Christine Becker

Kulturbezogenes Lernen in asynchroner computervermittelter Kommunikation


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belegend herangezogen,3 wobei im Kontext des Faches Deutsch als Fremdsprache vor allem Welschs Konzept der Transkulturalität einflussreich ist (vgl. Welsch 2000). Vermehrt finden sich Begriffe wie „transkulturelle Landeskunde“ (Laurien 2010, Roche 2005), „transkulturelles Lernen“ (Eckerth/Wendt 2003, Freitag 2010) oder „transkulturelle Deutschlandstudien“ (Martinson/Schulz 2008).

      Dem Begriff der Transkulturalität liegt die Beobachtung zugrunde, dass der herkömmliche essentialistische Kulturbegriff der heutigen Situation in der Welt aufgrund der „externen Vernetzung der Kulturen“ (Welsch 2000, 336, Hervorhebung im Original) nicht mehr gerecht werde: „Zeitgenössische Kulturen sind generell durch Hybridisierung gekennzeichnet. Für jede einzelne Kultur sind tendenziell alle anderen Kulturen zu Binnengehalten oder Trabanten geworden“ (ebd., 337, Hervorhebung im Original). Dabei handelt es sich bei Welschs Konzept der Transkulturalität, dies stellt auch Bredella fest, um eine normative Kategorie (vgl. Bredella 2010). Da alle Kulturen rassistisch seien (vgl. Welsch 1994, 152f), solle eine transkulturelle Welt angestrebt werden und es gelte, diesen Zustand, der auch in der Interkulturalität bestehe, zu überwinden.

      Für den Fremdsprachenunterricht kann es – unabhängig davon, ob es sich bei Transkulturalität um eine normative oder eine deskriptive Kategorie handelt – nicht gewinnbringend sein, von theoretischen Prämissen auszugehen, die „einer empirischen Überprüfung der bestehenden Verhältnisse“ (Bredella 2010, 23) nicht standhalten. Hu schreibt beispielsweise:

      Die Frage ist nun, ob man das Konzept Interkulturalität für den Kontext des Fremdsprachenunterrichts wegfallen lassen kann. Ich denke, man kann dies aus dem Grunde nicht tun, weil die traditionelle Vorstellung von abgrenzbaren und objektiv beschreibbaren Kulturen und das Bedürfnis nach kultureller Verortung und kultureller Identität alltagssprachlich verankert und zumindest zurzeit unhintergehbar sind. Gerade auch der Fremdsprachenunterricht kann diese Aspekte nicht ausblenden. (Hu 1999, 297, vgl. dazu auch Hu 1995, 27f)

      Ebenso weist auch Delanoy darauf hin, dass das Konzept der Transkulturalität „may stand in stark contrast to real people’s experiences“ (Delanoy 2006, 234). Auf einer unterrichtspraktischen Ebene ist es hingegen problematisch, das Bestehen von unterschiedlichen Kulturen zu negieren. Gerade im Zusammenhang mit der Feststellung, dass Kultur und Sprache untrennbar miteinander verbunden sind, stellt sich die Frage, was Lernende eigentlich im Klassenzimmer machen und wie mit den Wünschen der Lernenden umgegangen wird, die meist gern etwas über die Kultur des Zielsprachenlandes lernen möchten und die möglicherweise vereinfachte Vorstellungen der Zielsprachenkultur haben.4 Als normative Kategorie zielt sie somit an den Bedingungen des Fremdsprachenunterrichts vorbei. Zu beantworten bleibt außerdem, wie man unter diesen Voraussetzungen überhaupt noch von einem Gegenstand wie ,deutsche Kultur‘ sprechen kann (vgl. Altmayer 2008, 31), geschweige denn, wie man diesen unterrichten soll.

      In letzter Zeit entstehen, vor allem auch in der Literaturdidaktik, Ansätze, in denen ausdrücklich das interkulturelle und das transkulturelle Paradigma nicht als zwei unvereinbare Enden eines Kontinuums betrachten werden. Transkulturalität lässt sich als deskriptive Kategorie verstehen, mit deren Hilfe sich die Heterogenität der Lebenswelt besser beschreiben lässt. Delanoy etwa entwickelt eine Theorie des dialogic cultural learning, in dem es u.a. um einen interkulturellen Kontakt zwischen Nationalstaaten geht:

      I see my approach as compatible with a transcultural agenda, since I do not treat territory as a monolith or wish to keep its boundaries intact. In fact, I view territories as historically grown, discursively constructed, culturally heterogeneous and politically contested entities, which are implicated in further reaching networks and open to change. (Delanoy 2006, 241)

      Diese Verbindung inter- und transkultureller Annahmen wird dem fremdsprachlichen Unterricht, so wie er in der Praxis vorgefunden wird, am ehesten gerecht. In dieser Arbeit wird daher an Hansen angeschlossen, der bemerkt, dass sowohl die kohärente Stabilität im Inneren einer Kultur als auch die Abgeschlossenheit nach außen zurückgefahren, aber nicht abgeschafft werden können:

