SN 20/Super Heavy SN 4. Es könnte aber auch genauso gut Starship SN 21/Super Heavy SN 5 sein, denn auch diese beiden Testflugkombinationen sind bereits fertig produziert.
Testflug nach Hawaii
Wann wird nun der erste orbitale Testflug stattfinden? Und wie wird der Flugverlauf aussehen? Hier zeichnet sich zu dem Zeitpunkt, an dem diese Zeilen entstehen, bereits ein klares Bild ab. Zunächst einmal scheint es nicht ganz so schnell zu gehen, wie Elon Musk es gerne hätte, denn die erforderlichen Genehmigungen von FCC (Federal Communications Commission) und FAA (Federal Aviation Administration) stehen Anfang September 2021 immer noch aus. Die Behörde lässt sich nun schon einige Monate Zeit, diese beizubringen, denn immerhin hat SpaceX den Antrag bereits im Mai 2021 gestellt. Wie schon so manches Mal bei Anträgen von SpaceX zeigen sich auch dieses Mal die Behörden überfordert.
Es ist aber auch zugegeben nicht ganz simpel beim Erstflug einer fünftausend Tonnen schweren Rakete, der zu drei Viertel um den Erdball herumführen soll. Immerhin scheint es einige Anzeichen dafür zu geben, dass das nicht mehr ganz so lange dauern wird, denn Elon Musk erspart es sich geflissentlich, auf die Trägheit der Behörde hinzuweisen, wie er es in der Vergangenheit schon öfters getan hat. Die Mission der 125 Meter hohen Kombination aus Starship und Super Heavy wird von Boca Chica aus erfolgen, von der brandneuen kombinierten Startrampe und Landevorrichtung, die zum Zeitpunkt des Fluges noch nicht einmal vollständig fertiggestellt sein dürfte. Super Heavy SN 4 wird für diesen Flug nur mit 29 Triebwerken ausgerüstet sein, anstatt mit 32, wie bei den späteren „normalen“ Einsätzen. Dem Flug vorausgehen werden einige – wahrscheinlich drei oder vier – so genannte „Static Firings“, bei denen die Rakete auf dem Startsockel festgehalten wird. Der erste dieser statischen Brennläufe wird wahrscheinlich nur mit einigen wenigen Triebwerken erfolgen, wahrscheinlich mit drei bis neun der Raketenmotoren. Danach wird das gesteigert, bis beim letzten dieser Probezündungen alle Triebwerke für wenige Sekunden gleichzeitig laufen. Gleichzeitig gezündet werden sie übrigens nicht, sondern in einer genau choreografierten, nur wenige Hundertstelsekunden auseinander liegenden Abfolge, um gefährliche Resonanzen zu unterbinden.
All das sind extrem kritische Momente, denn beim Betrieb so vieler Raptor-Triebwerke tut sich ein Höllenfeuer auf. Nie seit den Tagen der Saturn V hat es je einen solchen feuerspeienden Vulkan auf einer Startrampe gegeben. Wenn dann beim tatsächlichen Start alle Triebwerke laufen, dann wird der Gesamtschub doppelt so groß sein, wie seinerzeit beim Start zu den Apollo-Mondflügen. Mit den dabei ablaufenden thermodynamischen Prozessen befindet sich SpaceX, wie schon so oft in seiner Geschichte, wieder einmal in absolutem Neuland.
Elon Musk erklärte in einem Interview im August, er hoffe, dass die Rakete zumindest den Startplatz in geordnetem Zustand verlässt, bevor es zu einem möglichen „RUD“ kommt. Ein RUD ist in seiner manchmal etwas selbstironischen Terminologie eine „Rapid Unscheduled Disassembly“, also eine schnelle ungeplante Demontage, für gewöhnlich auch „Explosion“ genannt.
Wenn der Rakete so etwas schon kurz nach dem Abheben passiert, ist das nicht schön. Schlimm wäre es aber, wenn es noch auf der Rampe geschieht. Denn die „Stufe Null“, wie Elon Musk den Startplatz gerne bezeichnet, ist wesentlich teurer und komplizierter als die Rakete selbst. Ein neues Starship herzustellen sei zwar nicht billig, so meint er, aber immer noch viel billiger und weniger zeitaufwendig, als eine völlig zerstörte Startanlage neu aufzubauen.
Gehen wir davon aus, dass die Rakete den Startsockel sicher verlassen hat. Nun folgt der Aufstieg der Rakete. Zunächst vertikal, dann immer mehr nach Südosten hin geneigt. Überraschend für den Betrachter wird sein, wie schnell sich die Rakete bewegen wird. Das Schub-Gewichtsverhältnis des Behemots liegt fast bei 1,5 zu 1. In etwa 12.000 – 16.000 Metern kommt eine weitere sehr kritische Phase: Die Zone der maximalen dynamischen Belastung. Die Rakete durchquert hier die Übergangszone vom transsonischen zum supersonischen Geschwindigkeitsbereich. Hier treten Schockwelleneffekte auf, starke aerodynamische Turbulenzen und vor allem ein enormer Staudruck, der auf der Struktur der Rakete lastet. Diese Zone, von den Raumfahrttechnikern „max q“ genannt, war schon das Grab so mancher Rakete, insbesondere bei ihren ersten Testflügen. Hier passiert vieles, was sich nicht mit letzter Gewissheit berechnen oder auf dem Boden testen lässt. Hier treten Vibrationen auf, es entstehen Resonanzeffekte und ganz generell zeigt sich hier, was eine Rakete aushält.