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Mehrsprachigkeit und Sprachenerwerb


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ausdrückt. Gleichzeitig verschwimmen im Begriff academic die Grenzen zwischen bildungs- und wissenschaftssprachlichen Normen. Mit den in Folge der cognitive academic language proficiency und basic interpersonal communicative skills-Kategorisierung vorgenommenen Modifikationen (Cummins 1991) wurde versucht, diese Beschränkungen durch eine Kombination von conversational and academic language proficiency aufzulösen, aber dieser Kompromiss ändert nichts Grundsätzliches an den unklaren Definitionen von Kognition und Sprachkompetenz in den genannten Modellen.

      Verschiedene Untersuchungen an Schulen mit bilingualen Zweigen, die auf der Grundlage der Schwellen- und Interdependenzhypothese durchgeführt wurden, belegen, dass mehrsprachige Schülerinnen und Schüler oft bessere Leistungen in Fächern erbringen, in denen Sprache vermittelt wird. Bemerkenswerterweise erzielen diese Schülerinnen und Schüler oft aber auch in anderen Fächern besonders gute Ergebnisse. Es wird vermutet, dass die gut ausgeprägte Sprachenbewusstheit der mehrsprachigen Schülerinnen und Schüler Transfereffekte auf die allgemeine kognitive Entwicklung bewirkt. In einer longitudinalen Vergleichsstudie zur Überprüfung der Interdependenzhypothese untersuchten zum Beispiel Bournot-Trites und Reeder (2001) die Entwicklung von Schülerinnen und Schülern mit der L1 Englisch von der 4. bis zur 7.Klasse in einer bilingualen Schule in Kanada, und zwar in Bezug auf sprachliche Kompetenzen in Englisch (L1) und Französisch (L2) und in Bezug auf ihre Leistungen in Mathematik. Die Aufteilung der Gruppen erfolgte nach dem Anteil des Französischunterrichts: Eine der Gruppen erhielt 50 % des Unterrichts in der Zweitsprache Französisch, die andere 80 %. Auch der Mathematikunterricht der zweiten Gruppe erfolgte auf Französisch. Die Rahmenbedingungen der beiden Gruppen wurden ansonsten soweit wie möglich identisch gehalten. So hatten beide Klassen bis auf wenige Ausnahmen die gleichen Lehrer und wurden nach den gleichen Lehrplänen unterrichtet. Es zeigte sich, dass die Lerner beider Gruppen im Englischunterricht die kanadischen Standards von gleichaltrigen monolingualen Schülern übertrafen, zum Beispiel in Leseverstehenstests. Beachtlich sind aber auch die Ergebnisse der Mathematiktests, die in den beiden letzten Schuljahren der Untersuchung auf Englisch durchgeführt wurden. In allen getesteten mathematischen Bereichen des Stanford Diagnostic Mathematics Test schnitten die Schüler der 80 %-Französischgruppe deutlich besser ab, als die Schüler, die den Mathematikunterricht auf Englisch hatten. Das zeigt nicht nur, dass das in einer Sprache erworbene Wissen bei einem entsprechend gut entwickelten Sprachstand in andere Sprachen übertragen werden kann, sondern auch, dass die vertiefte Zweitsprachenkompetenz mit anderen Fertigkeiten (zum Beispiel abstrakten mathematischen Fertigkeiten oder Leseverstehen) positiv korreliert. Da die Gruppen aus dem gleichen sozialen Umfeld stammten und die Unterrichtsbedingungen weitgehend identisch waren, liegt es nahe, der unterschiedlichen Intensität der Vermittlung der Zweitsprache die Hauptverantwortung für die Ausprägung der besseren Ergebnisse in den Sprachtests und bei den Transferleistungen in die Mathematik zuzuschreiben.

      Experiment

      Führen Sie eine Umfrage durch. Fragen Sie die ersten 15 Personen, die Ihnen heute über den Weg laufen nach den Sprachen, die sie beherrschen, wie sie sie gelernt haben (Familie, Alltag, Schule, Sprachkurs, …), dem Niveau auf dem sie sie schriftlich und mündlich beherrschen (nach dem GER) und erkundigen Sie sich nach ihrem Bildungsabschluss. Lassen Sie die erhobenen Daten korrelieren. Sind Mehrsprachige gebildeter beziehungsweise verfügen sie über höhere kognitive Fähigkeiten?

      Eine Kausalität kann dadurch bisher jedoch nicht nachgewiesen werden. Das Forschungsspektrum zu Aspekten der Mehrsprachigkeit ist damit nicht erschöpft. So beschäftigt sich eine Reihe weiterer Studien zum Beispiel mit soziobiographischen und sozialen Bedingungsfaktoren gesellschaftlicher Mehrsprachigkeit, zu denen Kriterien wie Status, Prestige und gesellschaftlicher Wert der Mehrsprachigkeit (siehe die Auflistung zur Problematik der Referenzfunktion der L1 oben), Freiwilligkeit beziehungsweise Erzwungenheit und Individualität beziehungsweise Kollektivität der Sprachnutzung, territoriale Gebundenheit der Sprache, Institutionalität (Grad des offiziellen Status der Sprache) sowie migrationsbedingte Erscheinungen oder auch pathologische Mischformen gehören (vergleichen Sie dazu die Behandlung von sprachlichen Variationserscheinungen in Neuland (2006) und die Mehrsprachigkeitsdimensionen bei Oppenrieder und Thurmair (2003) sowie die Analyse der pädagogischen Aspekte bei Dirim (2005) und Mecheril, Dirim, Gomoll, Hornberg und Stojanov (2010)). So lässt sich darstellen, dass kombinierte und koordinierte Formen der Mehrsprachigkeit den Wissenstransfer unabhängig von der Sprache, in der das Wissen erworben wird, begünstigen. Wissensbestände sind bei ausgeglichener Mehrsprachigkeit – wie es auch die Interdependenzhypothese postuliert – aus allen beteiligten Sprachen in ähnlicher Weise abrufbar oder aktivierbar.

