werden. Bis etwa 150-170 Sekunden nach dem Liftoff. Dann erfolgt die Stufentrennung. Die Kombination ist nun etwa 6.500 Kilometer pro Stunde schnell und bewegt sich in einer Höhe von etwa 60 Kilometern über dem Golf von Mexiko. Hier hat sich SpaceX ein völlig neues Verfahren ausgedacht, um den Betrieb pyrotechnischer Vorrichtungen oder vorgespannter Federmechanismen zu vermeiden, über deren Auswirkungen bei so immens großen Körpern wenig bekannt ist. Die ganze Starship-Kombination wird in eine leichte Drehung versetzt und die beiden Komponenten trennen sich sanft und langsam voneinander. Die Stufentrennung wird damit etliche Sekunden länger dauern, und weniger dynamisch und explosiv ablaufen, als das sonst bei Orbitalraketen der Fall ist. Ist der Vorgang abgeschlossen, dann zünden zunächst die sechs Raptor-Triebwerke des Starship und der weitere Aufstieg in den Orbit wird fortgeführt. Nur Sekunden später dreht sich die Super Heavy und zündet drei bis sechs ihrer 29 Triebwerke, um den Rückflug zum Startplatz einzuleiten. In einer weiten Parabel erreicht die 70 Meter lange Stufe nach einigen Minuten das Apogäum ihrer ballistischen Bahnkurve in etwa 110 Kilometern Höhe und fällt dann wieder der Golfküste vor Boca Chica entgegen. Nach etwa sieben Minuten beginnt der „Re-entry Burn“, ein Brennmanöver, mit dem die Geschwindigkeit soweit herabgesetzt wird, dass die thermischen und dynamischen Belastungen beim finalen Landemanöver nicht zu groß werden. Etwa 30 Sekunden vor dem Aufsetzen beginnt der „Landing Burn“. Ein Brennmanöver bei dem zunächst noch drei, danach nur noch ein Triebwerk eingebunden ist. Im Normalfall wird die Super Heavy zum Startplatz zurückkehren. Der „Booster-Touchdown“ sollte etwa achteinhalb Minuten nach dem Liftoff erfolgen. Bei diesem allerersten Flug wird ihre Mission aber nicht dort enden. Aus Sicherheitsgründen erfolgt der Landeversuch etwa 30 Kilometer vor der Küste von Boca Chica im Wasser. Diese erste Super Heavy ist somit als Verlustgerät geplant. Die Rakete wird, wenn sie eine halbwegs saubere Landung hinlegt, schwimmfähig sein (sie hat ja riesige und nunmehr leere Tanks) und kann dann geborgen werden. Allerdings nicht für den Zweck, weitere Flüge durchzuführen, dazu werden die Schäden zu groß sein.
In der Zwischenzeit setzt die Oberstufe, also das Starship, seinen Flug fort. Er verläuft in Richtung Florida-Straße, wo sie zwischen den Florida Keys und Kuba hindurchfliegt und etwa an dieser Stelle auch die Umlaufbahn erreicht. Für gut zehn Minuten wird das Starship nun im Orbit verbleiben, bis über dem Südatlantik das Retro-Manöver erfolgt.
Die Landung wird etwa 100 Kilometer nordwestlich von Kaui erfolgen, einer Insel, die zum Hawaii-Archipel gehört. Sollte auch die erfolgreich verlaufen, dann könnte auch die Oberstufe aus dem Wasser geborgen werden, wenn auch nicht mehr in flugfähigem Zustand. Das Starship sollte seinen Flug ziemlich genau 90 Minuten nach dem Liftoff beendet haben, sofern die Dinge nach Plan verlaufen. Die ganze Mission wird fast vollständig über Wasser erfolgen, auch das ist eine Sicherheitsmaßnahme. Land wird lediglich, sieht man von den südlichen Florida-Keys einmal ab, über Namibia und Botswana und später im Flug über Papua Neuguinea berührt. In etwa 100 Kilometern Abstand wird auch das Kwajalein-Atoll passiert, das über exzellente Trackingvorrichtungen des US-Militärs verfügt. Das könnte die Landephase des Starship im Zentralpazifik unterstützen.
