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Mehrsprachigkeit und Sprachenerwerb


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passieren? Was würde verloren gehen? Wie würde sich Ihr Leben verändern?

      Einer der Schwerpunkte in der Verfechtung solcher Schutzmaßnahmen ist die bewusste staatliche Intervention im Namen der schwächeren Sprecher- und Sprecherinnengruppe. Wie groß auch immer der Wille und die Entschlossenheit einer Minderheitensprachgruppe selbst sein mögen, ohne die bewusste staatliche Einflussnahme (welche die funktionale Inklusion und die finanzielle Unterstützung der entsprechenden Minderheitensprache einschließen sollte), wird die Sprachpflege nicht die gewünschten Ergebnisse erzielen. Wie maßgeblich der Wunsch und Wille der Gemeinschaft selbst auch sein mag, so ist der Gemeinschaft möglicherweise nicht in allen Fällen vollends bewusst, welchen Wert der Erhalt ihrer eigenen Sprache und Kultur hat, insbesondere, wenn die durch die Mehrheitssprache angebotenen Möglichkeiten sehr einladend sind. Ein anschauliches Beispiel für eine solche Einflussnahme war die maßgebliche Unterstützung der Regierung für die Wiederbelebung der irischen Sprache, die nach der irischen Unabhängigkeit 1922 zu einer Amtssprache erhoben wird. Trotz der Tatsache, dass die Motivation der irischen Bevölkerung zur irischen Sprache zu wechseln, aufgrund der sich wandelnden wirtschaftlichen, sozialen und demographischen Verhältnisse geringer ist als erwartet, ist die Unterstützung durch die Regierung entscheidend für den Erfolg dieser Maßnahme. Andere Beispiele sind die Wiederbelebung des Maorischen in Neuseeland, oder des Hebräischen in Israel (vergleiche Spolsky 2004: 44f).

      Fishman identifiziert das Fehlen staatlicher Einflussnahme als eine „Null-Politik-Politik“ gegenüber schwächeren Sprachen, und stellte fest, dass „die meisten Sprachverschiebungen von formaler und schriftlicher Sprache verursacht oder bewusst erleichtert wird (zum Beispiel durch Eroberung oder andere bedeutende Verschiebungen des Status Quo), anstatt dass sie einfach passieren“ (Fishman: 2006: 318). Zum Beispiel erleichterten die Entscheidungsträger und -trägerinnen in der Sprachenpolitik den Umstieg von den Lokalsprachen zum Russischen, indem sie die Qualität russischer Schulen gegenüber den lokalsprachlichen verbessern und diese damit aufwerten, die russische Sprache am Arbeitsplatz fördern und die Bildungspolitik so gestalten, dass die Verwendung von Lokalsprachen in fortschrittlicher Wissenschaft und Technologie beschränkt ist.

      Experiment

      Führen Sie Interviews mit 20 Personen, die sich selbst als zweisprachig oder mehrsprachig bezeichnen. Erstellen Sie eine Liste der Sprachen, die jeder beziehungsweise jede von ihnen kennt. Wie viele von ihnen beherrschen ‚weniger bekannte Sprachen‘ (oder solche, die benachteiligt sind) als ihre eigene? Fragen Sie diese Personen nach den Gründen, aus denen sie diese Sprachen gelernt haben. Analysieren Sie Ihre Daten und identifizieren Sie die Hauptmotive, die zum Erlernen einer Sprache führen (ohne zu verallgemeinern).

      Vermutlich wird Ihre Liste mehrsprachige Personen umfassen, die sich um das Erlernen von Sprachen bemüht haben, die bekannter sind als ihre eigene. Dies zeigt auch, warum Einsprachigkeit am weitesten unter Sprechern und Sprecherinnen der bekanntesten Sprachen verbreitet ist.

      1.3.6 Mehrsprachigkeit in der Bildungspolitik: zweisprachige Bildungsmodelle

      Ob ein Staat verschiedene Sprachengruppen auf seinem Gebiet unterstützt, wird am ehesten anhand der Sprachen deutlich, die im Unterricht verwendet werden. In Staaten, in denen Minderheiten auf engem Raum leben, sind zweisprachige Unterrichtsmodelle normalerweise die beste Antwort auf die bildungsbezogenen Bedürfnisse der Minderheitengemeinschaften, insbesondere jener, die üblicherweise die Mehrheitssprache nicht beherrschen. Zweisprachige Bildungsmodelle sind deshalb so gestaltet, dass sie Kindern aus Minderheitengruppen dabei helfen, sich reibungslos innerhalb des Bildungssystems zu bewegen. Es gibt mehrere zweisprachige Bildungsmodelle, die vom sprachlichen Repertoire und den Bedürfnissen der Gemeinschaft abhängen sowie von den politischen Richtlinien des Staates oder der Schule.

