Personalunion
Nach dem Tod des kroatischen Königs Zvonimir 1089 erhob der ungarische König Ladislaus Erbansprüche auf die kroatische Krone. Es begann die Erschließung des mittelalterlichen Slawoniens, des "Slawenlandes" südlich der Drau. 1094 gründete Ladislaus in Zagreb ein Bistum und eine Gespanschaft nach ungarischem Muster. Sein Nachfolger Koloman wurde dann 1102 in Biograd bei Zadar zum kroatischen König gekrönt. Die ungarische Dynastie der Arpaden 1102 übernahm durch die so genannte Pacta Conventa die kroatische Königskrone und gründete gemeinsam mit kroatischen Herrschern die Personalunion (1102–1526). Im gemeinsamen Staat kam es zum gegenseitigen Einfluss auf Kultur und Sprache, wobei indirekt auch viele deutsche Lehnwörter über das Ungarische in die kroatische Sprache entlehnt wurden (Talanga, 1990: 131). Aus dieser Zeit stammen Begriffe wie:
kro. frtalj < ung. fertály < ahd. fiorteil, nhd. Viertel;
kro. grof < ung. gróf < mhd. grāve, nhd. Graf;
kro. hahar < ung. hóhér < mhd. hāhaere < nhd. Henker;
kro. marva < ung. marha < mhd. mar(i)ha < nhd. Mähre;
kro. mužar < ung. mozsár < ahd. morsari < nhd. Mörser;
kro. perec < ung. perec < ahd. brez(i)tella < nhd. Brezel;
kro. puška < ung. puska < ahd. buhsa < nhd. Büchse;
kro. rit < ung. rit, ret < ahd. (h)riot < nhd. Ried u.v.m.
Aus dem Althochdeutschen wurden in der Zeit von 1000 bis 1300 ebenfalls viele Ausdrücke für neue Gebrauchsgegenstände oder andere Innovationen, die die Kroaten von den Deutschen übernommen haben, entlehnt:
kro. izba < slaw. *istbba < ahd. stuba, nhd. Stube;
kro. kanta < ahd. channata; nhd. Kanne;
kro. kotar < ahd. kataro, nhd. Gatter (dial. Kotter);
kro. kuhati < ahd. kochōn < vlat. cocere, nhd. kochen;
kro. kuhinja < ahd. chuhhina < vlat. cocina, nhd. Küche;
kro. letva < ahd. latta, nhd. Latte;
kro. mlin < ahd. muli(n) < lat. molina, nhd. Mühle;
kro. mošt < ahd. most < lat. mustum, nhd. Most;
kro. pehar < ahd. beehari < mlat. bicarium < griech. bikos, nhd. Becher;
kro. škaf < ahd. scaf, scaph, nhd. Schaff;
kro. škare < ahd. skâre, nhd. Schere;
kro. škoda < ahd. scado, nhd. Schaden;
kro. škrinja < ahd. scrini < lat. scrinium, nhd. Schrein;
kro. štagalj < ahd. stadal, nhd. Stadel;
kro. truba < ahd. trumba, nhd. Trompete;
kro. vaga < ahd. vaga, nhd. Waage;
kro. žaga < ahd. saga, nhd. Säge.
Einige dieser Gebrauchsgegenstände oder Bezeichnungen für unterschiedliche Alltagserscheinungen gab es auch vor der Übernahme des Fremdwortes, jedoch in anderer Form oder mit gewissem Unterschied in technologischer Hinsicht. So gebrauchten die alten Slawen statt dem Ausdruck kuhati das Verb variti, das auch heute noch verwendet wird, allerdings war das althochdeutsche Wort angemessener für die Bezeichnung der fortgeschrittenen Art dieser kulinarischen Aktivität als das urslawische variti, was auf eine Handlung am Feuerplatz referiert. Ähnlich auch die Synonyme mlin und das slawische žrvanj, das eine mit der Hand betätigte Mühle bezeichnete, während das althochdeutsche mulin, heute mlin, eine Mühle bezeichnete, die mithilfe von Wasserkraft bewegt wird.
Vom sprachlichen Aspekt ist, wie oben schon angedeutet, das Zusammenleben mit den Ungarn äußerst interessant, weil nämlich im Laufe der über 400 Jahre im gemeinsamen Staat die kroatische Sprache oftmals eine Mittlerrolle bei der Entlehnung deutscher Wörter ins Ungarische hatte, wie z.B. das kroatische Wort kuhinja, das aus dem althochdeutschen Wort chuchhina übernommen wurde und im Ungarischen durch Metathese zu konyha wurde. Ebenfalls einflussreich war auch die ungarische Sprache bei der Vermittlung deutscher Wörter ins Kroatische. In dieser Zeit wurde eine große Zahl deutscher Entlehnungen indirekt über das Ungarische übernommen (Talanga, 1990: 131). Sprachlich manifestiert sich diese Tatsache darin, dass die deutschen Wörter durch Metamorphose nach phonologischen und morphologischen Regeln der ungarischen Sprache in die kroatische gelangten. Die größte Zahl der Entlehnungen stammt aus dem Bereich der staatlichen Verwaltung und des Rechtssystems, was auch auf die Entwicklung des gesellschaftlichen Lebens der Kroaten hindeutet (vgl. Hadrovics, 1985).
