Personen, die von ihren jeweiligen Raumfahrtagenturen entsandt wurden. Sie hatten allesamt quasi den Status von Profi-Kosmonauten. Die Idee der TBC war natürlich als Werbung für den Sender gedacht. Die Gesellschaft erhoffte sich eine enorme Steigerung der Zuhörer- und Zuseherquote und vor allem reichlich Werbeeinnahmen. Der Deal wurde abgeschlossen, und man bezahlte den Sowjets dafür einen Betrag, der bis heute nicht genau bekannt ist. Man spricht von einer Summe zwischen 25 und 37 Millionen Dollar. Die Sowjets selber gaben allerdings an, nur 14 Millionen Dollar erhalten zu haben. Am Ende bewarben sich 163 Angestellte des Senders. Ausgewählt wurden am 17. August 1989 der schon erwähnte Toyohiro Akiyama, der langjährige Washington-Korrespondent des Senders und einer seiner Star-Journalisten, und die Kamerafrau Ryoko Kikuchi. Beide meldeten sich im Oktober desselben Jahres zum Training im Moskauer Juri Gagarin- Kosmonautenzentrum.
Akiyama, komplett unsportlich und obendrein ein starker Raucher, der vier Packungen Zigaretten täglich konsumierte, litt schon während des Trainings erheblich an der Sache. Zu diesem Zeitpunkt mag er auch noch gehofft haben, dass Ryoko Kikuchi für die Mission nominiert würde, und die Chancen waren für sie auch nicht schlecht. Doch dann erlitt sie kurz vor dem Flug einen Blinddarm-Durchbruch und Akiyama verblieb als einziger Kandidat. Schließlich startete er am 2. Dezember 1990 zusammen mit Victor Afanasjew und Mussa Manarow in Sojus TM-11 und es war ein persönliches Desaster für ihn. Wohl kaum ein Mensch davor (der US-Senator Jake Garn mag hier die Ausnahme sein) und keiner danach litt so sehr unter der Raumkrankheit wie er. Das hatte auch erheblichen Einfluss auf seine Performance als Berichterstatter. Er sollte täglich in jeweils einer Fernsehsendung und zwei Rundfunkübertragungen aus dem Weltraum berichten, war aber so gehandicapped, dass ihm das nur unzureichend gelang. Manche seiner banalen (Ich sehe jetzt hier grade aus dem Fenster raus) oder skurillen Kommentare (Dicke japanische Frösche im Weltraum lieben die Schwerelosigkeit. Dünne japanische Frösche benehmen sich, als wären sie lieber in Yokohama) hatten seinerzeit einen gewissen Kultstatus. Andere würden in unserer eher humorlosen Zeit als politisch unkorrekt gebrandmarkt werden (Ich kann’s nicht erwarten, wenn ich endlich wieder eine rauchen kann). Insgesamt ließ das Publikumsinteresse gegen Halbzeit seiner knapp achttägigen Mission deutlich nach, und die Quoten des Senders waren ab da kaum besser als vor dem Flug von Akiyama. Am Ende stellte sich die Sache für TBC als finanzieller Flop dar. Man sprach von einem Minus von 7,4 Millionen Dollar, welches das Unternehmen mit dem Projekt machte. Aber immerhin: der erste kommerzielle bemannte Raumflug war Geschichte. Und mit Akiyama war gleichzeitig der erste Japaner in den Weltraum geflogen. In den Jahren danach wurde immer wieder über den tatsächlichen Status von Akiyama diskutiert. War er nun ein „Weltraum-Tourist“ oder eher der erste Weltraum-Geschäftsreisende? Einen ähnlichen Sonderstatus wie Akiyama bekam auch ein halbes Jahr später Helen Sharman, die erste Britin im Weltraum. Für ihren Flug war das „Projekt Juno“ ins Leben gerufen worden. Ihr Flug wurde zum Teil durch ein Konsortium britischer Firmen finanziert. Den anderen Teil bezahlte seinerzeit die Sowjetunion. Sharman, die einen Doktortitel in Chemie hatte, wickelte allerdings bei ihrer Mission ein volles Forschungsprogramm ab. Sie war im besten Sinne als professionelle Kosmonautin unterwegs, aber nachdem sie nicht einem institutionellen Astronautencorps angehörte, wird sie heute eher als „Spaceflight Participant“ tituliert, also als „Teilnehmerin an einem Raumflug“. Im Übrigen war sie zum Zeitpunkt ihres Fluges noch keine 28 Jahre alt, und damit einer der jüngsten Menschen, die je in den Orbit flogen.
Zwischen 2001 und 2009 besuchten insgesamt neun Männer und eine Frau mit Hilfe der Russen die Internationale Raumstation. Der erste war Dennis Tito der letzte Guy Laliberté, der Mitbegründer des Cirque du Soleil. Einer von ihnen, Charles Simonyi flog sogar zweimal. Von diesen insgesamt elf Missionen waren acht rein privat von diesen Einzelpersonen finanziert. Die restlichen drei wurden von Institutionen im Heimatland der „Spaceflight Participants“ bezahlt.
