Группа авторов

Exil und Heimatferne in der Literatur des Humanismus von Petrarca bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts


Скачать книгу

auf den erneuten Mordversuch und die Reminiszenz an jenen von 1433 gleich doppelt. Gleichzeitig mit den Verbrechen wird auch der Mann, der sie angeblich angeordnet hat, eingeführt: Cosimo. Durch seine direkte Ansprache gleich mit dem ersten Wort, einem verächtlichen Munde, dem kurz darauf das Adjektiv dire nachgestellt wird, wird er als Adressat der Satire eindeutig definiert.23 Mundus ist ein von Filelfo für Cosimo häufig verwendetes Epitheton, das sich auf die Etymologie von „Cosimo“, nämlich κόσμος, zurückführen lässt.24 Der Autor spielt mit dem Ausdruck voller Ironie auf Cosimos Hochmut an, denn dieser meine, die ganze Welt zu beherrschen.

      Die Verbindung tuus […] Philippus weist den sicarius, der Filelfo namentlich bekannt ist, fast als wäre er ein altbekannter Freund, eindeutig seinem Auftraggeber zu. Mit der auffallend dichten Verwendung von Possessiv- und Personalpronomina in diesen vier Versen schafft der Tolentiner zudem eine klare Distanz zwischen sich und dem politischen Machthaber: tuus, tuo und te stehen in Gegensatz zu mihi und me.25 Dennoch beschreibt Vers 4 eine Gemeinsamkeit beider: Sowohl Filelfo als auch Cosimo wäre im Falle des Gelingens des Attentats etwas weggenommen worden – dem einen sein Lebensatem, dem anderen eine Last: quo me sicarius aura / privaret […] et tanta te mole levaret.

      Das Motiv der Last zieht sich auch in der nun folgenden rhetorischen Frage weiter, die Filelfo ebenfalls direkt an Mundus richtet (5–6): Quur adeo tibi nostra gravis, tibi nostra dolori / est vita, et tantos affert tibi, perdite, luctus? („Warum ist dir mein Leben so beschwerlich, so schmerzhaft und bringt dir so große Trauer, Verdorbener?“). Auch hier steht tibi […] tibi […] tibi wieder im klaren Gegensatz zu dem vom Autor verwendeten nostra […] nostra. Cosimo wird als Leidtragender dargestellt, der Filelfos Existenz ertragen muss, die ihm gravis und dolori ist und die ihm, als Höhepunkt der trikolonischen Klimax, tantos luctus bringt. Diesem seinen Leiden wollte er wohl mit den beiden geplanten Mordanschlägen ein Ende setzen. Der gesandte sicarius sollte ihn endlich davon befreien, was allerdings weder beim ersten Versuch noch beim zweiten während Filelfos Exil in Siena gelungen war.

      In den folgenden, von Filelfo selbst vorgeschlagenen Antworten auf die in 5–6 gestellten Fragen tritt zum ersten Mal explizit das Thema des Exils zum Vorschein (7–11):

      Num quia quo possum faveo quos ieceris urbe,

      consilio atque fide? Quod quae mihi praemia Sena

      munere pro pulchro statuit communia mecum

      immerito patria pulsis et fraude fugatis

      esse volo, nulloque inopes discrimine servo?

      (Etwa, weil ich, wo ich kann, die, die du aus der Stadt geworfen hast, durch Ratschlag und Treue unterstütze? Weil ich will, dass die Vorzüge, die mir Siena zum schönen Geschenk bestimmt hat, den unverdient aus der Heimat Verstoßenen und durch Betrug Vertriebenen mit mir gemeinschaftlich sind, und ich ohne Unterschied den Mittellosen diene?).

      Als variatio für quos ieceris urbe verwendet Filelfo hier die alliterierenden Ausdrücke patria pulsis und fraude fugatis. Alle drei Wendungen suggerieren eine unrechtmäßige Verhängung des Exils, das nur durch Betrug durchgesetzt worden sei. Filelfo stellt sich selbst als guten Samariter dar, der seinen Leidensgenossen consilio atque fide zur Seite stand. Das Adverb immerito unterstreicht, dass sich die Exilanten unverdient in ihrer Lage befanden: sie sind zu Unrecht vom ‚bösen‘ Cosimo verstoßen worden.

