Christine Becker

Kulturbezogenes Lernen in asynchroner computervermittelter Kommunikation


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ist und die Näherung an die Menschen im Zielsprachenland das vorrangige Ziel sein muss – und diese sind geprägt durch ihr Geschichtsbewusstsein. Hier werden allerdings die harten geschichtswissenschaftlichen Deutungen verlassen und Erkenntnisse aus der oral history oder sozialwissenschaftliche Studien […] bilden die Basis für fundierte Materialerstellung. (Koreik 2010a, 1482)

      Koreik greift hier die kulturwissenschaftliche Transformation der Landeskunde auf sowie die Bedeutung des kollektiven Gedächtnisses für das landeskundliche Lernen: Ohne den Einbezug geschichtlicher Themen kommt der kulturwissenschaftlich orientierte Landeskundeunterricht nicht aus.

      2.2.3 Zusammenfassung

      Die Landeskunde befindet sich in einer nicht unproblematischen Situation. Zwar ist seit dem Paradigmenwechsel in der Landeskundedidaktik, der als eine kulturwissenschaftliche Orientierung beschrieben wird, die theoretische Fundierung weit fortgeschritten, doch lassen sich einige Lücken feststellen, die gefüllt werden müssen, damit kulturwissenschaftlich orientierte Landeskundeansätze sinnvoll auch in einem weiteren Ausmaß in den Unterricht des Deutschen als Fremdsprache einfließen können:

      Es ist festzustellen, dass vor allem durch das Konzept der Erinnerungsorte konkrete Vorschläge vorliegen, wie kulturwissenschaftliche Ansätze im Unterricht berücksichtigt werden können. Auch im Hinblick auf Altmayers Deutungsmusterlernen sind Themenvorschläge vorhanden, die an Neuners universelle Daseinserfahrungen anknüpfen. Insgesamt handelt es sich bei diesen Arbeiten aber hauptsächlich um theoretische und/oder unterrichtspraktische Vorüberlegungen sowie Erfahrungsberichte, die insofern wichtig sind, als sie von einer theoretischen Warte den Mehrwert von kulturwissenschaftlich orientierter Landeskunde überprüfen und eine wichtige Inspirationsquelle für die Unterrichtspraxis darstellen. Aber um absehen zu können, was kulturwissenschaftliche Ansätze tatsächlich leisten können und wie mit ihnen konkret gearbeitet werden sollte, damit ein nachhaltiges Lernergebnis erreicht werden kann, bedarf es die empirische Erforschung kulturbezogener Lernprozesse und kulturwissenschaftlich orientierten Landeskundeunterrichts. So wie in dieser Arbeit ist dabei beispielsweise zu fragen, was geschieht, wenn sich Lerner mit kulturellen Deutungsmustern auseinandersetzen und welche Rolle methodisch-didaktische Entscheidungen spielen.

      Darüber hinaus, und dies wird im Laufe der Arbeit deutlich werden, fehlt es vor allem auch an Auswahlkriterien für Unterrichtsthemen, geeigneten Aufgabenformaten für landeskundliches Lernen und Forschungsansätzen zur Bedeutung der Rolle digitaler Medien, wobei selbstverständlich der Kontext entscheidet, welches Vorgehen sinnvoll ist. Dahingehend wurde aufgezeigt, dass die Entscheidung, welche Inhalte wie vermittelt werden, nicht nur regional unterschiedlich ist und von den curricular vorgegebenen Unterrichtszielen abhängt, sondern auch davon, ob der Landeskundeunterricht in den Fremdsprachenunterricht integriert stattfindet oder, wie im vorliegenden Fall, als eigenständiges Seminar zur Landeskunde, das im Rahmen eines Fremdsprachenstudiengangs angeboten wird.

      Bevor Kapitel 3 zur Didaktik des landeskundlichen Lernens konkret nachvollzieht, wie im vorliegenden Fall mit kulturwissenschaftlich orientierten Ansätzen gearbeitet wird, umreißt das nächste Kapitel den derzeitigen Forschungsstand von universitärem integriertem Fremdsprachen-Sachfach-Unterricht. Zudem folgt ein weiteres kurzes Unterkapitel zur epistemischen Funktion des Schreibens. Auf beide Unterkapitel wird in der Datenanalyse in Kapitel 6 und den Implikationen für die Unterrichtspraxis in Kapitel 7 Bezug genommen.

