les formes sociales dans lesquelles nous vivons. Mon avis? Je crois qu’il faut supprimer deux éléments importants: l’argent et le nom.13
Vermittels der in diesem Artikel bereits angerissenen Problematik des Namens reflektiert Genet seine eigene Rolle und Funktion in der gesellschaftspolitischen Öffentlichkeit. Das Geld und der Name als Symbole des Prestiges und der öffentlichen Anerkennung werden hier im Kontext der Kritik an der einengenden Charakteristik von Symbolen und Emblemen problematisiert: „Le fait d’avoir un nom même peu célèbre m’opprime. Hélas, je ne sais pas comment changer cela. Quant à l’emblème, il ferme, il clot [sic!], même s’il exalte.“14 In einem Interview mit José Monleón der spanischen Zeitschrift Triunfo von 1969 anlässlich einer Inszenierung seines Theaterstücks Les Bonnes durch Victor Garcia und die spanische Theatergruppe Nuria Espert im Théâtre de la Cité Internationale konkretisiert Genet diesen Zusammenhang:
El problema que me plantea mi nueva situación es terrible. ¿Qué hacer para deshacerme de todo el dinero que recibo? ¿Qué hacer para deshacerme de un nombre que resulta cada vez más abrumador? Ese es mi gran problema actual. Yo creo que para un hombre existen dificultades que proceden del dinero. Cuando lo tiene en cantidad se convierte en dominador. Si, además, posee un nombre repetido a menudo en todas partes, ese nombre se hace tiránico.15
Genet beschreibt die negativen Auswirkungen des Geldes und der Berühmtheit auf die Persönlichkeit, welche einen sozialbedingten Transformationsprozess des Individuums auslösen: Es wird zum Herrscher und zum Tyrann. Die Tyrannei des Namens betrachtet er auch als Grundlage seines eigenen Interviews: „Un ejemplo podría ser lo que está pasando aquí ahora; se yo no me llamase Jean Genet, ustedes no estarían conmigo. ‚Ejerzo, pues, sobre ustedes, una especie de tiranía debido a mi nombre. Y eso necesito destruirlo‘.“16 Die Funktion des Eigennamens wird von Genet einerseits in Bezug auf seine Rolle als öffentliche Autorität problematisiert, andererseits aber auch in Hinblick auf den Autor-Werk-Konnex im spezifisch literarischen Bereich, obwohl er zu diesem Zeitpunkt bereits bewusst von der Publikation literarischer Texte absah. So erweitert er diese Problematik auf das Konzept des literarischen Eigentums in einem Brief, der laut dem Ausstellungskatalog aus Tours zunächst an die Société des auteurs adressiert war,17 welche im Mai 1968 aus der Société des gens de lettres mit Standort im Hôtel Massa hervorgegangen ist. Das Konzept des literarischen Eigentums vereint das Zusammenspiel von gesellschaftlicher Anerkennung und Besitzverhältnissen, welches Genet bereits in seiner frühen Kritik unter den Schlagwörtern des Geldes und des Namens resümiert hat. Malgorn kontextualisiert diesen auch bei ihm abgedruckten Brief im Zusammenhang zweier Theaterinszenierungen und stellt ihm einen Brief an den mit Genet befreundeten Regisseur Antoine Bourseiller voran:
Victor Garcia vient me voir. Afin de lui faciliter les moyens d’obtenir de l’argent pour jouer Le Balcon à Paris, il me demande, et je lui donne mon accord, selon les règles que nous récusons, je le fais et ce n’est qu’un tour de passe-passe, et je vous préviens, parce qu’autour de vous, tout va tenter de maintenir la fiction d’une pseudo propriété artistique ou théâtrale, protégée par le nom de l’auteur, par la signature de l’auteur. Il est donc possible que je galvaude encore cette signature de ‚l’œuvre‘. Pour vous, pour Garcia et pour moi, la seule réalité de nos rapports est là, dans ce texte que j’ai signé avec vous et votre troupe le 19 février 1969.18
Der Brief an die Société des auteurs steht folglich im Kontext der Inszenierung des Stückes Le Balcon durch Antoine Bourseiller in Marseille 1969 und stellt den Begriff des literarischen Eigentums in Frage, welches in der Signatur und nominalen Zuschreibung eines Werks zum Ausdruck kommt. Unklar bleibt jedoch, warum Genets und Bourseillers Text sich an die Société des auteurs richtet. Genets kritisches Verhältnis zu dieser Gesellschaft manifestiert sich in seinem ironischen Kommentar zur Besetzung der Vorgängerinstitution durch einige bekannte Autoren: „[À] quoi bon occuper un cimetière? À moins de remplacer de vieux morts par de jeunes morts.“19 Wie Christian Charrière in ebenso scharfzüngigem Tonfall berichtet, besetzen unter anderem Michel Butor und Nathalie Sarraute das Hôtel Massa, „réalisant enfin le vieux rêve des intellectuels de marier l’action et la pensée […] pour manifester leur solidarité avec les étudiants et les ouvriers.“20 Ziel dieser neu gegründeten Autorengemeinschaft sollte die Verbindung der Literatur mit den als revolutionärer Prozess wahrgenommenen Bewegungen sein. So zitiert Charrière das Credo der Société des auteurs: „Ouverte à tous ceux qui considèrent la littérature comme une pratique indissociable du procès révolutionnaire actuel [c]ette Union sera un centre permanent de contestation de l’ordre littéraire établi.“21
