Wissenschaftssprache. Danach übernahm diese Rolle das Lateinische, das mit der Zeit seine Anwendung ausweitete: Es wurde zur Sprache der Gebildeten, zur Quelle der Fachterminologie sowie zur Grundlage einiger Fachsprachen, so der Rechts-, Wirtschafts- und Kirchensprache. Mehrsprachigkeit war im damaligen Europa eine alltägliche Erscheinung. Daher wurden Mehrsprachigkeit und Sprachkontakt durch die Jahrhunderte von unterschiedlichen Aspekten betrachtet, jedoch vom wissenschaftlichen Interesse erst in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts unter dem Einfluss der historischen und vergleichenden Linguistik. Es kommt zur intensiven Erforschung der Entwicklung der unterschiedlichen Sprachfamilien. Im Mittelpunkt stehen folgende Fragestellungen: Welches sind die Sprachwurzeln, welche Unterschiede bestehen zwischen den Sprachen, was sind die Gründe für den Sprachwandel? Einige Antworten darauf gaben einige Phänomene der Kontaktlinguistik, wie z.B. die Substrat-Theorie und die sprachliche Entlehnung. Schon damals stellte sich die uneinheitliche Terminologie in der Sprachkontaktforschung als offensichtliche Schwierigkeit heraus.
Die Einflüsse der Sprachkontakte wurden in der Kontaktlinguistik unterschiedlich benannt. Die traditionelle Linguistik gebraucht die Begriffe Sprachmischung und Mischsprache. Die Linguisten des 19. Jahrhunderts vertreten diesem Phänomen gegenüber unterschiedliche Meinungen. Die Möglichkeit, dass Mischsprachen existieren, bestreiten vor allem Philosophen (Rasmus Rask, August Schleicher und Max Müller). Ihrer Meinung nach gibt es keine gemischten Sprachen, weil Sprachkontakte nur die Lexik beeinflussen, während die Struktur selbst äußeren Einflüssen nicht ausgesetzt ist (Filipović, 1986: 19). Die bedeutendsten Vertreter der Theorie von Mischsprachen waren der Keltologe Ernst Windisch und der Österreicher Hugo Schuchardt, der glaubte, dass es keine Sprache gäbe, die nicht gemischt sei. Ernst Windisch (1897: 118) versteht unter dem Begriff Mischsprache eine Sprache, in der 1. fremde Wörter auf Kosten der nativen gebraucht werden, 2. zur Bezeichnung der Sache vollständig ausreichende native Wörter durch fremde ersetzt werden, 3. es viele Lehnwörter gibt, 4. Lehnwörter in einfachen Ausdrücken und Sätzen gebraucht werden, 5. nicht nur Substantive, sondern auch Verben und sogar Zahlwörter und morphologische Formen sowie andere zum Organismus des Satzes gehörigen Formen fremden Ursprungs sind. Für H. Schuchardt gründet Sprachmischung auf Zweisprachigkeit, beziehungsweise Sprachmischung ist eine Form der unvollständigen Zweisprachigkeit, die immer auch auf die Sprachentwicklung einwirkt (1884). Schuchardt beschäftigte sich mit der Erforschung des Sprachkontaktes der slawischen, romanischen und germanischen Völker in der Habsburger Monarchie und untersuchte die phonologische und lexikalische Interferenz sowie den Einfluss der sog. „inneren Form“ auf die Sprachentwicklung, für die zehn Jahre darauf Duvau den Ausdruck calque (Lehnübersetzung) einführte. Nach den Vorstellungen von Herrmann Paul beginnt die Sprachmischung schon auf der Ebene der Individualsprachen. Sie entsteht eigentlich in dem Augenblick, in dem sich zwei Personen miteinander unterhalten, wodurch sie die Sprache, deren Syntax, Morphologie, Phonetik und deren Wortschatz im gegenseitigen Austausch auf der Ebene der Idiolekte prägen. Seiner Meinung nach ist die Sprachmischung im Grunde ein genuiner Bestandteil der Sprache. Pauls Meinung nach spielt bei der Sprachmischung die Zwei- oder Mehrsprachigkeit eine wichtige Rolle (Filipovič, 1986: 19).
Die Linguisten des 20. Jahrhunderts verwerfen hauptsächlich den Begriff der Mischsprachen. Für Antoine Meillet (1936: 83) wie auch für viele andere Sprachwissenschaftler ist dieser Begriff nicht angebracht, weil man Elemente aus einer anderen Sprache übernehmen kann, ohne dass es gleich auch zur Sprachmischung kommt. Die Entlehnung betrifft vor allem die Lexik, während Phoneme und grammatische Strukturen nur im Ausnahmefall entlehnt werden. Deshalb kann man auch nicht davon sprechen, dass sich zwei Sprachsysteme vermischen. Edward Sapir gebraucht den Terminus Wortentlehnung und versteht darunter die einfachste Art von Einfluss einer Sprache auf die andere. Die Entlehnung ganzer Wörter erfolgt meist nicht nur auf der rein sprachlichen Ebene, sondern steht vielfach im Zusammenhang mit einem Kulturtransfer. Neue, unbekannte Güter werden übernommen und damit oft auch die Bezeichnungen dafür (1972: 174). Der amerikanische Sprachwissenschaftler Bloomfield versteht unter Entlehnung drei Typen sprachlicher Veränderungen: Entlehnungen kultureller Begriffe, Entlehnungen aufgrund eines unmittelbaren Sprachkontakts, der durch territoriale oder politische Nähe zustande kommt (intime Entlehnung) und dialektale Entlehnungen, die aus Dialekten in die Hochsprache gelangen (1933: 444ff). Nach Jan Baudouin de Courtenay gibt es keine reine, ungemischte Sprache. Vielmehr ist jede Sprache das Resultat von Sprachmischung. Dabei kann die Mischung auf zwei Ebenen erfolgen: geographisch-territorial und chronologisch. Letzteres liegt bei der gegenseitigen Beeinflussung einer alten religiösen bzw. rituellen Sprache und einer modernen vor, ersteres ist die Voraussetzung für jede auf natürlichem Wege verlaufende Mischung. Der Einfluss der Sprachmischung bewirkt zweierlei: 1. in eine Sprache werden (lexikalische, syntaktische, phonetische) Elemente einer anderen Sprache übernommen und 2. die Unterschiede zu anderen Sprachen werden geringer (1963: 94ff).