      2.3 Integrierter Fremdsprachen-Sachfach-Unterricht

      Schulisches fach- und fremdsprachenintegriertes Lernen (auch: CLIL, d.h. Content and Language Integrated Learning)1 erfreut sich weltweit großer Beliebtheit (vgl. Haataja 2010, 1047, Haataja/Wicke 2016) und ist dementsprechend ein festetabliertes Forschungsfeld, in dem die „Kombination von CLIL und Deutsch einen vergleichsweise jungen Entwicklungsgegenstand dar[stellt]“ (Haatja 2010, 1050). Doch profitiert das Fach Deutsch als Fremdsprache bzw. CLILiG2 selbstverständlich auch von Forschung aus dem englischsprachigen Raum, wo CLIL besonders Konjunktur hat. Im Hinblick auf den integrierten Fremdsprachen-Sachfach-Unterricht an Universitäten und Hochschulen kann hingegen nicht festgestellt werden, dass die Forschung in diesem Bereich floriert.3 Zwar liegen Arbeiten zu Fachunterricht vor, der an Universitäten im nicht-englischsprachigen Raum in der lingua franca Englisch stattfindet (z.B. Smit/Dafouz 2012), doch die Beschäftigung mit sogenannten Inhaltsseminaren, die im Rahmen von Fremdsprachenstudiengängen angeboten werden und zu denen neben dem eigenständigen Landeskundeunterricht vor allem literatur- und sprachwissenschaftliche Lehrveranstaltungen gehören, findet nur spärlich statt. Dies kann auf viele Gründe zurückgeführt werden (vgl. bspw. Fandrych 2007), u.a. darauf, dass an vielen Hochschulen und Universitäten, nicht zuletzt im englischsprachigen Raum, eine strikte Trennung von Fremdsprachenunterricht und Inhaltskursen stattfindet (vgl. Rösler 2010c, 12),4 was für Schweden aber, zumindest in dieser Schärfe, nicht festgestellt werden kann. Außerdem hatte (und hat) die Landeskunde als selbständiges Unterrichtsfach u.a. aufgrund der fehlenden wissenschaftlichen Fundierung der Unterrichtsinhalte (vgl. Kapitel 2.2.1) keinen guten Stand. Wie Kapitel 2.2.2 gezeigt hat, liegen jedoch seit dem Aufkommen kulturwissenschaftlich orientierter Landeskundeansätze ernstzunehmende Lösungsansätze auch für selbständigen Landeskundeunterricht vor.

      Traditionell ist selbständige Landeskunde vermutlich das Unterrichtsfach, in dem sprachliches und inhaltliches Lernen noch am häufigsten verbunden wird.5 In wissenschaftlichen Arbeiten zu kulturwissenschaftlich orientierter Landeskunde wird in der Regel auf die Dimension des Fremdsprachenlernens nicht eingegangen (z.B. Badstübner-Kizik/Hille 2015). Ausnahmen stellen die Lehrwerke Erinnerungsorte – Deutsche Geschichte im DaF-Unterricht (Schmidt/Schmidt 2007a) und Mitreden – Diskursive Landeskunde für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache (Altmayer 2016) dar, die im Zuge des Paradigmenwechsels entstanden sind.

      In der Praxis gibt es eine Reihe möglicher Szenarien, wie fremdsprachliches und inhaltliches Lernen kombiniert werden können. Von Schlemminger (2013) liegen verschiedene Modelle vor, in denen der Grad der Integration von schulischem Fremdsprachen- und Fachlernen und auch das Spannungsverhältnis der beteiligten Fachdidaktiken hervortreten.

      Modell 1: Im erweiterten Fremdsprachenunterricht steht das Fremdsprachenlernen im Vordergrund, evaluiert wird lediglich die sprachliche Kompetenz. Dieses Modell findet sich im inhaltsorientierten Fremdsprachenunterricht, d.h. einem Unterricht, in dem der Bedeutungsgehalt, „unter Einbezug neuen Weltwissens“ (Schlemminger 2013, 383), der Formfokussierung übergeordnet ist. Für den hier untersuchten Unterricht sind jedoch eher die beiden folgenden Modelle (Modelle 2 und 3) relevant; in Kapitel 3.2.6 wird gezeigt werden, dass sich der Landeskundeunterricht auf der Schnittstelle zwischen beiden Modellen befindet, wobei die Gewichtung je nach Unterrichtsabschnitt variiert. In beiden Modellen wird die Sachfachkompetenz evaluiert:

      Modell 2: Der zielsprachlich orientierte Sachfachunterricht orientiert sich in seiner Methodik/Didaktik und in der Auswahl der Unterrichtsinhalte am Sachfach, fokussiert aber gleichzeitig eine allgemeine Sprachkompetenz: „Die Zielsprache wird jedoch hauptsächlich als Mittel benutzt, sich Sachfachinhalte anzueignen“ (Schlemminger 2013, 384).

      Modell 3: Im zielsprachenintegrierenden Sachfachunterricht steht das Fachwissen im Mittelpunkt:

      Die Lernenden verfügen im Allgemeinen über ein gutes Sprachniveau in der L2. Ziel ist es, den Fachdiskurs des jeweiligen Sachfaches in der Zielsprache […] zu entwickeln und zu erweitern […]; es geht um die Entwicklung fachspezifischer Diskursstrategien, die es ermöglichen, eine kognitiv anspruchsvollere, fachspezifische Sprache zu verstehen und zu verarbeiten. (Schlemminger 2013, 384)

      Für Landeskunde als universitäres Fach im Rahmen von Fremdsprachenstudiengängen wird einmal mehr deutlich, wie problematisch die Situation ist, die nicht nur auf eine lange vorherrschende mangelnde Wissenschaftlichkeit zurückgeführt werden kann: Auch wenn in Kapitel 2.2.2 argumentiert wurde, dass historische Themen eine besondere Relevanz haben und damit der Geschichtsdidaktik eine wichtige Rolle zukommt, sind durchaus andere Fachdidaktiken der Bezugswissenschaften wie z.B. Politikwissenschaft, Geographie, Wirtschaftswissenschaft relevant. Es geht also nicht nur um die wissenschaftliche Fundierung der Unterrichtsgegenstände, sondern auch darum, dass Erkenntnisse aus