      2.2.4 Lernerinterne Faktoren

      Im Folgenden sollen die wichtigsten lernerinternen Faktoren, die beim Erwerb von Mehrsprachigkeit interagieren, skizziert werden. Diese Faktoren sind als Variablen des Sprachenerwerbs schon lange bekannt und in unterschiedlicher Ausführlichkeit erforscht worden. Dabei wird vorwiegend versucht, die Wirkungspotenziale einzelner Faktoren in Isolation zu bestimmen oder es werden globale Aussagen angestrebt, wie etwa zur Rolle der Motivation oder des Alters im Sprachenerwerb. Die Wirkung der Faktoren lässt sich in Isolation schwer bestimmen, weil sie – wie die dargestellten Modelle postulieren – in Wirklichkeit in einem dynamischen System interagieren. Die komplexe Dynamik lässt sich bisher jedoch nur abstrakt darstellen und ist naturgemäß schwer empirisch zu messen.

      Interesse und Motivation

      Emotionale oder affektive Faktoren spielen in vielen Mehrsprachigkeitsmodellen eine tragende Rolle. Deklariert werden sie unter anderem als Motivation, Selbstbewusstsein, Introversion und Extroversion, Empathie, Anomie, Xenophilie oder Xenophobie und Angst. Diese Faktoren bestimmen das Interesse (die intrinsische Motivation) und die extrinsische Motivation eines Lerners. Verschiedene Modelle weisen den Faktor der intrinsischen Motivation als einen besonders wichtigen aus, während der Faktor der extrinsischen Motivation im Faktorenmodell erst für den L2-Erwerb angesetzt wird. Das liegt daran, dass das Faktorenmodell von einer existentiellen (intuitiven) Vorgabe des Erwerbsinteresses im L1-Erwerb ausgeht, das von externen Motivationsfaktoren weitestgehend unabhängig ist (vergleiche auch Gopnik, Meltzoff & Kuhl 2001). In der pädagogischen und psychologischen Motivationsforschung wird das Motivationskonstrukt stärker differenziert, als es die Unterteilung in intrinsische und extrinsische Faktoren tut. Das erweiterte kognitive Motivationsmodell von Heckhausen und Rheinberg (1980) etwa betrachtet die Interaktion von Selbst(verwirklichungs)motiven und sozialer Anerkennung als dynamischen Prozess der Erwartungsentwicklung und Einlösung von Erwartungen. Aus diesem Prozess ergibt sich schließlich eine Einschätzung der Erwartbarkeit von Erfolg, das heißt Motivation (Rheinberg 2006). Motivationsfaktoren sind dementsprechend von außen viel schwieriger zu beeinflussen, als verbreitet in der Lehr- und Lernpraxis angenommen wird. Sie sind nur bedingt steuerbar. Browns Practical Guide to Language Learning (1989) ist ein typisches Beispiel für einen Versuch, mit einer Reihe von allgemeinen Lernstrategien einen motivationsgesteuerten Unterricht herzustellen. Dieser Versuch enthält keine spezifischen Empfehlungen für das Sprachenlernen, sondern eine Auflistung externer Motivatoren, die dem Aufbau von Selbstvertrauen zuträglich sind. Inwiefern die Motivationsstrategien mit verschiedenen Lernkulturen und Lerntraditionen kompatibel sind und wie sich aus externen Motivationsversuchen tatsächlich eine nachhaltige Wirkung auf den Sprachenerwerb erzielen lässt, geht daraus nicht hervor und kann daraus auch solange nicht hervorgehen, bis es gelingt, die Interaktion der an Motivation mitwirkenden Faktoren genauer zu bestimmen.

      Selbstbewusstsein

      Die (positive) Selbstschätzung und das Selbstbewusstsein haben einen entscheidenden Einfluss auf die Kommunikationsbereitschaft. Die Bereitschaft, ein Kommunikationsrisiko einzugehen und mit unerwarteten Reaktionen zurechtzukommen, ist stark von der Ausprägung des Selbstbewusstseins abhängig. Die Selbstschätzung hängt stark von der Selbsteinschätzung der Sprachkompetenz (perceived language competence) ab (siehe 2.3 unten zur Sprachstandsmessung im Kontext der Migrationsforschung). Durch positive Lernerfahrungen ergeben sich entsprechende Effekte auf das Selbstbewusstsein. Selbstbewusstsein und Selbstschätzung sind damit wichtige Faktoren des Motivationsclusters.

      Selbsteinschätzung

      Im Gegensatz zum Rollen-Funktions-Modell von Williams und Hammarberg (1998),