Primäre Voraussetzung für die Übernahme fremden Wortgutes in eine Sprache ist der sprachliche Kontakt. Weinreich vertritt die Auffassung, dass zwei Sprachen in Kontakt stehen, wenn sie von ein und derselben Person abwechselnd verwendet werden (vgl. Weinreich, 1977: 15). „Die die Sprachen gebrauchenden Individuen sind somit der Ort, an dem der Sprachkontakt stattfindet.“ (ebd. 15). Er bezeichnet eine solche Person als zweisprachig und diesen Prozess der abwechselnden Verwendung zweier Sprachen als Zweisprachigkeit. In der Fachwelt gibt es unterschiedliche Definitionen dieses Begriffes, allgemein können aber zwei Interpretationen unterschieden werden: Zum einen verstehen Sprachwissenschaftler unter Zweisprachigkeit nur die „muttersprachähnliche Kontrolle über zwei Sprachen“ (Bloomfield, 1933: 56), auf der anderen Seite existiert eine viel elastischere Auffassung von Bilingualismus, wie z.B. bei E. Haugen, für den Zweisprachigkeit dort beginnt, „wo der Sprecher einer Sprache komplette, inhalttragende Äußerungen in der anderen Sprache erzeugen kann“ (1950: 7). Els Oksaar (1996b: 24) definiert Mehrsprachigkeit als Fähigkeit eines Individuums „hier und jetzt zwei oder mehr Sprachen als Kommunikationsmittel zu verwenden und ohne weiteres von der einen in die andere umzuschalten, wenn die Situation es erfordert“ (Oksaar, 2003: 31). Weinreich, der gemeinsam mit Haugen als Begründer dieser linguistischen Disziplin gilt, definiert Zweisprachigkeit als die „Praxis, abwechselnd zwei Sprachen zu gebrauchen […], die an solcher Praxis beteiligten Personen werden zweisprachig genannt“ (Weinreich, 1976: 15). Wenn in einer Zeitspanne mehrere Personen abwechselnd die gleichen zwei oder mehr Sprachen verwenden, wird dieser Sprachenkontakt zum kollektiven Phänomen. Bechert und Wildgen definieren Zweisprachigkeit „nicht als die perfekte und gleichmäßige Beherrschung zweier Sprachen, sondern als die Fähigkeit, sich zweier oder mehrerer Sprachen in verschiedenen Kontexten und mit unterschiedlichen Modalitäten bedienen zu können, d.h. als regelhafte Verwendung eines aus zwei oder mehreren Sprachen bestehenden Sprachenrepertoires“ (1991: 57). Bilingualismus und Sprachkontakt sind somit untrennbar miteinander verbunden: Der zwei- oder mehrsprachige Sprecher kann einer der Orte sein, wo der Sprachkontakt stattfindet. Sie beeinflussen sich gegenseitig und sind meist voneinander abhängig. Sprachkontakt, der sich über einen längeren Zeitpunkt erstreckt, zieht unweigerlich auch Sprachwandel nach sich, insbesondere in Form von Entlehnungsprozessen.
In der Fachliteratur wurde der Begriff der sprachlichen Entlehnung oftmals wegen seiner unerwünschten Konnotationen, dass es sich bei den Sprachkontakten nur um mechanisches Hinzufügen fremder Elemente handle, kritisiert. Ausgehend von der strukturalistischen Auffassung ist der Begriff der Entlehnung akzeptabel, weil jedes neue Element im Sprachsystem der Nehmersprache durch Verflechtung der paradigmatischen und syntagmatischen Beziehungen eine Veränderung bewirkt. Ende der 40er Jahre des 20. Jahrhunderts kamen in der germanistischen Linguistik die Begriffe Lehngut und Lehnwortschatz in Gebrauch. Im englischen Sprachraum hat sich der Ausdruck loanword durchgesetzt, im französischen das Syntagma mot d'emprunt. Da es sich bei dem Ausdruck „Entlehnung“ um eine Metapher handelt, die nicht exakt genug, teilweise sogar unkorrekt ist, weil vorausgesetzt werden könnte, dass Entliehenes zurückgegeben werden sollte, was bei der Wortentlehnung selten der Fall ist, sollten nach Ansicht einiger Linguisten neue Termini für dieses Phänomen eingeführt werden. So erscheinen Begriffe wie diffusion und acculturation. Aber auch diese beiden Begriffe sind teilweise unpassend, weil sich der erstere im Englischen auf die Verbreitung von Wörtern auf ein anderes, neues Gebiet bezieht, während der zweite unterschiedliche Veränderungen, die aus dieser Verbreitung resultieren, bezeichnet. Deshalb schlägt Haugen vor, dass der Terminus