      Die Stabilität basiert auf einem gemeinsamen Nenner, der bei aller Heterogenität vorhanden ist. Dieser kleine gemeinsame Nenner genügt, um Stabilität und Abgrenzung zu gewährleisten. Die Homogenität des alten Kulturbegriffs, das folgt daraus, kann man weitgehend, aber keinesfalls ganz aufgeben. Das Gleiche gilt für die Grenzen, die man sich zwar durchlässig vorstellen darf, die aber weiterhin die Funktion der Abgrenzung erfüllen müssen. (Hansen 2000, 298)

      Das Konzept des interkulturellen Lernens, in dem die Befähigung zur Begegnung mit anderen Kulturen im Mittelpunkt steht, lässt sich so auf der inhaltlichen Ebene mit transkulturellen Inhalten füllen, um die Vernetzung und Durchlässigkeit von Kulturen zu thematisieren. Das transkulturelle Paradigma erweist sich für den Landeskundeunterricht also insofern als fruchtbar, als dadurch die von Heterogenität geprägte fremdsprachliche Lebenswelt stärker im Unterricht berücksichtigt wird. Eben dies ist auch das Ziel kulturwissenschaftlich orientierter Landeskundeansätze, die im Folgenden präsentiert werden. Deutlich wird dabei aber auch, dass nationalstaatliche Grenzen weiterhin eine große Rolle spielen, auch in Arbeiten, die die Vernetzung der Kulturen ausdrücklich thematisieren (vgl. z.B. Clemens 2006).

      Kulturwissenschaftliche Ansätze im Landeskundeunterricht

      In den letzten Jahren sind einige von kulturwissenschaftlicher Forschung inspirierte Arbeiten entstanden, in denen Ideen entwickelt werden, wie Lernende einen Einblick in den geteilten Wissensvorrat der fremdsprachlichen Lebenswelt erhalten können – wobei das Wie stets die Frage nach den Inhalten betrifft und nur in den seltensten Fällen nach geeigneten Methoden gefragt wird. Welche Rolle beispielsweise digitale Medien spielen können, ist ein Desiderat. Nur Biebighäuser (2014) beleuchtet das Potenzial virtueller Welten für die Arbeit mit Erinnerungsorten.

      Den unterschiedlichen Ansätzen kulturwissenschaftlich orientierter Landeskunde, die im Folgenden eingeführt werden sollen, ist gemein, dass sie auf Theorien des kulturellen Gedächtnisses zurückgreifen, um über verschiedene Arten der Erinnerung die Heterogenität der Lebenswelt zu berücksichtigen. Dabei muss festgestellt werden, dass die Forschung der Fremdsprachendidaktik lediglich inspirierend zur Seite steht. Die Unterrichtspraxis, in der z.B. aus verschiedenen Gründen schnell in kulturkontrastive Vergleiche zurückgefallen wird oder in der den Lernenden für eine kulturwissenschaftliche Textanalyse die nötigen Sprachkenntnisse sowie Erfahrungen fehlen, wird dabei vermutlich auch in Zukunft kaum in der Lage sein, kulturtheoretische Prämissen mustergültig umzusetzen. Nichtsdestoweniger stellen kulturwissenschaftliche Ansätze einen Fortschritt im Hinblick auf die Vermittlung von sinnvolleren Inhalten dar als es noch der kognitiv oder kommunikativ ausgerichtete Ansatz anstrebten – sinnvoller, weil durch die Auseinandersetzung mit geteilten Wissensbeständen das Verständnis und die Teilhabe an den in der Zielsprache geführten Diskursen initiiert werden kann, was auf Faktenwissen oder Alltagskommunikation reduzierter Landeskundeunterricht nicht zu leisten vermag.

      Im Folgenden sollen einige dieser Ansätze in der kulturwissenschaftlich orientierten Landeskundedidaktik vorgestellt werden. Der Fokus liegt dabei auf theoretischen Überlegungen und unterrichtspraktischen Vorschlägen, die die Didaktik des Landeskundeunterrichts an der Universität Stockholm maßgeblich beeinflusst haben.

      Kulturelle Deutungsmuster und Schlüsselthemen

      Die Annahme, dass geteiltes Wissen einen Zugang zu der fremdsprachlichen Lebenswelt darstellt, wird von Altmayer (2004) und Hille (2009) vertreten, die im Zuge dessen vorschlagen, den Lernenden über kulturelle Deutungsmuster bzw. Schlüsselthemen Wissen zu vermitteln, das Angehörige der fremdsprachlichen Kommunikationsgemeinschaft oftmals bewusst oder unbewusst haben.

      Ausgehend von den theoretischen Überlegungen zu einem Kulturbegriff im Fach Deutsch als Fremdsprache sowie auch des Begriffs des Fremdverstehens (vgl. Altmayer 2004, 66–71), spricht sich Altmayer für eine Behandlung von kulturellen Deutungsmustern aus, um das Ziel der Diskursfähigkeit1 zu erreichen, bei der es sich um eine enttrivialisierte Neubestimmung der kommunikativen Kompetenz handelt: „Gemeint ist die Fähigkeit von Menschen, an mehrsprachigen in komplexen gesellschaftlichen Prozessen und Diskursen teilhaben [sic]“ (Legutke 2010,