Aneta Stojic

Deutsch-kroatische Sprachkontakte


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von Neologismen) neuere Lehnprägungen in der kroatischen Sprache an, unter denen auch deutsche Lehnprägungen eine wichtige Rolle spielen. Marija Turk hat sich mit der Problematik der Lehnprägungen in mehreren wissenschaftlichen Aufsätzen auseinandergesetzt und ihre Erkenntnisse im Werk Jezično kalkiranje u teoriji i praksi: Prilog lingvistici jezičnih dodira, 2013 (Sprachliche Lehnprägung in Theorie und Praxis: Beitrag zur Sprachkontaktforschung) vereint. In diesem Band spricht sie über Lehnprägungen im Kroatischen, die nach Vorbild unterschiedlicher Sprachen entstanden sind. Die Resultate ihrer Analyse zeigen eine quantitative Vorherrschaft des deutschen Modells über diejenigen anderer Sprachen. Der Einfluss des Deutschen zeigt sich insbesondere im 19. Jahrhundert, als die Terminologie ausgebaut wurde und es allgemein zur Spracherneuerung kam. Bei den Lehnprägungen spielte die deutsche Sprache eine zweifache Rolle: Sie diente als Modell für die Bildung von Lehnprägungen, war aber auch Mittler bei Entlehnungen aus klassischen und anderen europäischen Sprachen. Das Deutsche spielte eine wichtige Rolle bei der Vermittlung aus dem Englischen, Französischen, Italienischen und dem Tschechischen. Dieser Einfluss dauert bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts an, als es dem Einfluss des immer dominanter werdenden Englisch zu weichen beginnt.

      Allen bisherigen Untersuchungen zu den deutschen Lehnwörtern in der kroatischen Sprache ist gemeinsam, dass sie vornehmlich deutsche Lehnwörter anführen, ohne dabei feste Kriterien für ihre Bestimmung bzw. Definition zu geben. Die deutschen Lehnwörter werden der gleichen Kategorie zugeordnet, während die Frage nach der Intensität des Einflusses des Deutschen auf das Kroatische offenbleibt, wie auch die Frage, wie dieser Einfluss benannt werden kann, ob er direkt war oder das Deutsche eine Mittlerrolle innehatte, welchen Status die deutsche Entlehnung im Kroatischen hat usw.

      1.2 Ziel und Aufbau

      Um ein möglichst vollständiges Bild vom Einfluss des Deutschen auf das Kroatische zu bekommen, müssen die Resultate des evidenten und latenten Entlehnens deutscher Wörter in die kroatische Sprache jedoch zuerst benannt und daraufhin definiert werden. Da bei der Beschreibung von Kultur- bzw. Sprachkontakten die Sprache nicht nur als ein abstraktes, in sich geschlossenes System betrachtet werden darf, weil Sprachkontakte das Resultat geschichtlicher und kultureller Ereignisse sind, muss auch der diachrone gesellschaftlich-kulturelle Kontext, in dem die Sprachen in Kontakt kamen, berücksichtigt werden (vgl. Riehl, 2009). In Anbetracht dieser Tatsachen ist es das Ziel des vorliegenden Bandes, alle Erkenntnisse der bisherigen Untersuchungen dieser Problematik zu systematisieren und zu synthetisieren und daraufhin das gesammelte Material nach einheitlichen Kriterien zu analysieren: nach der wahren Herkunft, der Zeit der Entlehnung und nach dem sprachlichen Status in der kroatischen Sprache. Dabei wird sowohl das direkte als auch das indirekte Entlehnen aus dem Deutschen ins Kroatische berücksichtigt. Die auf diese Weise ermittelten Lexeme sollen schließlich den Einfluss der deutschen Sprache auf die kroatische durch die zeitliche und räumliche Perspektive aufzeigen.

