Aneta Stojic

Deutsch-kroatische Sprachkontakte


Скачать книгу

Synonymen. Dies kommt auch vor, wenn der Sprecher das Gefühl hat, dass ein Wort „mehr“ als das native Wort aussagt. Filipović (1986: 26) nennt sprachexterne Gründe für Entlehnung: das Bedürfnis nach Benennung eines übernommenen Produktes (soziologischer Grund) sowie das Bedürfnis des Sprechers nach Verschönerung seines Sprachgebrauchs mit modernen Ausdrücken aus fremden Sprachen (psychologischer Grund). Ein weiterer außersprachlicher Grund besteht in der subjektiven Bewertung einer Sprache, die dazu führt, dass die in der Gesellschaft verwendeten Sprachen unterschiedlichen Prestigewert besitzen. Der Sprecher, der die Sprache mit dem höheren Prestigewert benutzt, strebt einen höheren sozialen Status an und möchte damit seine Fremdsprachenkenntnis demonstrieren (vgl. Weinreich, 1977: 83). Somit können in Anlehnung an Bechert und Wildgen (1991: 77) drei grundlegende Motive für die lexikalische Entlehnung angeführt werden: 1. sprachliche Bedarfsdeckung beim Kulturtransfer (Kulturwörter); 2. Modeerscheinungen (Modewörter) und 3. Sprachwechsel.

      2.3 Resultate lexikalischer Entlehnung

      Der Terminus Entlehnung gilt als Oberbegriff für alle Arten der Übernahme sprachlicher Phänomene aus einer Sprache in die andere und wird meistens im weiteren Sinne benutzt, d.h. er bezieht sich nicht nur auf das Ergebnis, sondern auch auf den Vorgang dieser Übernahme. Nach Weinreich (1976: 69) regulieren diesen Vorgang zwei grundlegende Mechanismen: 1. Einheiten der Sprache A werden in die Sprache B übernommen; 2. Morpheme der Sprache B werden anstelle ihrer gleichbedeutenden Morpheme der Sprache A benutzt. Diese Mechanismen sind bei jedem Entlehnungsvorgang präsent, allerdings werden die Resultate in der Sprachwissenschaft unterschiedlich benannt. Dabei spielen die Wortbedeutung und die Wortform bzw. die Inhalts- und Ausdrucksseite als zwei Komponenten jedes Wortes bei allen Definitionsversuchen die ausschlaggebende Rolle. Der Hauptunterschied birgt sich in der Frage, ob die äußere Form des Wortes zusammen mit seiner Bedeutung oder nur die Bedeutung übernommen wird. Betz (1949: 27f) versucht als einer der ersten die Resultate der lexikalischen Entlehnung zu klassifizieren und führt dabei neue Fachbegriffe ein. So unterscheidet er zwischen dem ‘äußeren Lehngut’ – Lehnwort (Übernahme der Wortform und der Wortbedeutung – Morphemimport) und dem ‘inneren Lehngut’ – Lehnprägung (Übernahme nur der Wortbedeutung – Morphemsubstitution). Das Lehnwort teilt er weiter in Fremdwort und assimiliertes Lehnwort, die Lehnprägung in Lehnbildung (Neologismus) und Lehnbedeutung (semantische Entlehnung). Lehnbildung teilt er in Lehnübersetzung, Lehnübertragung (teilweise Übersetzung) und Lehnschöpfung (formal unabhängiger Neologismus). Nach Haugen (1950: 214) sollte der Begriff Lehnwort aufgrund des Ausmaßes der Morphemsubstitution nach dem Grad der Assimilation weiter unterteilt werden. In Folge schlägt er die Begriffe loanword (reiner Morphemimport), loanblend (Morphemimport und -substitution) und loanshift (reine Morphemsubstitution) vor. Weinreich (1977: 69) nennt Import und Substitution transfer und reproduction. Somit liegt jeder Klassifikation ein grundlegendes Gliederungsprinzip zugrunde: Man unterscheidet sorgfältig zwischen der Übernahme entweder der Wortform mit der Wortbedeutung oder nur der Wortbedeutung.

      Das Lehngut kann auf unterschiedlichen Wegen in eine Sprache gelangen. Geographisch unterscheidet man zwischen direkter und indirekter (vermittelter) Entlehnung. Eine indirekte Entlehnung findet statt, wenn ein Sprachgebiet von einem anderen Sprachgebiet durch eine Sprachgrenze getrennt ist. „Wohnnachbarschaft liegt nicht vor” (Tesch, 1978: 62). Die Entlehnungen entstehen auf friedliche Weise, z.B. durch Reisen, Pilgerfahrten, Studienreise, Arbeit im Ausland, usw. oder im Krieg durch Feldzüge u.Ä. Bei direkten Entlehnungen sind beide Sprachgebiete geographisch im Kontakt (ebd. 62ff). Bezüglich der Art und Weise der Übernahme sowie der späteren Assimilation bzw. Integration in die Gebersprache wird zwischen dem mündlichen und dem schriftlichen Übernahmeweg unterschieden. Der mündliche Übernahmeweg vollzieht sich meistens durch die Umgangssprache, während der schriftliche (literarische) Weg durch die Literatur, Wissenschaft, amtliche oder geschäftliche Korrespondenz, durch das Lesen und das Übersetzen wissenschaftlicher Werke, durch die Beschäftigung mit Zeitungen und Zeitschriften, d.h. durch den geschriebenen Text zu Stande kommt (ebd. 73f). Die Wörter, die auf mündlichem Wege übernommen wurden, sind meistens direkte Entlehnungen. Die auf schriftlichem Wege übernommenen Wörter lassen sich häufig nicht von denen unterscheiden, die mündlich entlehnt sind.