Das zukünftige Landeverfahren
SN 20/BN 4 sind beide Verlustgeräte. Allerdings ist das nur zu verständlich angesichts des frühen Stadiums der Entwicklung und (angesichts) des technologischen Neulands, das dabei betreten wird. Keinesfalls will SpaceX die teuren Anlagen in Boca Chica gefährden, wenn möglicherweise eine außer Kontrolle geratene Super Heavy in den Start- und Fangturm kracht. Letzterer wird allerdings beim Start von SN 20/BN 4 ohnehin erst in seiner Startkonfiguration fertig sein. Die Fertigstellung der Fanganlage dürfte noch einige Monate länger dauern. Das sensationelle Landeverfahren für die Super Heavy und das Starship, das sich Elon Musk und seine Ingenieure ausgedacht haben, wäre alleine schon einen großen Artikel wert. Vielleicht in SPACE 2023. Für dieses Mal nur kurz: Sowohl das Starship als auch die Super Heavy werden über keine Landebeine verfügen. Eine Ausnahme davon gibt es nur für die zukünftige Mondlandevariante des Starship. Vielmehr werden die beiden Fahrzeuge in der Endphase der Mission den Starttum direkt anfliegen, und dort von gewaltigen Greifarmen gewissermaßen aus der Luft „gepflückt“, und wieder auf den Startsockel gestellt (Super Heavy) oder gleich nach dem Einfangen wieder auf den Booster aufgesetzt (Starship). Ursprünglich war angedacht, genau wie bei der Erststufe der Falcon 9, Landebeine an beiden Stufen anzubringen. Davon ist SpaceX inzwischen abgekommen. Die notwendigen strukturellen Verstärkungen und das (beim Start) tote Gewicht der Landebeine – es wären bei diesem System etliche Tonnen an Masse – können so direkt in Nutzlast investiert werden. Der Startturm dient gleichzeitig als Landeanlage. Eine kühne Idee, erfordert sie doch, dass ein zurückkehrender Booster und ein zurückkehrendes Starship metergenau den Startturm anfliegen, dort vertikal am Turm entlang nach unten sinken, dann von Fangarmen in der Luft ergriffen und danach von diesen vorsichtig abgesetzt werden. Man muss sich dabei stets vor Augen halten, dass die beiden Fluggeräte ungeheuer groß sind. Das Starship ist 55 Meter hoch mit neun Metern Durchmesser und einem Leergewicht von 100 bis 120 Tonnen. Die Super Heavy ist 70 Meter hoch und dürfte ein Leergewicht von mindestens 200 Tonnen auf die Waage bringen. Beide werden aber bei der Landung immer noch etliche Tonnen an Treibstoff mit an Bord führen. Der Start- und Landeturm ist 146 Meter hoch. Die beiden riesigen Greifarme, die den Booster und das Starship aus der Luft „pflücken“ sollen, können in Sekunden hydraulisch nach vorne und zurück fahren und laufen dabei gleichzeitig an einem Schienensystem auf und ab, um den Bewegungen der anfliegenden Rakete zu folgen. Funktioniert dieses System, dann hätte es den Vorteil, sehr schnelle „Turn-Around-Zeiten“ zu ermöglichen, die Bergungskosten fast auf null zu eliminieren, Gewicht zu sparen, das man andernfalls erst in den Weltraum und wieder zurück bringen müsste und jede Menge Bodeninfrastruktur einzusparen. Eine Wiederholung eines Starts mit denselben beiden Stufen wird auf diese Weise innerhalb eines Zeitraums von weniger als einem Tag angestrebt.
Was kommt nach dem Hawaii-Express?
Auch die kühnsten Optimisten nehmen nicht an, dass der Flug des „Hawaii-Express“ reibungslos vonstatten gehen wird. Das Gerät ist ungleich komplexer als die Falcon 9, der heutige Standardträger von SpaceX. Selbst die brauchte eine ganze Anzahl von Missionen und viele Fehlversuche, bis der heutige Status erreicht war, bei dem 95 Prozent der Landungen erfolgreich verlaufen. Man kann also davon ausgehen, dass auch mit dem Starship eine größere Anzahl von Flügen stattfinden wird, bis das System perfektioniert ist. Vieles wird schief gehen, doch irgendwann wird es klappen. Wie immer der Flug des „Hawaii-Express“ ausgeht, die nächste Mission danach wird nicht lange auf sich warten lassen. Man kann davon ausgehen, dass SN 21/BN 5 im Frühjahr 2022 auf die Reise gehen wird. Für den Fall, dass der Flug von SN 20/BN 5 wenigstens teilweise erfolgreich war, dann wird es dieses Mal in einen stabilen Orbit und über mehrere Erdumkreisungen gehen. Möglicherweise wird schon bei dieser zweiten Orbitalmission ein Rückflug zur Start- und Fanganlage versucht. Zwei bis drei weitere Testflüge könnten danach im Jahr 2022 noch folgen. Alleine schon SpaceX wird also wieder einmal für ein spannendes Raumfahrtjahr sorgen.
Privater Ausflug in den Orbit
Der japanische Journalist Toyohiro Akiyama war der Erste. Und es gefiel ihm nicht besonders. Akiyama gilt heute als der „Antiheld“ der Raumfahrer. Dabei hatte er sich eigentlich freiwillig gemeldet, aber eher weil er dachte, dass er das seiner Tätigkeit als Journalist schuldete und es vielleicht auch seiner Karriere förderlich sein könnte. Mit seinem Raumflug so richtig angefreundet hat er sich erst lange Jahre danach.
1989 verfiel sein Arbeitgeber, die Tokio Broadcasting Corporation (TBC), auf die Idee, den 40. Geburtstag des Senders mit einem ganz besonderen Ereignis zu begehen. Er beschloss einen bemannten Raumflug für einen seiner Angestellten zu finanzieren. Möglich war das nur mit den Sowjets. Als ausländischer „Zivilist“ im Shuttle-Programm zu fliegen war unmöglich. Vor allem im Licht der noch nicht lange zurückliegenden Challenger-Katastrophe von 1986.
Mit den Sowjets hingegen ging es.