      Das Ziel wirkt sich auf die Struktur des Bandes aus. Nach der Einleitung folgen terminologische Vorüberlegungen mit einer Begriffsbestimmung des Untersuchungsgegenstandes als wichtige Voraussetzung für eine einheitliche Vorgehensweise. In diesem Zusammenhang wird auch eine kurze Beschreibung der sprachwissenschaftlichen Disziplin, die sich mit der Frage der lexikalischen Entlehnung beschäftigt, dargelegt. Da Sprachkontakte immer auch das Resultat geschichtlicher und kultureller Kontakte sind, wird im dritten Kapitel ein Überblick des kulturgeschichtlichen Kontextes der kroatisch-deutschen Sprachkontakte gegeben. Das vierte Kapitel widmet sich den evidenten deutschen Lehnwörtern bzw. ihrer Identifikation und ihrem Status in der kroatischen Gegenwartssprache. Die Belegsammlung der evidenten Entlehnungen basiert auf: 1. linguistischen Untersuchungen, die deutsche Lehnwörter im Kroatischen zum Gegenstand haben, 2. gegenwärtigen Wörterbüchern kroatischer Ortssprachen, 3. einschlägigen älteren und neueren Wörterbüchern des Kroatischen sowie 4. Befragungen von Informanten aus unterschiedlichen Teilen Kroatiens. Da die befragten Informanten nicht über den gesamten Sprachfond ihres Idioms verfügen, wurden für jede untersuchte Region mehrere Personen befragt. Bei der Bestimmung der deutschen Lehnwörter auf synchronischer Ebene ist der Ausgangspunkt die Allgemeinsprache, um einen Einblick in die räumliche Verbreitung deutscher Lehnwörter zu bekommen. Deshalb wurden deutsche Entlehnungen, die Teil von terminologischen Nomenklaturen sind, aus der Sammlung ausgeschlossen, davon ausgehend, dass solche Ausdrücke den Durchschnittssprechern nicht bekannt sind und somit auch nicht von ihnen gebraucht werden. Im Rahmen dieses Kapitels wird ein ausführliches Wörterverzeichnis aller ermittelten deutschen Entlehnungen nach ihrem Status in der kroatischen Sprache angeführt. Im fünften Kapitel wird die Adaption der auf diese Weise ermittelten evidenten deutschen Lehnwörter auf phonologischer, graphisch-orthographischer, morphologischer und semantischer Ebene dargestellt. Das sechste Kapitel widmet sich den Lehnprägungen. Es werden zuerst die Frage der Identifikation von Lehnprägungen und die Diagnosekriterien zur Identifikation erörtert. Da das Deutsche bei den Lehnprägungen im Kroatischen sowohl Geber- als auch Mittlersprache war, widmet sich ein Unterkapitel dieser Tatsache. Im Anschluss darauf erfolgt die detaillierte Gliederung der Lehnprägungen im Kroatischen nach ihrer Art. Ihre Analyse basiert auf einer Belegsammlung, die aus unterschiedlichen schriftlichen Quellen exzerpiert wurde: 1. wissenschaftlichen Aufsätzen, die sich mit der Frage der Lehnprägungen im Kroatischen beschäftigen, und 2. wissenschaftlichen Aufsätzen, die sich mit Lehnprägungen in anderen Sprachen, vornehmlich der deutschen, tschechischen, slowenischen und französischen, beschäftigen, wobei überprüft wurde, ob analoge Beispiele im Kroatischen existieren. Diese Basis wurde durch weitere Untersuchungen auf zwei Ebenen erweitert: Ältere Lehnprägungen wurden aus älteren kroatischen zweisprachigen Wörterbüchern, insbesondere aus dem 19. Jahrhundert, das durch Spracherneuerung gekennzeichnet ist, exzerpiert. Die Belegsammlung der jüngeren Lehnprägungen wurde aus unterschiedlichen zeitgenössischen Printmedien und Internetportalen exzerpiert und in einschlägigen kroatischen ein-, zwei- und mehrsprachigen Wörterbüchern, online-Suchmaschinen wie beispielsweise Hrvatski nacionalni korpus (www.hnk.ffzg.hr), Hrvatska jezična riznica (http://riznica.ihjj.hr) u.Ä. verifiziert.

      Am Ende des Bandes erfolgen das Schlusswort und das Quellenverzeichnis.

      An dieser Stelle danken wir den Gutachterinnen Prof. Dr. Nada Ivanetić (Universität Rijeka) und Prof. Dr. Jadranka Gvozdanović (Universität Heidelberg) herzlich für ihre konstruktiven Hinweise, mit denen sie maßgeblich zur Qualität dieses Bandes beigetragen haben. Ein großer Dank gilt auch unseren Familien für ihre Unterstützung. Ihnen ist diese Monographie gewidmet.

      

      2 Terminologische Vorüberlegungen

      In der Sprachkontaktforschung findet man eine Vielzahl verschiedener Definitionen bzw. Interpretationen der verwendeten Terminologie bzw. Erweiterungen, Ergänzungen oder Umdeutungen des bereits existierenden terminologischen Apparates. Deshalb werden nachfolgend zuerst die Entwicklung der linguistischen Teildisziplin, die sich mit Sprachen in Kontakt beschäftigt, sowie wichtige Begriffe, die sie verwendet und die Gegenstand dieser Arbeit sind, erklärt. Am Ende des Kapitels erfolgt die Bestimmung der zugrundeliegenden Begriffe.

      2.1 Sprachkontaktforschung

      Die Erforschung von Sprachkontakten setzt relativ spät ein, obwohl die gegenseitige Beeinflussung von Sprachen schon in der Antike von Philosophen wie Platon, Quintilian und Priscian thematisiert wurde. Sie schenkten diesen Phänomenen jedoch keine besondere Bedeutung. Wissenschaftliches Interesse an Zwei- oder Mehrsprachigkeit und deren Auswirkungen ist erst im 19. Jahrhundert zu vermerken (Oksaar, 1996b/12: 1). Diese Disziplin wurde im Laufe ihrer Entwicklung mit unterschiedlichen Namen versehen. Zunächst gebrauchte man die Bezeichnungen linguistische oder sprachliche Entlehnungen. In den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts ist seit der Veröffentlichung der klassischen Monographie von Uriel Weinreich, Languages in Contact (1953), der Terminus Sprachkontakt in Gebrauch. In neuerer Zeit wird jedoch für den Zweig, der sich mit den Sprachkontakten befasst, immer mehr der Ausdruck Kontaktlinguistik verwendet.

      Sprach- und Kulturkontakte entwickelten sich vor allem mittels