      Die Vorgeschichte zu Filelfos Exil begann mit seiner Anstellung am Studium Florentinum26 im April 1429, die von Palla Strozzi und Persönlichkeiten wie Cosimo de’ Medici, Niccolò Niccoli, Ambrogio Traversari und Leonardo Bruni befürwortet worden war. Seine Vorlesungen fanden zwar allseits großen Anklang, doch geriet Filelfo schon bald „in die Mühlen des Florentiner Ränkespiels“.27 Immer heftiger und häufiger wurden die Auseinandersetzungen mit den anderen Gelehrten, beispielsweise mit Carlo Marsuppini, der versuchte, Filelfo seine Stelle am Studio streitig zu machen.28 Spielten anfangs noch Differenzen in kulturellen Fragen die Hauptrolle, so gewann mit der Zeit die politische Dimension die Oberhand. Filelfo gelang es nicht, sich angesichts der zunehmenden Spannungen zwischen der Partei der Albizzi und der aufstrebenden Familie der Medici neutral zu verhalten. Er schlug sich auf die Seite der schwächeren Partei von Rinaldo degli Albizzi, womit er sich Cosimo de’ Medici und dessen gesamte Anhängerschaft, neben Marsuppini auch Poggio Bracciolini und Niccoló Niccoli, zum Feind machte. Ausschlaggebend war 1431–1432 Filelfos lectura Dantis im Studio, in der er mit Dantes traditionalistischer Sichtweise übereinstimmte, die für die Werte des bürgerlichen Patriotismus stand und mit der republikanischen Oligarchie in Verbindung gebracht wurde.29 Wie erwähnt gipfelte die Auseinandersetzung im Attentat vom 18. Mai 1433, das Filelfo Cosimo zur Last legte. Da dieser aufgrund seines zu großen Machteinflusses noch im selben Jahr von der Signoria ins Exil geschickt wurde, schien die Lage vorerst entschärft. Bereits elf Monate später jedoch, am 6. Oktober 1434, gelang Cosimo die Rückkehr, was seinen endgültigen Sieg über die oligarchische Partei der Albizzi und Filelfos Abschied aus Florenz bedeutete.

      Doch zurück zur Satyra 5, 6, wo Filelfo wie folgt fortfährt (12–14a): An quia te satyrae cruciant, quibus undique notus / factus es et nunquam de te stupefacta silebit / posteritas probrisque tuis? („Oder weil dich die Satyrae quälen, durch die du überall bekannt geworden bist und die erstaunte Nachwelt niemals schweigen wird über dich und deine Schandtaten?“). Die dritte Antwort besagt, dass Cosimo womöglich von Filelfos Satiren heimgesucht wird, da diese dafür sorgten, dass er und seine Schandtaten nicht nur zum damaligen Zeitpunkt in aller Munde waren, sondern auch die Nachwelt noch lange beschäftigen würden. Dafür verantwortlich zeichnet Filelfo selbst, dessen Genugtuung unverkennbar zwischen den Zeilen durchschimmert. Mit der durch das que erzeugten engen Verbindung von te und probris tuis wird Cosimo auch syntaktisch auf eine Stufe mit seinen Schandtaten gestellt und letztlich über sie definiert. In den probra schwingen zwar wiederum die beiden Mordversuche mit, doch meint Filelfo nicht nur die ihm persönlich zugefügten Untaten, sondern auch jene, die Cosimo dem Volk von Florenz angetan habe. Um welche Vergehen es sich genau handelt, bleibt allerdings offen.

      Der Dichter wirft stattdessen die Frage Fugis, improbe, nomen / immortale, fugis? auf (14b–15a). Der Kyklos, gebildet von fugis […] fugis, umschließt eine Einheit, die den Ruf oder Namen Cosimos, nomen, ins Zentrum stellt, der ewig, immortale, sein werde. Durch die morphologischen Entsprechungen von improbe und immortale, die jeweils das Negationspräfix im-, ein kurzes o in der Mitte und die Endung -e enthalten, entsteht der Eindruck, als verweise eben dieses improbe auf den besagten unsterblichen Namen. Anschließend fährt Filelfo mit seinen Fragen fort: Nec quantum fama superstes / ferre voluptatis secum solet, improbe, sentis? (15b–16, „Bist du dir nicht bewusst, wieviel an Annehmlichkeit dauerhafter Ruhm mit sich zu bringen pflegt, Unverschämter?“). Erneut kommt der Vokativ improbe zum Einsatz, wodurch die frühere Beschimpfung bekräftigt wird. Zwei Beispiele von antiken Berühmtheiten, die durch ein Verbrechen unsterblichen Ruhm erlangt hätten, folgen in den Versen 17–22:

      Nonne ausus quidam templum inflamare Dianae?

      Nonne tulit regi faeralia fata Philippo

      Pausanias, clarum quo longa in saecula nomen

      aptus, item gelidi post tristia fata sepulchri

      viveret et, probitas quam non dabat ulla diurnam,

      redderet aeternam scelus indelebile famam?

      (Hat es nicht jemand gewagt, den Tempel der Diana anzuzünden? Hat nicht Pausanias dem König Philipp das todbringende Schicksal gebracht, damit er, indem er einen über viele Jahrhunderte hinweg berühmten Namen erwarb, auch nach dem traurigen Schicksal des kalten Grabes weiterlebe und ein unauslöschliches Verbrechen seinem Ruhm, den Rechtschaffenheit ihm nicht einmal für einen Tag bescherte, Ewigkeit verleihe?).30

      Als Erstes nennt Filelfo hier eine unbestimmte Person, quidam, die es gewagt habe, den Tempel der Diana in Brand zu stecken. Natürlich ist damit Herostratos