und zeigen dagegen ein variantenreiches Bild der Migration und Integration (siehe die Studie Muslimisches Leben in Deutschland des BAMF von Haug, Müssig & Stichs 2010; die Gutachten des Sachverständigenrates der Stiftungen mit dem Integrationsbarometer 2016 und mit dem Migrationsbarometer 2017).
Experiment
Die folgende Tabelle schlüsselt exemplarisch den Besuch religiöser Veranstaltungen nach Herkunftsregionen auf. Werten Sie die Tabelle aus: welche Tendenzen können Sie erkennen:
Abbildung 2.1:
Muslimisches Leben in Deutschland (Haug, Müssig & Stichs 2010: 161
Die BAMF-Studie Muslimisches Leben in Deutschland (Haug, Müssig & Stichs 2010) veranschaulicht unter vielen anderen Aspekten, dass der Einfluss religiöser Traditionen als vermeintliche Hürde zur Integration oft überschätzt wird. Bei diesem Aspekt wird unterstellt, dass eine starke muslimische Prägung eine eher distanzierte Haltung zum Aufnahmeland und gleichzeitig eine strenge Bindung an die Heimat und ihre religiösen und gesellschaftlichen Interessengruppen impliziert. Aus der Studie ergibt sich aber, dass durchschnittlich nur circa ein Drittel der Muslime in Deutschland häufig religiöse Veranstaltungen besucht und sich nur ein Teil der Muslime in Deutschland an religiösen Festen und Handlungen beteiligt. All dies sieht die BAMF-Studie als Indikator dafür, dass der Assimilation vor dem Ausbau transkultureller, mehrsprachiger Kompetenzen der Vorrang gegeben wird.
Als allgemeines Problem wird in vielen Studien dagegen die mangelnde Integrationsbereitschaft der Mehrheitsgesellschaft und deren geringes Interesse an den neuen Mitbürgern festgestellt. Auch die Studie Migranten und Medien (ARD, ZDF 2011) dokumentiert, dass der Integrationsgrad der Migranten in Deutschland weiter vorangeschritten ist, als von der Öffentlichkeit und den Medien dargestellt. Die Mehrheit der Migranten und Migrantinnen in Deutschland nutzt demnach bevorzugt deutschsprachige Medien. 76 % der Menschen mit Einwanderungshintergrund sehen regelmäßig deutschsprachige Fernsehprogramme, 60 % hören deutschsprachiges Radio und 53 % nutzen deutschsprachige Internetangebote. Nur eine Minderheit nutzt ausschließlich heimatsprachige Medien (13 % Fernsehen, 2 % Radio, 5 % Internet).
Bildung, Sprachkenntnisse und Integration
Der Erwerb der Zielsprache, etwa durch die Medien, wird von den meisten Befragten als Schlüssel zur Integration und zur Bildung und damit als Grundlage für persönliche und berufliche Karrieren angesehen. Schüler und Schülerinnen „mit Migrationshintergrund“ (auch MiHi) sind zumindest in Deutschland jedoch mit vielfältigen Hürden im Bildungssystemkonfrontiert.
So gestaltet sich der Übergang von der Schule in einen Beruf in Deutschland beispielsweise besonders schwierig. Die Abbrecherquoten in Schul- und Berufsausbildung zeigen einen im Durchschnitt um den Faktor vier erhöhten Wert gegenüber Schülern und Schülerinnen ohne Migrationshintergrund (siehe unter anderem OECD 2007, 2010; Bildungsgerechtigkeit; Jahresgutachten 2007 der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft; Politik-Check Schule vom Institut der Deutschen Wirtschaft Köln und der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, siehe Seim 2008). Eine Studie der Bertelsmann Stiftung (Werner, Neumann & Schmidt 2008) beziffert die volkswirtschaftlichen Kosten mangelnder (auch sprachlicher) Integration in der Bundesrepublik Deutschland auf € 16 Milliarden pro Jahr. Als eine der wichtigsten Ursachen dafür werden allgemein mangelnde (bildungssprachliche) Sprachkenntnisse geltend gemacht, und dies, obwohl entsprechende Lehrziele in den Curricula der allgemein- und berufsbildenden Schulen bereits berücksichtigt werden.
Wie stark Integration und Sprachkenntnisse zusammenhängen, weisen am deutlichsten die Sinus-Studie (2008) und ein kürzlich herausgebrachter Zwischenbericht des vhw-Bundesverbands für Wohnen und Stadtentwicklung (2016) auf Basis qualitativer Daten von Sinus-Institut Sociovision aus. So zeigt ein Exkurs zu den Daten des Zwischenberichts aus Abbildung 2.2 noch stärker, dass „in den soziokulturell modernen Lebenswelten ein bikulturelles Selbstverständnis die Norm“ und die „moderne Mitte“ sogar zu einer „post-integrativen Perspektive“ neigt und sich damit als „selbstverständlicher Teil der Mitte der Gesellschaft“ betrachtet, wobei andererseits auch „deutliche Segregationstendenzen in den traditionell geprägten Milieus und am sozial unteren Rand der Population“ erwähnt werden müssen (vhw 2016: 7f).