In seinem Brief problematisiert Genet die von ihm als feudales System beschriebene Beziehung zwischen dem Autor und seinem Werk, welche auf der Unterschrift bzw. dem Namen des Autors basiert und dessen Substitution er anstrebt: „C’est par une voie plus subtile que celle qui s’établit à partir d’une prétendue propriété littéraire – ou dramatique, ou artistique – que nous allons essayer d’instaurer entre un très aléatoire auteur et notre troupe, un accord différent.“22 Die Tyrannei des Namens scheint für Genet aus einer semiotischen Geschlossenheit des Eigennamens zu resultieren, den er metaphorisch als „une sorte de repaire, un silo à grain, un sanctuaire chinois, où personne d’autre que le signataire ne pourrait tirer avantages“23 charakterisiert. Die von Genet als gefährlich geschilderte, sich proportional zum Erfolg verhaltende ‚Aufladung‘ des Eigennamens wird in diesem Text in Bezug auf das Konzept des literarischen Eigentums bewertet, das er als unzeitgemäß beschreibt: „De plus en plus, elle [la propriété littéraire, S.I.] se rattache à un nom (le nom de l’auteur) alors que le nom recouvre de moins en moins une œuvre originale, si l’on accepte qu’‚un esprit de l’époque‘ soit à l’origine de toute œuvre originale.“24 Denn obwohl die Vorstellung eines gemeinsamen Geistes der Epoche die Originalität von Individualwerken grundsätzlich widerlege, würden einzelne Werke stärker denn je mit Autorennamen in Verbindung gebracht. Genets Kritik kann unter diesem Gesichtspunkt in Bezug zu Barthes’ in dessen gleichnamigem Artikel beschriebenem Postulat der „mort de l’auteur“25 gesetzt werden, in dem er die durch die kapitalistische Ideologie fundierte tyrannische Zentrierung der Literatur um den Autor kritisiert. Ähnlich wie auch Barthes, für den im Tod des Autors die Geburt des Lesers liegt,26 kritisiert Genet, dass der mandarinale Respekt vor dem Eigennamen des Schriftstellers die Qualitäten und Mängel seines Werks für den Leser verberge. Stattdessen plädiert Genet für die künstlerische Anonymität, welche die Sensibilität des Publikums schärfe:
[Q]u’en face d’accords nouveaux, et d’une œuvre non signée, le public y gagnera en sensibilité, nous le savons bien, nous […] qui avons visité des musées Chinois et Japonais et qui après les plus beaux tableaux nous avons cherché la signature et n’avons découvert que cette mention „anonyme“ du XVIᵉ siècle, et que notre émotion en était augmentée.27
Genets Vision einer neuen (literarischen) Übereinkunft, die nicht mehr auf der Autorität des Unterzeichnenden beruht, sondern auf einer Steigerung der Bedeutung des Betrachters, muss als Synthese seiner im Mai ’68 einsetzenden Reflexion über die oppressive Macht des Namens und des Prestiges verstanden werden und weist, wie gezeigt werden soll, Analogien zu Foucaults Vorstellung des Autors auf. Das Gebot der Anonymität versteht Genet als Grundlage jener neuen Beziehung, die er im ersten Satz des Briefes als „accord différent“ zwischen jenem „très aléatoire auteur et notre troupe“28 ankündigt. Die Konzepte der Anonymität und der Zufälligkeit, die hier von Genet als Substitute der Individualität und Authentizität des Autors postuliert werden, lassen einen bewussten Pakt zwischen Autor und Leser gar nicht erst zu, wobei die Vorstellung eines Paktes sich grundsätzlich Genets ästhetischen und moralischen Grundsätzen widersetzt, wie der nur in Malgorns Transkription erscheinende, abschließende Satz untermauert:
Tous les accords que j’ai pu signer jusqu’à aujourd’hui doivent être considérés comme nuls et non avenus: en accordant sa propre liberté à ce que j’ai pu écrire (pièces de théâtre), je reprends ma liberté à l’égard d’une société dont je dénoncerai tous les pactes.29
In seiner Essenz behandelt der Brief weniger kunstästhetische