      Ein weit verbreitetes Modell ist das der übergangsweisen zweisprachigen Erziehung (transitional bilingual education), in dem die Kinder zu Beginn, meist innerhalb der ersten drei Jahre, das Lesen und Schreiben in ihrer Erstsprache lernen. Eines der besten Beispiele dafür sind die Philippinen, auf denen Filipino und Englisch die Amtssprachen sind. Jedoch erlauben die politischen Richtlinien, dass in der Schule lokale Mundarten als Übergangssprachen von der Einschulung bis zur dritten Klasse verwendet werden (vergleiche Dekker & Young 2007: 239).

      In anderen Fällen können Schulen zweisprachige Programme (dual language programs) anbieten, in denen die Schüler und Schülerinnen simultan in zwei Sprachen unterrichtet werden. Sinn und Zweck dieser Programme ist es, die Kompetenz und Kenntnis in zwei unterschiedlichen Sprachen zu fördern. Beispielsweise bieten viele US-amerikanische Schulen solche zweisprachigen Programme auf Englisch und auf Spanisch an. Diese Programme dauern üblicherweise bis zur fünften Klasse, und viele sogar bis zur High School.

      Es gibt viele andere Modelle zur Unterstützung von Minderheitensprachen. In einigen Schulen werden die Hauptfächer beispielsweise in der Mehrheitssprache unterrichtet, während Intensivkurse in der Landessprache angeboten werden. In Aserbaidschan bieten die Schulen zum Beispiel in den von Minderheiten bewohnten Gebieten Intensivkurse in Landessprachen wie unter anderem Talisch, Lesgisch und Tsachurisch an.

      1.3.7 Mehrsprachigkeit und gesellschaftlicher Wille

      Die Haltung einer Gemeinschaft gegenüber ihrer Erstsprache und ihrer Kultur ist sehr wichtig für den Spracherhalt: Wenn der Wille und das Interesse der Gemeinschaft nicht in ausreichendem Maße vorhanden sind, dann können politische Entscheidungen und die zugewiesenen finanziellen Ressourcen wirkungslos sein. Wenn andererseits der Wille der Gemeinschaft stark ist, dann könnten politische Bereitschaft und finanzielle Ressourcen leichter zugänglich sein.

      Jede Initiative einer Gemeinschaft benötigt jedoch kontinuierliche Unterstützung und Ermutigung. Sogar bei einer sehr vorteilhaften Sprachenpolitik können Sprecher und Sprecherinnen von Minderheitensprachen eine Tendenz zur Aufgabe der Erstsprache zeigen, wenn die Mehrheitssprache zum Beispiel bessere Möglichkeiten für die Ausbildung, für den Beruf und für soziales Prestige bietet. Die Tendenz wird umso stärker sein, wenn die Mehrheitssprache zusätzlich all die Nischen ausfüllt, in denen die Minderheitensprache bislang eingesetzt wurde. Dies ist bei den Mehrheitssprachen einiger souveräner Staaten zu Zeiten der Sowjetunion der Fall. Zwar werden die Mehrheitssprachen in den souveränen Staaten nicht unterdrückt, aber da Russisch mehr Möglichkeiten bot, vollzieht sich nach und nach ein SprachwechselSprachwechsel zugunsten des Russischen, welcher die lokalen Sprachen allmählich verdrängt.

      Fishman behauptet, dass bedrohte Sprachen zu solchen werden, weil ihnen die informelle, generationsübergreifende Transmission und die Unterstützung im informellen täglichen Leben fehlen, und nicht deshalb, weil sie nicht in der Schule unterrichtet werden, oder keinen offiziellen Status haben (vergleiche Romaine 2002: 2). Deshalb ist das Verwenden indigener Sprachen innerhalb der Gemeinschaft (in der Familie, der Nachbarschaft, bei Gemeinschaftstreffen, in der Grundschule, am Arbeitsplatz und so weiter) für ihren Erhalt essenziell. Ein heimatliches Prestige für bedrohte Sprachen zu schaffen, ist in der Tat für ihren Erhalt sehr wichtig.

      1.3.8 Zusammenfassung

       Auch einsprachige Staaten müssen sich mit verschiedenen Fragen bezüglich des Sprachkontaktes, der Interaktion des Staates mit unterschiedlichen Sprachgruppen, der Interaktion zwischen und innerhalb dieser Sprachgruppen, der Sprachenrechte sowie dem Entgegenwirken von Sprachwechsel und Sprachverlust auseinandersetzen.

       Die aktuellen globalen Tendenzen setzen einige traditionell einsprachige Staaten unter Druck und drängen diese dadurch dazu, ihre Richtlinien zu überdenken. Politische Erklärungen tendieren allerdings manchmal dazu, nur auf dem Papier zu bestehen und nicht praktisch umgesetzt oder gefördert zu werden.

       Zwischen den Sprachen und deren Sprechern und Sprecherinnen innerhalb einer mehrsprachigen Gesellschaft existieren unterschiedliche Machtverhältnisse, die sich in den soziopolitischen Strukturen, der sprachenpolitischen Praxis, der politischen Positionierung und den wirtschaftlichen Interessen äußern.

       Neben den Bemühungen Minderheitensprachen zu erhalten, konzentrieren sich viele Staaten