Abbildung 2.2:
Kulturelle Identität in der Milieulandschaft (vhw 2016: 6)
Die Sinus-StudieSinus-Studie (2008) zeigt eine vielfältige und differenzierte Milieulandschaft. Diese ist in insgesamt acht Migrantenmilieus unterteilt, die sich in Bezug auf den sozialen Status und die damit verbundenen Wertvorstellungen, Lebensstile und ästhetischen Vorlieben unterscheiden. Die Einteilung der Milieus geschieht nicht nach globalen ethnischen Merkmalen. Dadurch wird die Ausbildung gemeinsamer lebensweltlicher Muster bei Migranten aus unterschiedlichen Herkunftskulturen (Ethnien) deutlich. Die Sinus-Studie kommt daher zu dem Schluss, Menschen des gleichen Milieus mit unterschiedlichem Migrationshintergrund verbinde mehr miteinander als mit dem Rest ihrer Landsleute aus anderen Milieus. Der Integrationsgrad in die Zielgesellschaft sei wesentlich von der Bildung und der sozialen Herkunft abhängig: Je höher das Bildungsniveau und je urbaner die Herkunftsregion, desto leichter und besser gelinge die Integration in die Aufnahmegesellschaft. Faktoren wie ethnische Zugehörigkeit, Religion und Zuwanderungsgeschichte beeinflussen die Alltagskultur, seien letzten Endes aber nicht milieuprägend und identitätsstiftend für das Milieu.
Die Sinus-Studie verdeutlicht, dass die meisten Migrantenmilieus jeweils auf ihre Weise um Integration bemüht sind und sich als Mitglieder der multikulturellen deutschen Gesellschaft verstehen. Bei drei der acht Milieus kann man starke Assimilationstendenzen erkennen (statusorientiertes Milieu, adaptives Integrationsmilieu, multikulturelles Performermilieu). Bei drei anderen Milieus finden sich zwar zum Teil Haltungen einer Integrationsverweigerung (religiös-verwurzeltes Milieu, entwurzeltes Milieu, hedonistisch-subkulturelles Milieu), aber die große Mehrheit der befragten Migranten will sich in die Aufnahmegesellschaft einfügen, ohne jedoch ihre kulturellen Wurzeln zu vergessen. Vor allem viele jüngere Befragte der zweiten und dritten Generation haben ein bikulturelles Selbstbewusstsein entwickelt und sehen Migrationshintergrund und Mehrsprachigkeit als Bereicherung – für sich selbst und für die Gesellschaft. Die Migrantenmilieus werden in der Sinus-Studie folgendermaßen dargestellt:
Soziale Lage und Grundorientierung der Sinus-Migranten-Milieus in Deutschland (Wippermann & Flaig 2009: 8)
Die wichtigsten Ergebnisse der Sinus-Studie (2008) in Bezug auf Sprachen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Viele Migranten und Migrantinnen, insbesondere in den soziokulturell modernen Milieus, haben ein bikulturelles Selbstbewusstsein und eine postintegrative Perspektive. Integration ist für sie kein Thema mehr. Dabei betrachten viele Migrationshintergrund und Mehrsprachigkeit als Bereicherung – für sich selbst und für die Gesellschaft. 61 % der Befragten sagen von sich, sie hätten einen bunt gemischten internationalen Freundeskreis. In den gehobenen Milieus liegt dieser Anteil deutlich über 70 %.
Als wichtigen Integrationsfaktor betrachten auch die Migranten die Beherrschung der deutschen Sprache. 85 % sind der Meinung, dass Zuwanderer ohne die deutsche Sprache keinen Erfolg haben können.
68 % der Befragten schätzen ihre deutschen Sprachkenntnisse als sehr gut oder gut ein. Weitere 26 % geben an, mittlere oder zumindest Grundkenntnisse zu haben.
65 % unterhalten sich im engeren familiären Umfeld überwiegend oder auch ausschließlich auf Deutsch, für 82 % ist Deutsch die Verkehrssprache im Freundes- und Bekanntenkreis.
Die geringsten Deutsch-Kenntnisse finden sich im Segment der traditionsverwurzelten Migrantenmilieus.
Die Deutschkenntnisse sind unter Migrantengruppen also recht unterschiedlich ausgeprägt und dementsprechend sind auch die Bewusstheit für die Notwendigkeit