      Das Kroatische übernahm und übernimmt auch heute noch vor allem deshalb fremdes Wortgut, um Wortlücken im eigenen lexikalischen Bestand zu schließen. In manchen Fällen kommt es in der kroatischen Sprache zu Entlehnungen, weil ihre Bedeutungen nicht mit den kroatischen Lexemen übereinstimmen. Deshalb tragen solche Entlehnungen zur klaren semantischen Abgrenzung innerhalb des kroatischen Lexeminventars bei (Samardžija, 1995: 45). Es gibt auch solche Entlehnungen, die keinen neuen Begriff mit sich gebracht haben, sondern mit einem koexistierenden in der kroatischen Sprache übereinstimmen. In diesem Fall kommt es zur vollständigen Synonymie. Es gibt auch andere Ursachen für die Entlehnung wie beispielsweise das Bedürfnis nach Abgrenzung schon bestehender Wörter und Begriffe sowie die Tendenz zur teilweisen Internationalisierung des kroatischen Wortschatzes.

      2.4 Begriffsbestimmung

      Bei der Begriffsbestimmung der Lehnwörter deutscher Herkunft stößt man in der Sprachwissenschaft auf einige Probleme. Zum einen ist schon die Bezeichnung der deutschen Lehnwörter in der linguistischen Literatur vom etymologischen Standpunkt aus umstritten, da sich das Deutsche in vielen verschiedenen regionalen und überregionalen Erscheinungsformen manifestiert. Zum anderen existiert, wie eine Übersicht der in den sprachwissenschaftlichen Abhandlungen dargestellten Definitionen verdeutlicht, keine einheitliche Begriffsbestimmung: In der einschlägigen kroatischen Literatur werden die Ausdrücke germanizam (Germanismus) und njemačka posuđenica (deutsches Lehnwort) gebraucht. Klaić (1988) führt in seinem Fremdwörterbuch unter dem Stichwort germanizam zwei Erklärungen an: 1. Ausdrucksweise im Geiste der deutschen Sprache; 2. Fremdwort, das aus einer germanischen Sprache übernommen wurde. Simeon (1969) führt in seinem Lexikon der Sprachwissenschaft drei Bedeutungserklärungen dieses Begriffs an: 1. allgemein Besonderheit aus Deutschland, die von anderen Völkern oder Sprachen übernommen wurde (Bräuche, Sprache u.Ä.); 2. insbesondere bezieht es sich auf ein Wort, eine Konstruktion aus der deutschen Sprache; 3. im weiteren Sinne, aus einer germanischen Sprache übernommenes oder nach ihrem Vorbild gebildetes Wort, Ausdruck oder Konstruktion. Laut Babić (1990) ist die erste Bedeutungserklärung im gesellschaftlichen Sinne, die dritte im linguistischen und die zweite allgemein zu weit gefasst und ergänzt: Alles was in der kroatischen Sprache unmittelbar oder mittelbar aus der deutschen Sprache stammt, gilt als Germanismus (ebd. 217). Diese Deutung trennt Wörter deutscher Herkunft klar in zwei Gruppen: indirekte und direkte Germanismen. In der Sprachwissenschaft wird die Rolle der Mittlersprache unterschiedlich bewertet. Viele Autoren denken, dass bei der Bestimmung der Herkunftssprache des Lehnwortes nicht die Sprache, aus der das Wort tatsächlich stammt, im Vordergrund steht, sondern nur diejenige Sprache, aus der das Wort letztendlich in die Nehmersprache übernommen wurde (Theorie der etymologia proxima, vgl. Muljačić, 2000: 302). So wurde beispielsweise das Wort kiosk aus dem Deutschen Kiosk ins Kroatische übernommen. Das Deutsche hat jedoch selbst das Wort aus dem Französischen kiosque entlehnt. Dieser Ausdruck stammt wiederum aus dem Türkischen, das es selbst aus der persischen Sprache übernommen hat. Während für die direkte Entlehnung als Voraussetzung gilt, dass diese Art von Sprachkontakt von einem zweisprachigen Sprecher realisiert wird, kann bei der indirekten Entlehnung auch eine Sprache oder häufiger sogar öffentliche Medien die Mittlerrolle innehaben (vgl. Filipović, 1986: 51). In Mittel-, Ost- und Südosteuropa übte diese Mittlerrolle in den meisten Fällen das Deutsche aus (ebd. 190). Muljačić (1971: 43) verweist in seinen Forschungen über kroatisch-französische und kroatisch-italienische Sprachkontakte auf die Mittlerrolle des Deutschen und auf die Tatsache, dass Wien zur Zeit der Habsburger Monarchie, teilweise auch heute noch, ein großer „Rangierbahnhof“ für die Weiterleitung deutscher Gallizismen, Italianismen und Anglizismen in Richtung Nordosten spielte. Italianismen kamen im 18. Jahrhundert insbesondere im Zuge der Terminologisierung in das österreichische Deutsch, weil ein großer Teil Norditaliens unter österreichischer Herrschaft stand (Jernej, 1956: 61).

      Babić (1990: 217ff) unterscheidet zwischen echten Germanismen (direkt aus dem Deutschen ins Kroatische