3.4 Entlehnungen in der mittelhochdeutschen Periode
3.4.1 Kolonisierung und Migration
Ethnokulturelle Kontakte der Menschen und Gemeinschaften wurden im Mittelalter noch mehr durch Migrationsbewegungen während des 12. Jahrhunderts gefördert. Sie führten dazu, dass Einwanderer aus den umliegenden Gebieten Teile des heutigen Kroatien besiedelten und sich dadurch an der Entwicklung der kroatischen Gesellschaft beteiligten. Die kroatischen Gebiete eigneten sich seit jeher wegen günstiger klimatischen und geografischen Bedingungen zur Besiedlung. Zu dieser Zeit kam es zur intensiven Kolonisierung, wobei die Hauptrichtungen der Besiedlung von Westen nach Süden und gleichzeitig von Norden nach Osten reichten. Aus dem Westen kamen Germanen, die den größten Einfluss auf kroatischen Gebieten hinterließen. Die ersten deutschen Einwanderer kamen im frühen Mittelalter (Geiger/Kučera, 1995: 85). Dies ist auch der Beginn der kontinuierlichen Verbindung Kroatiens zum deutschsprachigen Raum. Die neuen Zuwanderer hatten den Status von hospites bzw. Königsgästen. Dies war ein Beschluss des ungarischen Königs Stephan I. der Heilige (998–1035), der die „getreuen Gäste“ zur Urbarmachung des Siedellandes, Belebung von Wirtschaft und Handel, Abgaben im Frieden und Lebenseinsatz bei der Grenzverteidigung im Kriegsfall aufrief. Ihre Künste – Handwerk und Handel, wie auch unterschiedliche Sprachen hatten für den Staat eine große Bedeutung. Stephans Nachfolger führten seine Besiedlungspolitik weiter. Die Kolonisten besiedelten slawonische Grundbesitze und nahmen an der Gründung der ersten städtischen Siedlungen im Gebiet zwischen den Flüssen Save, Drau und Donau teil (vgl. Raukar, 1997: 141). Die älteste deutsche Siedlung in Kroatien befindet sich in Varaždin, dem König Andreas II. im Jahre 1209 den Titel einer freien Königsstadt verlieh. Das wichtigste Privilegium, dass den Einwohnern der Stadt damit zukam, war das Recht, ihren eigenen Richter zu wählen, den sie rihtar nannten (Gabričević, 2002: 28). Dieser Germanismus zeugt von dem großen Einfluss der deutschsprachigen Zuwanderer, obwohl diese Gebiete von deutschen Einwanderern erst nach dem Jahr 1527 im bedeutenderem Ausmaße besiedelt wurden. Nach dem Statut von Gradec, später Zagreb, wurde zwischen 1377 und 1436 der Stadtrichter abwechselnd gewählt: 1. lingua slavonica, 2. lingua hungarica, 3. lingua theutonica, 4. lingua latina = gallica. Im Privilegium von Vukovar aus dem Jahre 1231 sind folgende Zuwanderer angeführt: Deutsche, Sachsen, Ungarn und Slawen. Mit der Entwicklung dieser beiden Städte ging auch die Entwicklung der Städte Virovitica, Petrinja, Samobor, Zagreb, Križevci, Koprivnica u.a. unter Zuwanderung vieler Deutsche einher. Dazu trug vor allem die Goldene Bulle von König Bela IV. bei, der nach den Verwüstungen der Tataren im Jahre 1242 mit zahlreichen Privilegien Handwerker vor allem aus deutschen Ländern zur Zuwanderung bewegte. Aus diesen Siedlungen wurden schnell freie Königsstädte, so Gradec bei Zagreb, Samobor (1242), Križevci (1252), Petrinja, Jastrebarsko (1257) und andere (Antoljak, 1994: 61). Mit diesen Privilegien stieg das Vasallentum auf. Unter der Führung der Sachsen entwickelte sich der Bergbau in Bosnien. Besonders die Einwohner der Stadt Dubrovnik kamen mit ihnen in Kontakt, weil sie als Anmieter der Bergwerke und Händler mit den Kolonisten die gleichen Ortschaften bewohnten und somit sicherlich von ihnen Einiges übernahmen und lernten (Rešetar VDG, 1995: 102).1 Auch die anderen Küstenstädte Dalmatiens regten die Ansiedlung von fachlich gebildeten Zuwanderern