Nach 2009 trat eine zehnjährige Pause im orbitalen Weltraumtourismus ein, denn in der Nach-Shuttle-Ära hatten alle westlichen Astronauten keine andere Möglichkeit zur ISS zu gelangen, als mit Hilfe russischer Raumfahrzeuge. Diese Flüge wurden über die NASA organisiert, die schlichtweg alle freien Plätze bei den Sowjets wegkaufte. Freie Plätze standen somit nicht für „touristische“ Flüge zur Verfügung. Eine Ausnahme war die Mission von Hazza al Mansouri, der im September 2019 mit Sojus MS-15 die ISS für eine Woche besuchte. Sein Aufenthalt war nur deswegen möglich, weil die US-Astronautin Christina Koch einen Besatzungswechsel übersprang, und erst nach fast einem Jahr im Weltraum wieder zur Erde zurückkehrte.
Doch nun ist die Zeit gekommen, dass derartige „Kunststückchen“ nicht mehr notwendig sind. Die entscheidende Änderung kam mit dem Beginn der Einsätze des Crew Dragon von SpaceX. Damit stehen nun auf US-Seite wieder eigene Crew-Transportkapazitäten zur Verfügung, was es auf der anderen Seite den Russen ermöglicht, ihrerseits Plätze in den Sojus-Raumschiffen zu besetzen, die zuvor von den westlichen Berufsastronauten in Beschlag genommen worden waren. Wenn zukünftig mit dem Boeing Starliner noch weitere zusätzliche Kapazität verfügbar wird, steht einem vergleichsweise breiten Wachstum des Weltraumtourismus nichts mehr im Wege.
Nun ist sie also da, die Stunde der Privatastronauten und – kosmonauten, von vielen etwas despektierlich als der „Orbitale Weltraumtourismus“ beschrieben. Doch das wäre ungerecht. Fast jeder dieser Flüge hat eine „Mission“, einen ethischen oder kommerziellen Hintergrund, nicht viel anders als mancher institutionelle Einsatz. Nur sind sie eben auf rein privatwirtschaftlicher Basis organisiert. Noch ist es alles andere als eine Massenbewegung, aber immer häufiger werden uns jetzt Namen von Besatzungsmitgliedern begegnen, von denen selbst ausgebuffte Raumfahrt-Nerds nie zuvor etwas gehört haben. Schauen wir uns an, was sich alleine für den nächsten Berichtszeitraum von SPACE, also zwischen September 2021 und August 2022 in der „Pipeline“ befindet.
Inspiration4
In den Tagen kurz nach dem Redaktionsschluss von SPACE 2022 bricht gerade die erste dieser Privatcrews unter der Leitung des 38-jährigen Milliardärs Jared Isaacman auf. Dieser Flug weist eine ganze Reihe interessanter Features auf. Zunächst einmal benötigt er nicht die ISS als Ziel, denn es handelt sich dabei um einen Solo-Flug. Das ist zum einen eine Einengung, zum anderen gibt es aber neue Freiheiten. So wird dieser Flug auf die ungewohnte Orbithöhe von 540 Kilometer führen. Das ist 100 Kilometer über der Bahn der ISS. Es ist auch der erste Orbitalflug seit 2009, dessen Primärziel nicht die ISS ist. Die Privatcrews setzen viel Geld ein. Da braucht es ein Programm und einen Programmnamen um das Ganze auch ideell zu unterstützen. Bei Jared Isaacman und seinen Mitstreitern heißt das Motto „Inspiration4“ und ist im Grund eine riesige Sponsoring-Aktion für die St. Jude-Kinderklinik in Memphis, Tennessee. Diese Klinik ist führend in der weltweiten Leukämie-Forschung bei Kindern. Behandlungen dort sind kostenlos, was bedeutet, dass die Klinik ausschließlich von Spenden und Stiftungen lebt. Die Inspiration4-Crew wird mit dem Dragon „Resilience“ fliegen. Dieselbe Raumkapsel, mit der bereits die Crew 1-Mission stattfand. Mit Michael Hopkins, Victor Glover, Soichi Noguchi und Shannon Walker, die damit für 139 Tage zur ISS flogen. Dieses Raumschiff wurde von SpaceX überholt, und mit einem ganz besonderen Feature ausgerüstet: Einer Art Cupola, ähnlich wie auf der ISS, nur „en miniature“. Eine Liste der Crew-Mitglieder finden Sie in der nebenstehenden Box. Isaacman verdient sein Geld unter anderem als Gründer und CEO des Zahlungsdienstleisters Shift4Payments. Er ist ein erfahrener Pilot mit Lizenzen für eine ganze Reihe von Militärjets. Sein Unternehmen Draken International besitzt die vielleicht größte Flotte an Kampfjets außerhalb einer regulären Luftwaffe (er besitzt unter anderem eine Mig 29). Hayley Arcenaux ist eine ehemalige Patientin des St. Judes Hospitals und arbeitet